Mitten in der sommerlichen Gluthitze hat der Verein ProNatur die Ergebnisse seiner Online-Befragung vorgestellt. Die Bürger fühlen sich übrigens nicht genug beschützt vor Extremwetter. Von links: Petra Behcet, Heidi Körner, Karin Casaretto, Ela Bauer, Karl-Heinz Wirth und Norbert Wittmann. Foto: Gerd Kloos

Zeugnis für den Bürgermeister

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Der Verein ProNatur stellt die Ergebnisse einer bislang einmaligen Bürgerumfrage vor/966 Einwohner haben für Online-Befragung 225 Stunden Zeit investiert/Vorsitzende Casaretto sieht in den Ergebnissen repräsentative Gültigkeit/Eher bescheidene Noten für die Arbeit des Rathauses///

„Herrsching hat ein enormes Potenzial, das bisher ungenutzt bleibt“, schreibt ein Bürger und bringt es auf den Punkt: „Viele Entscheidungen dauern zu lange, wir müssen mutig neue Projekte anstoßen.“ Der Anstoß ist nun da: Der Verein ProNatur hat den Herrschingerinnen und Herrschingern mit einer beispiellosen Online-Umfrage eine Stimme verliehen: 966 Einwohner der Seegemeinde haben zu Protokoll gegeben, was sie von der Arbeit des Bürgermeisters und des Gemeinderates halten, wie der Bahnhof aussehen soll, ob sie sich auf dem Fahrrad sicher fühlen, wie der Baumschutz künftig aussehen soll und wie wir künftig heizen können. Die Vorsitzende Karin Casaretto hält diese Online-Befragung für repräsentativ: „Knapp neun Prozent der Herrschinger Gesamtbevölkerung haben den Fragebogen ausgefüllt“, rechnet sie vor. Zieht man noch Babys, Kinder und Schlafstadt-Bürger ab, wird die Zahl noch imposanter. Der Verein hatte in jedem Ortsteil mit Postkarten für die Abstimmung geworben und damit sichergestellt, dass die Umfrage flächig relevant wird.

Den härtesten Kommentar zur aktuellen Hitzewelle liefert eine scheinbar unscheinbare Zahl: Nur 17 Prozent der Herrschinger meinen, dass das Thema Extremwetter überbewertet wird. Knapp mehr als die Hälfte aller Teilnehmer will ein klares Konzept für Starkregen, Hochwasser und Hitzewellen. 44 Prozent stellen dem Rathaus ein schlechtes Zeugnis aus: Es fehlten vorbeugende Maßnahmen, um Extremwettern wirksam zu begegnen.

Den Münchner OB loben 80 Prozent, Herrschings Bürgermeister nur 37 Prozent

Demokratie in Herrsching: Die Rathaus-Arbeit wird kritisch bewertet. Blau bedeutet hohe Zustimmung, violett starke Ablehnung.

Das schlägt sich dann auch in der Zufriedenheit mit der Arbeit des Bürgermeisters nieder. 10 Prozent sind sehr zufrieden, 27 Prozent halten sie für gut, 28 Prozent aber für schlecht oder sehr sehr schlecht. 36 Prozent haben keine Meinung dazu. Ein Bürger verbalisiert seine Unzufriedenheit so: „Herr Schiller zögert zu oft und zeigt wenig Tatkraft.“ Anders die Zahlen in München, nach einer aktuellen Umfrage liegen die Zustimmungswerte für OB Dieter Reiter bei satten 80,2 Prozent.

Ähnlich auch die Bewertung für den Gemeinderat: 31 Prozent halten sie für sehr gut oder gut, 22 Prozent für schlecht oder sehr schlecht. Erschreckend die Zahl der Meinungslosen: 46 Prozent trauen sich kein Urteil zu. In München dagegen sind rund 73 Prozent der Befragten mit der Rathauspolitik einverstanden.

Arme Bürger sitzen am Katzentisch

Die Senioren in der Gemeinde fühlen sich freilich durchaus wohl mit ihrer Interessenvertretung: 36 Prozent sind zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Gemeinderat, nur 14 Prozent nörgeln. Menschen mit geringem Einkommen, das zeigt die Umfrage deutlich, sitzen am Katzentisch der Kommunalpolitik. Das gipfelt in der Fragestellung, ob es einen von 24 Gemeinderäten in Herrsching gibt, der oder die nicht im eigenen Haus lebt.

