Frau Melchiors feines Gespür für Töne

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Neue Serie bei herrsching.online: Herrschinger Bürgerinnen und Bürger, die einen spannenden Beruf haben/ Den Anfang macht die Diplom-Tonmeisterin Marie-Josefin Melchior, die aus Hunderten von Tonschnipseln wunderbare CDs macht.///

Wie eine Chirurgin schneidet sie Schlechtes raus und ersetzt es durch Vollkommenes. Ihr Beruf ist allerdings völlig unblutig: Marie-Josefin Melchior ist akademische Tonmeisterin. An ihrem Rechner entstehen makellose Konzertmitschnitte und brillante CDs. Wenn die Musiker bei einem Konzert einen Durchhänger haben, entfernt Marie-Josefin Melchior die Takte in der Tonaufnahme und ersetzt sie durch einen Take aus der Probeaufführung. Und wenn die Stelle aus der Probe auch nicht überzeugend war, müssen die Musiker „nachsitzen” und diese Takte noch einmal einspielen. So entsteht ein Konzertmitschnitt ohne Fehl und Tadel. Bei CD-Produktionen sucht sie wie eine Film-Cutterin aus vielen Takes die beste Version aus und fügt sie aneinander, bis der Satz wie aus einem Guss klingt. Melchior hat für diesen Job 6 Jahre in Wien studiert, spielt selbst Geige („Klangzeit”) und könnte zur Not auch dirigieren – sie verfolgt während der Konzerte die gesamte Partitur. An vielen Stellen im Notenbuch kleben dann kleine Post-its, die für die „Heimarbeit” bedeuten: Diese Takes werden für die sendereife Version ersetzt.

herrsching.online hat die Tonmeisterin (Magistra artium) in Breitbrunn bei der Produktion der CD „Brahms & Gernsheim mit dem Mariani-Klavierquartett” getroffen. In 4 Tagen hatte Melchior mit den 4 Musikern und dem Tontechniker die Stücke aufgenommen. „Allein den Anfang haben die Musiker sechs Mal gespielt, und ich habe mir bei den Aufnahmen gleich notiert, welche Versionen die besten waren. Diese Takes wähle ich dann aus und schneide sie hintereinander.” Sie hat sich am Anfang für eine Version entschieden, die „noch ein bisschen knackiger, noch ein bisschen besser eingerastet war zwischen den Musikern.” Und dann kommt für 2 Töne ein anderer Take, und schließlich geht’s zurück in den Originaltake.

Viele Tonmeister auf diesem Niveau gibt es nicht in Deutschland, und so sind auch die Studienplätze rar: In Deutschland bieten nur 2 Musikhochschulen Ausbildungen für diesen ausgefallenen Beruf an. Melchior wollte aber weder nach Detmold noch nach Berlin, sie hatte sich für Wien entschieden.

Wer 6 Jahre studiert, lernt nicht nur das Aufstellen von Mikrofonen und das Bedienen von Mischpulten. „Ein Diplom-Tonmeister ist im Prinzip eine Vermittlerrolle zwischen den Musikern und Aufnahmetechnik. Zur Hälfte bin ich Musikerin, zur anderen Hälfte kenn ich mich mit Aufnahmetechnik aus.” Deshalb werden die Studierenden umfassend musikalisch in den Fächern Instrumentierung, Komposition, Arrangement und Musiktheorie, Gehörbildung, Klavier, Sprecherziehung, Gesang, Generalbass-Spiel und Jazz-Arrangement ausgebildet. Zum anderen ist es aber ein technisches Studium mit Mathe, Eletrotechnik, Akustik und Bedienungstechnik. „Wir mussten sogar löten lernen.”

Solche Profis werden besonders von den Rundfunkanstalten gesucht. Bei diesen personell gut ausgestatteten Radio-Aufnahmen ist Melchior für die Musiker und die Absprache der Musiker mit der Technik zuständig. Die Bandbreite des Berufes ist aber beeindruckend breit. Bei Konzertmitschnitten sammelt sie als Tonmeisterin schon bei der Probe das Material, prüft die Qualität und die Schwächen und notiert sich Stellen, die sowohl in der Probe als auch im Konzert nicht so ausfielen, dass man das senden möchte. „Dann machen wir nach dem Konzert noch eine Korrektursitzung, vor der ich genau wissen muss, welche Takte noch einmal aufgenommen werden müssen.”

Man glaubt als musikalischer Laie, dass Orchester von Weltruf keine Fehler machen. Da muss Marie-Josefin Melchior leicht schmunzeln: „Es gibt bei Konzerten immer Fehler. Auch die großartigsten Musiker haben Stellen, die ihnen nicht so gelingen, wie es sich die Musiker wünschen. Das heißt nicht, dass es ein echter Fehler ist oder dass das vom Publikum bemerkt würde, aber die Stelle würde man gerne anders im Radio bringen. Um diese Stellen zu erkennen, dazu bin ich auch da.” Deshalb schneidet sie bei Konzertmitschnitten durchschnittlich alle 5 bis 10 Minuten eine Stelle aus der Probe in die Version rein, die dann schließlich über den Äther geht.

Bei CD-Produktionen ist der Einfluss der Tonmeister viel größer als bei Konzertmitschnitten. „Da geht man mit den Musikern wirklich in eine musikalische Zusammenarbeit ein. Schließlich muss die CD die gleiche Wirkung auf den Zuhörer erzeugen wie ein Konzert. Der Konzertbesucher hat immer auch die visuellen Eindrücke, der fällt bei der CD weg. Eine „wilde Stelle” muss also für die CD unter Umständen schneller, mit mehr Energie gespielt werden.”

Aber Hören, sagt Melchior, ist ja etwas sehr Individuelles. Und als Zuhörer kann man sich auch sehr viel einbilden. Die Psychologie spielt selbst bei erfahrenen Konzertbesuchern eine Rolle. „Wenn ich als Zuhörer einem Star auf der Bühne zuhöre, den ich verehre, dann kann der auch mal einen schlechten Tag haben, und ich find’s trotzdem großartig.”

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