Etwa 200 „Spaziergänger" bewegten sich, wie von Geisterhand dirigiert, durch Herrsching

Austausch von Meinungen – und Aerosolen?

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Bericht von der Anti-Corona-Demo/ Gemeinderat Keim unter den Spaziergängern/

Von Gerd Kloos/

Etwa 200 Bürger zogen am Montagabend wieder durch Herrsching, friedlich wie die sommerlichen Massen auf dem Weg nach Andechs. Die Polizei begleitete die „Spaziergänger” bei ihrem Schweigemarsch durch die Gemeinde. Auf die Frage, für was oder gegen was sie demonstrierten, meinten einige Laternenträger, dass sie nur frische Luft schnappen wollten. Was für Zufälle es gibt: Immer am Montagabend gehen Frischluftfanatiker ohne Verabredung und Orchestrierung auf die Straße, als würde sie die Schwarmintelligenz zusammenführen. Der Schwarm zog dann einmal um den Block: Bahnhofstraße, Landungssteg, Seestraße, Mühlfeldern Straße zurück zum Rathaus. Mit im Pulk der Spaziergänger: der FDP-Gemeinderat Alexander Keim (Interview unten).

Tatsächlich wirkte die Szene wie ein Ausflug der Volkshochschule: Sehr bürgerliche Erscheinungen, gut gekleidet, gut erzogen. Als der Reporter von herrsching.online aber fotografieren wollte, schritten mehrere „Passanten” ein und beharrten auf ihren „Persönlichkeitsrechten”. Der Ton wurde so aggressiv, dass sich die beiden begleitenden Polizeibeamten um Deeskalation bemühten.

Fotografieren unerwünscht. Einige Teilnehmer wehrten sich gegen Aufnahmen. Polizisten mussten deeskalierend eingreifen

Offenkundig waren die Meinungen der Spaziergänger heterogen, als wäre man bei einem Sektenkongress. Eine Dame, die ihren Namen nicht nennen wollte, belehrte den Reporter: „Der Seehofer hat es schon als Gesundheitsminister gewußt: Die Pharmaindustrie hat in Deutschland das Sagen.” Eine andere Dame, auch sie nur eine zufällige Spaziergängerin, herrschte den Reporter an: „Wissen Sie, was die mRNA-Impfstoffe mit uns machen?”

Eine andere Dame, („Ich bin SPDlerin, mein Mann ist in der höchsten Einkommenssteuerklasse”) machte medizinische Gründe für ihre Demo-Teilnahme geltend: Sie könne wegen einer medizinischen Indikation nicht geimpft werden, und sie wolle nicht, dass ihre 18-jährige Tochter drei oder viermal jedes Jahr geimpft werde. Warum, so fragte sie in logischer Folgerung, könne sie mit ihrer Vorerkrankung, die eine Impfung nicht ratsam mache, nicht in ein Restaurant gehen? Für den Reporter, der bisher nur mit Floskeln und Behauptungen konfrontiert worden war, eine neue Erfahrung. Hier möchte jemand mit einem seriösen Anliegen gehört werden.

Auch der FDP-Gemeinderat Alexander Keim tauchte plötziich aus dem Strom der Passanten auf und war zu einem Interview bereit:

Warum gehen Sie abends, anstatt bei Ihren kleinen Töchtern zu sein, spazieren mit fremden Leuten?

Keim: Weil wir seit heute unsere 2- und unsere 4-jährige Tochter testen müssen, und alles ist total scheiße organisiert, und Lollitests sind seit Wochen ausverkauft. Der einzige Weg ist der Antigentest durch die Nase. Was in Testzentren Profis machen, müssen wir jetzt mit unseren kleinen Kindern machen. Das haben wir dann gemacht und hatten 2 Stunden lang Geschrei. Und heute früh musste ich mir anhören, dass der Test tagesaktuell zu erfolgen habe. Das sind unlogische, nicht zielführende Maßnahmen.

Ist Ihnen klar, mit welchen Leuten Sie da marschieren?

Keim: Klar, da sind sicher ein paar von der Basis dabei (Coronaleugner-Partei), da sind Impfgegner dabei, da sind sicher Leute aus allen möglichen Lagern dabei.

Und mit denen machen Sie sich gemein?

Keim: Ich mache mich mit niemandem gemein. Ich geh mit, weil ich sage, wer mit der aktuellen Coronapolitik ein Problem hat, darf sich zeigen mit Mitteln des Protestes, die ja sowieso ziemlich eingeschränkt sind…

…wie und wo sind die eingeschränkt?

Keim…weil eine größere Veranstaltung mit 200 Teilnehmern sicher nicht genehmigt worden wäre. Und es werden von Woche zu Woche mehr Teilnehmer. Ich werde auch sicher nicht mit jedem einer Meinung sein. Aber ich find’s gut, dass die Leute ihr Gesicht zeigen: Es gibt gewisse Punkte, mit denen wir nicht einverstanden sind. Das ist unser Recht als Bürger.”