Düster wird’s bei den Ergebnissen, wenn es um die Interessen der Jugend geht. Nur 19 Prozent glauben, dass die Bedürfnisse der Heranwachsenen ausreichend berücksichtigt werden, ein gleicher Prozentsatz ist vom Gegenteil überzeugt.

Miserables Zeugnis für Öko-Bewusstsein des Gemeinderates

Dass der Gemeinderat in seine Entscheidungen ökologische Aspekte einbezieht, glauben nur 17 Prozent, 35 Prozent sind der Meinung, das Thema zähle nicht oder eher nicht.

Fast alle lieben Bäume (71 Prozent), 37 Prozent wollen eine Schutzverordnung, 38 Prozent Baumschutz mit gemeindlicher Unterstützung.

Und schon sind wir beim Baumschutz, der als Initialzündung für die Gründung der Bürgerinitiative ProNatur gilt (sie entstand unter Mitwirkung von Christl Voit als „Kienbach-Kombattanten“). Die Zahlen zum Baumschutz bringen vielleicht späte Gewissheit, wie eine Abstimmung über eine Baumschutzverordnung ausgegangen wäre, hätte sie die Kommunalaufsicht nicht abgeräumt: Nur 37 Prozent in Herrsching wünschen sich eine verbindliche Baumschutzverordnung mit Sanktionen, die gleiche Zahl wünscht sich Baumschutz, aber mit gemeindlicher Unterstützung. Dass die Herrschinger Bürgerinnen und Bürger ihre Bäume lieben, bringen sie mit einer massiven Forderung zum Ausdruck: 71 Prozent wollen, dass in Herrsching möglichst viele Bäume erhalten bleiben. „Jedes Mal hat mir das Herz geblutet, wenn wieder eine wunderschöne alte Buche oder drei wunderbare alte Kiefern (die sogar an der Grundstücksgrenze standen und hätten erhalten werden können) dem Neubau geopfert wurden“, klagte eine Bürgerin oder ein Bürger in einem Kommentar.

Fahrradstraßen bekommen Sonderlob, Fahrradstreifen sind unbeliebt

Nicht ganz soviel Zustimmung findet die Forderung nach einem harten Tempolimit auf allen Straßen Herrschings: Knapp die Hälfte der Antworten spricht sich für die Drosselgeschwindigkeit 30 aus. Dass in allen Straßen Herrschings mit Ausnahme der Rieder und Mühlfelder schon Schleichtempo gilt, wissen aber offensichtlich viele Bürger noch nicht. Die Vorsitzende von ProNatur, Casaretto sprach in der Pressekonferenz auch die besonders neuralgischen Verkehrspunkte in Herrsching an:

• Die Einmündung der Schmidschneiderstraße

• Die Verkehrsregelung zum und rund um das Gymnasium

• die Mühlfelder Straße.

Für Casasretto ist klar: Herrsching braucht – die Stress-Wochenenden dieses Sommers beweisen das wieder einmal – ein Parkleitsystem. Dazu gehört auch – Bürgerwunsch! – die Öffnung der Tiefgarage des Gymnasiums an den Wochenenden.

Dann kann man ja auch gleich Fahrrad fahren? Ja, wenn man sich traut – die Herrschinger geben ihrem Ort eine durchschnittliche Note für die Fahrradfreundlichkeit. Eher schlecht kommen die Fahrradstreifen auf der Rieder und der Mühlfelder Straße weg, während die Fahrradstraßen Madeleine Ruoff, Hanauer und Summerstraße mit klarem Pedal-Privileg ein gutes Zeugnis bekommen. Die Fahrradfahrer fühlen offenkundig, dass sie hier besonders geschützt, die Autofahrer akzeptieren, dass sie hier nicht die Chefs sind.

Und zum Schluss darf man sich auch mal selber zum Gegenstand der Befragung machen: ProNatur hat sich in den letzten Jahren zur kommunalpolitischen Hefe entwickelt, auch wenn ein Kommentar fragte: ProNatur, ist das eine Sekte? Selbst wenn der Verein nur 18 Mitglieder hat, entwickeln die Aktivistinnen und Aktivisten mit Karin Casaretto, Ela Bauer, Heidi Körner, Uli Spindler, Christine Hollacher, Regula Fey, Petra Behcet, Norbert Wittmann, Thomas Barnstein und Karl-Heinz Wirth eine neue Gemeindepolitik fernab von privaten Interessen. Das heißt, sie machen schon heftige Lobbyarbeit: Ihre „Klientel“ wird im Vereinsnamen benannt.

