„Deutschland über alles“, das wollen wir niemals wieder haben

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Herrsching genießt als intellektuelle Brutstätte noch keinen überörtlichen Ruhm. Dabei schafft die Seengemeinde immer wieder kulturelle und geistige Glanzlichter. Ein solches Ereignis ist das Nachdenken über den Menschen, das in der evangelischen DreiSeenGemeinde als Predigtreihe die Passionszeit prägt. Pfarrer Ulrich Haberl hat in seiner Predigt aufgezeigt, wie die Macht durch den Menschen missbraucht werden kann. „Die Kritik an einer übermäßigen Ausübung der Macht gehört zum Christentum als eine ganz elementare DNA.“ In der ungewöhnlich politischen Predigt weist er darauf hin, dass im christlichen Verständnis jeder, der Macht besitzt, sich darüber bewusst sein soll, dass die Macht nicht ihm gehört. „Deutschland über alles, das wollen wir niemals wieder haben. Und auch Amercia first, dieser nationalistische Egoismus, ist im christlichen Sinn kein legitimes Verständnis von Macht.“ Im Video bringt herrsching.online die gesamte Predigt, um folgenden Text veröffentlichen wir Auszüge.

„Kann das Christentum, der Glaube, über die Macht wichtige Aussagen machen? Meine Antwort ist: Ja. Auch im Vater unser geht es um Macht.  In der englischen Fassung wird das noch deutlicher: „For the kingdom, the power and the Glory are yours for ever.“ Power, Macht. Die Macht gehört in einem letzten Sinn allein Gott. Das bekennt jeder, der das Vater unser spricht. Wir anerkennen, dass Gott die Quelle und das Ziel aller Macht ist.

Auch der Mensch ist ein ungemein machtvolles Wesen.  Der Mensch ist ein Macher. Er ist nicht nur durch Instinkte gesteuert, sondern er hat einen freien Willen.  Er kann sich selber überlegen, wie er die Welt gestalten und verändern will. 

Ein zweiter Aspekt ist, wie sich Menschen zusammentun und organisieren können. Bürokratie, Verwaltung, Armeen, alles ungemein mächtige Instrumente.

Dass Menschen so mächtig sind, hat auch damit zu tun, dass sie sich Wissen aneignen können.  Eine Generation kann auf das Wissen der anderen aufbauen. Und die Explosion des Wissens ist atemberaubend.

Und aufgrund des Wissens finden sie Technologien, wie sie die Welt verändern können.

Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass man das Zeitalter, in dem wir leben, Antropozän nennen sollte.  Das heißt, von Menschen gemachtes Zeitalter.

Der Mensch ist ein Macher.

Das spiegelt sich schon in Aussagen der Bibel wider.  In der Schöpfungsgeschichte bekommt der Mensch von Gott den Auftrag, über Pflanzen und Tiere zu herrschen. Klingt nicht so ganz sympathisch und wird aus guten Gründen kritisiert. Aber vielleicht ist es ein Reflex auf die Erkenntnis, wozu Menschen in der Lage sind. Schöner klingt es in der zweiten Schöpfungsgeschichte, wo es heißt, Gott schuf den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Das ist besonders wichtig, weil es in unserer Zeit Machthaber gibt, die Macht an sich reißen, dass einem der Atem stockt. Die meinen, sie müssten sich vor niemandem verantworten. Die sich und ihre Clique, die sie umgibt, persönlich bereichern.

Unsere Zeit ist geprägt von Machthaber, die in einer Weise autoritär auftreten, ohne Rücksicht auf Regeln. Sie verschieben Grenzen mit Gewalt, so wie Putin das in der Ukraine getan hat. Und so wie es Trump angekündigt hat für den Gaza-Streifen, für Grönland, für Kanada. Sie hetzen gegen politische Gegner, machen sie mundtot, sie überwachen sie und sperren sie in Gefängnisse, so wie es die kommunistische Diktatur in China tut. Sie ermorden sie wie in Russland.

Deshalb meine ich, man sollte öfter wieder das Vater unser beten, und auf den letzten Satz achten: „Denn Dein ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.“

Wir legen mit diesem Satz einen Protest dagegen ein, dass Menschen eine letzte Macht über andere Menschen bekommen können.

Die Christen in der Frühzeit haben sich gegen die Huldigung an den Kaiser damit gewehrt, das Kyrie eleison vor dem römischen Kaiser zu sprechen. Das Kyrie eleison gilt allein dem allmächtigen Gott.

Wenn wir das Kyrie eleison singen, dann ist das auch eine Form des Widerstands dagegen, dass irgendein Mensch eine solche Macht haben soll. 

Die Kritik an einer übermäßigen Ausübung der Macht gehört zum Christentum als eine ganz elementare DNA.

Deshalb gibt unser Glaube ganz wichtige Impulse für die Begrenzung und für die Vermenschlichung des Umgangs mit Macht gibt.

Im christlichen Verständnis soll sich jeder bewusst machen, dass die Macht, die er hat, nicht ihm gehört. Sondern dass sie ihm nur verliehen ist. Und dass er sich vor anderen dafür verantworten muss, wie er diese Macht ausübt.

Macht gehört nie einem Menschen oder einer Gruppe ganz allein. Und deshalb ist Macht auch nicht dafür gedacht, dass man sie nur für sich allein besitzt.

Deutschland über alles, das wollen wir niemals wieder haben. Und auch Amercia first, dieser nationalistische Egoismus, ist im christlichen Verständnis kein  legitimes Verständnis von Macht.

Besser ist es so, wie es im Grundgesetz steht, das ist christlicher Geist: Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu schützen und achten ist Aufgabe aller staatlicher Gewalt.

Macht hat immer eine Versuchung, sie nicht mehr herzugeben. Wir sollten dafür kämpfen, dass Macht auch wieder entzogen werden kann.

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