Weil es keinen Bebauungsplan gibt, können sich Bauherren in der Nachbarschaft auf solche Gebäude beziehen. Es gilt dann Paragraf 34 der Bayerischen Bauordnung

”Einem Bauträger ist egal, wie das Gebiet hinterher aussieht”

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Die Schönbichlstraße in Herrsching ist so was wie ein Rottach-Egern im Kleinen: Hier werden Millionen in den Hang gesetzt. Kürzlich musste sich der Bauausschuss mit einem Projekt befassen, bei dem „eine riesige Wanne mit Beton ausgegossen werden muss”, wie Gemeinderätin Christiane Gruber (BGH) klagte. Und ihr Fraktionskollege Dr. Rainer Guggenberger stellte fest: „Jetzt spüren wir die Fehler der Vergangenheit.” Grund der Klagen: Es fehlt ein Bebauungsplan. herrsching.online hat die Gemeinderäte Gruber und ihren Kollegen Guggenberger gefragt: Wie kann man künftig die Gemeindeentwicklung besser gestalten?

Die Gemeinderätin Christiane Gruber beklagt den Siedlungsdruck in Herrsching

herrsching.online: Warum gibt es für die Schönbichlstraße keinen Bebauungsplan, Frau Gruber?

Gruber: Die Gemeinde hat die Planungshoheit, das Landratsamt nimmt uns diese Aufgabe nicht ab. Man braucht aber ein städtebauliches Ziel. Natürlich muss in einen Bebauungsplan bestehendes Baurecht aufgenommen werden.  Eine Gemeinde kann also kein bestehendes Baurecht reduzieren. Man kann aber die Zufahrten regeln, Bäume festsetzen. Und man kann festlegen, was ein Wohngebiet ist und eine Wohn- und Geschäftsstraße. Natürlich gab es auch in den Sechzigerjahren, Beispiel Schönbichlstraße, schon Ausreißer auf der Hangseite. In den Achtzigerjahren hätte es die Möglichkeit gegeben, den natürlichen Villen- mit Garten-Bestand zu erhalten. Aber hätte, hätte Fahrradkette. Leichter geht es bei Gebieten, die neu zu beplanen sind, zum Beispiel im neuen Klinikgebiet. Leider gibt es nur noch wenige Gebiete, die man neu beplanen kann.

herrsching.online: Welche Gebiete brauchen in Herrsching einen Bebauungsplan?

Guggenberger: Da sehe ich Gebiete in Widdersberg und in Breitbrunn, aber auch im Ortsbereich Herrsching, zum Beispiel am Seeufer. Zwar gibt es auch heute viele Bebauungspläne in der Gemeinde, aber leider ist es ein Flickenteppich. Und es sind in den letzten Jahren weniger Bebauungspläne geworden und nicht mehr. In einigen Gebieten sind die alten Pläne obsolet, in anderen Gebieten wurden schon so viele Ausnahmen gemacht, dass sie einfach nicht mehr gültig sind.  Und andere werden von Gerichten kassiert, also niedergeklagt, weil zum Beispiel kleine Verfahrensfehler entdeckt wurden.

Dr. Rainer Guggenberger: Bebauungspläne werden niedergeklagt

herrsching.online: Hat der Gemeinderat manche Gelegenheit verschlafen, Bebauungspläne aufzustellen?

Guggenberger: Im Nachhinein Dinge zu kritisieren, ist immer einfach…

Gruber: … ich bin seit fast 20 Jahren im Gemeinderat. Leider waren die Mehrheitsverhältnisse noch nie auf meiner Seite.

herrsching.online: Gibt es eine Betonfraktion, die solche Initiativen verhindert hat?

Gruber: Man muss halt alle ins Boot holen. Beispiel Fischergasse, Mühlfelder- Seestraße. Der geplante Bebauungsplan ist dann daran gescheitert, dass angeblich die Entwässerung nicht gesichert sei. Und das muss man im Bebauungsplan nachweisen. Deshalb wurde dieser Plan aufgehoben. ..

herrsching.online:… von wem?

Gruber:  Er wurde vom Gemeinderat ad acta gelegt. Der Bebauungsplan für das Gebiet des Edeka-Marktes mit dem Dannerhaus ist 10 Jahre lang verhandelt worden, 10 Jahre lang ausgelegt gewesen.  Der Grundstücksinhaber konnte dagegen klagen und hat ihn zu Fall gebracht, obwohl so viele Behörden da draufgeschaut haben.

Doch lasst uns in die Zukunft schauen: In einer Gemeinderats-Klausur haben wir uns Fraktions-übergreifend darauf verständigt, dass wir die Orts-Gestaltung wieder aktiv angehen wollen, und zuerst kommt der Flächennutzungsplan dran, aus dem heraus die Bebauungspläne entwickelt werden.

herrsching.online. In einer Straßenumfrage haben wir Herrschinger gefragt, ob sie mit der Entwicklung ihres Ortes zufrieden seien. Ein älterer Herr sagte sehr deutlich, dass Herrsching an Lebensqualität, an Liebenswürdigkeit, an Wohnqualität deutlich abgenommen habe. Sehen Sie das auch so?

Gruber: Ja, es gibt einen massiven Siedlungsdruck. Dass wir im Speckgürtel von München liegen und durch S-Bahn und Autobahn sehr gut angebunden sind, hat die Grundpreise extrem in die Höhe getrieben. Wo man früher noch großzügig ein Haus mit Garten planen konnte, ist heute gerade noch Platz für eine Mülltonne. Das ganze Ortsbild hat sich extrem verändert.

Guggenberger:  Wenn es beim Quadratmeterpreis um solche Summen geht, hat natürlich jeder Bauherr sein Interesse im Blick. Da kommen dann über Jahrzehnte gewachsene Strukturen ins Wanken.  Mit dem höchsten Baurecht erzielt man die höchsten Grundstückspreise. Und einem Bauträger ist dann auch egal, wie das Gebiet dann hinterher aussieht – Hauptsache, es wird das Maximum aus dem Grundstück herausgeholt. Zudem gibt es auch widerstrebende Interessen, denn eine sinnvolle Verdichtung macht ja auch Sinn, wenn man dadurch Versiegelungen im Außenbereich verhindert – aber alles mit Augenmaß und Blick aufs Ortsbild. Dazu gehört zwingend eine vernünftige Bauleitplanung der Gemeinde. 

3 Comments

  1. […] Rainer Guggenberger und ich haben ein Gespräch mit herrsching.online zum Thema Bauleitplanung geführt. Die Ergebnisse unserer Klausur im November müssen jetzt konkretisiert werden.  https://herrsching.online/2022/03/10/einem-bautraeger-ist-egal-wie-das-gebiet-hinterher-aussieht/ […]

  2. Das abgebildete Terrassenhaus ist genau dasjenige, an dem sich alle folgenden Bauvorhaben orientieren „durften“. Es wurde meines Wissens bereits in den 60er oder 70er Jahren gebaut.
    Ebenso fiel der bei den Herrschinger Kindern beliebte Schlittenhang einem großvolumigen Neubau zum Opfer. Das Baurecht für dieses Haus wurde vor dem Verwaltungsgericht erstritten.
    Die Sünden der Vergangenheit wiegen an dieser Stelle schwer und sind leider nicht rückgängig zu machen.

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