Die Bürgerbefragung von ProNatur finden fast 70 Prozent sehr gut oder gut. Auch das Projekt Wiedervernässung des Andechser Moors befürworten 53 Prozent. Toll finden die Herrschinger Blüh- und Streuobstwiesen.

4 Comments

  1. Pro Natur kann das Wetter auch nicht beeinflussen. Wir sind von Bäumen umzingelt. Wer einmal auf den See schwimmt in ca. 100 Metern vom Ufer entfernt, sieht mehr Bäume als Häuser. ich finde diese Baumhysterie in unserer Gemeinde völlig übertrieben. Wenn ein Baum beschädigt ist gehört er gefällt bevor Schaden für die Allgemeinheit entsteht. ich glaube nicht daß jemand glücklich ist wenn ihm ein Baum aufs Dach fällt.

    • Sehr geehrter Kommentierender (ohne Namen),
      als leidenschaftliche Seglerin kenne ich den Blick vom See auf unsere schöne Herrschinger Bucht gut – sie ist tatsächlich eine grüne Oase, umgeben von beeindruckender Natur. Viele Menschen in unserer Gemeinde empfinden das genauso: In unserer Umfrage haben sich 71 % der Bürger*innen dafür ausgesprochen, möglichst viele Bäume in Herrsching zu erhalten.
      Gleichzeitig ist klar: Kein Baum soll erhalten bleiben, wenn er eine Gefahr für Menschen oder Eigentum darstellt – das sehen sowohl wir von ProNatur, als auch die Verantwortlichen in der Gemeinde so. Die Sicherheit aller steht selbstverständlich im Vordergrund.
      Es will Ihnen auch niemand vorschreiben, wie Sie ihren Garten gestalten, (falls sie glücklicher Gartenbesitzer sind). Wenn jedoch Gartenbesitzer alle Bäume fällen und stattdessen die Fläche wasserundurchlässig versiegeln, wird das Wasser bei Starkregen nicht auf Ihren Grundstücken versickern, sondern zu Ihren Nachbarn laufen, möglicherweise deren Keller überfluten und den Abwasserkanal zum Überlaufen bringen. Das passiert regelmäßig in Herrsching – ich erinnere mich noch an 2016 als in der Hechendorfer Straße das Wasser aus den Gullideckeln schoss und stürzflutartig den Hang hinunter kam. Auch hier haben wir eine Verpflichtung unseren Mitbürger*innen gegenüber, sie vor Überschwemmungen zu schützen.

      Der einfachste Schutz: Wasser dort aufzufangen, wo es fällt – und Pflanzen, insbesondere große Bäume, leisten dabei einen unschätzbaren Beitrag: Sie speichern Wasser, spenden Schatten und kühlen ihre Umgebung.

      In einem sind sich führende Wissenschaftler weltweit einig: Der Mensch beeinflusst das Wetter. 2024 haben über 700 Wissenschaftler*innen aus 90 Ländern am Bericht des Weltklimarats mitgewirkt – und sie kommen zu einem klaren Schluss: Wir können die Klimaerhitzung nicht stoppen, aber wir können sie verlangsamen und abmildern.
      Bereits im Juni hatten wir in Herrsching 2 Wochen lang fast täglich um die 30 Grad – und es geht weiter so. Wo ich wohne leben auch viele Senior*innen. Sie leiden sehr unter der Hitze. Auch der Grundwasserspiegel in Herrsching sinkt, und die natürlichen Brunnen in Breitbrunn versiegen. Der Ammersee hat seit April Niedrigwasser – auch der Kienbach, Fische können darin nicht mehr laichen …viele Arten sterben.
      Wenn Sie möchten, lade ich Sie herzlich zu einem persönlichen Austausch bei einem Spaziergang durch Herrsching ein. Sie können mich kontaktieren unter: info@pronaturherrsching.de.

    • Lieber anonymer Schreiber… Leider polemisieren sie in ihrem Kommentar und respektieren Andersdenkende nicht. Das emotionalsiert unnötig und belastet unsere politische Kultur unnötig. Wie wäre es mit konstruktiver Kritik?

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