Gegen 19.30 löste sich die Versammlung allmählich auf.

Das Schluss-Meeting, vielleicht war es ja auch ein Come Together zum Austausch von Meinungen und – wer weiß – Aerosolen, war keine Demonstration mustergültiger Abstandsregeln. Und Mund-Nasen-Schutz haben nur die beiden Polizeibeamten und zeitweilig der Reporter getragen.

Frische Luft soll ja gesund sein, es gibt aber auch frische Luft, die sich vielleicht in der Herrschinger Inzidenz niederschlägt. Die liegt aktuell über 700. Die 1000 müssten wir doch schaffen bei soviel Gemein-Sinn.

17 Comments

  1. Die “Spaziergänger”, die montags in vielen Orten Deutschlands auffallen wollen und es auch tun, egal ob sie persönliche Zweifel hegen oder aus dem Hintergrund manipuliert werden, SIND EINE MINDERHEIT IN DEUTSCHLAND.

    Die große Mehrheit erhält nun im Landkreis Starnberg eine Stimme: Das überparteiliche Bündnis Starnberger Dialog hat eine “Starnberger Erklärung” verfasst. Am Donnerstag wurde darüber in der Süddeutschen Zeitung berichtet.

    Die Erklärung ist auf der Internetseite “openpetition.de” zu finden:

    https://www.openpetition.de/petition/online/starnberger-erklaerung-aufruf-fuer-solidaritaet-und-demokratie

    Ich hoffe, dass viele Bürger, die die Erklärung begrüßen und sie durch ihre Unterschrift unterstützen. Aktuell haben 713 Bürger unterschrieben.

  2. Der heutige Kommentar von Herrn Kloos war überfällig. Danke dafür.
    Es war ja das übliche Muster: die sensible vernuenftige Mehrheit meldet sich nicht und ueberlaesst das KommentarFeld den Anti-Demokratieschwurblern. Auch ich und viele aus dem Bekanntenkreis sind es im Grund leid, auf solch absurde Thesen einzugehen und überhaupt noch zu schreiben. Dennoch gebietet es die Achtung vor den Opfern wirklicher Diktaturen, den Menschen in Belarus, den Uiguren in China, dass Behauptungen wie angeblich fehlender Meinungs-und Demonstrationsfreiheit in Deutschland energisch begegnet wird, auch auf Landratsebene. Die wirklichen Opfer in Deutschland sind nicht die, die gerade auf die Straße gehen, sondern die inzwischen über 105000 Toten und ihre Angehörigen. Wie mag es denen angesichts solch Aufmärsche mit ihren wehleidigen Forderungen gehen?
    Und wer da mitgeht, sollte wissen, mit wem er sich gemein macht, die Kommentare in herrsching online zeigen dies spaetestens.

    • Danke, Frau Voit – Sie bringen es auf den Punkt.
      Man muss ja nicht mit allen Anti-Corona-Maßnahmen einverstanden sein, aber der Ungeist, der sich hier niederschlägt, ist wirklich, wirklich beängstigend.

      • “Ungeist”?
        Liebe Frau Böckelmann,
        ich kann ja verstehen, dass freies, kritisch hinterfragendes und unabhängiges Denken für Sie “beängstigend” wirkt, da es Ihren medial betreuten Glauben an das einzig Seeligmachende und scheinbar vor der (Todes)- Angst bewahrende empfindlich irritieren kann.
        Ich möchte aber an Sie appellieren, den wissenschaftlich ebenfalls sehr eindeutig belegbaren Ängsten der Impfskeptiker das gleiche Wohlwollen entgegenzubringen, wie Sie selbst es für Ihre eigenen Befürchtungen reklamieren.
        Die Realität in Australien, England und Israel kann Ihnen im übrigen zeigen, wo es in der Virus-Wirklichkeit lang geht und es könnte passieren, dass Sie schon in naher Zukunft denen dankbar sind, die für Sie mit offenem Geist (sie nennen es Ungeist, und das läßt weit blicken) die wahre Herdenimmunität erzeigt haben und Sie vom 4-wöchentlichen Boostern befreien…

        • Okay, Herr Hufner, Sie stören sich offenbar an dem Begriff “Ungeist”. Ich möchte deshalb spezifizieren, was ich darunter verstehe:
          – die um sich greifende Wissenschaftsleugnung, der Glaube an “alternative Fakten” und die hochgezüchteten Ängste vor der Impfung
          – Verschwörungstheorien (“Corona-Diktatur” mit Vergleichen aus der Nazi-Zeit. Das ist eine Verhöhnung der Menschen, die tatsächlich in einer Diktatur leben müssen.)
          – Missachtung demokratisch gesetzter Regeln, speziell für Demonstrationen
          – Gesellschaftliche Entsolidarisierung. Es wird weder Rücksicht genommen auf Personen, die bei einer Erkrankung mit Covid-19 vielleicht nicht so glimpflich davonkommen, noch auf die Belastungsgrenze von Pflegekräften. Bei der Impf-Verweigerung zählt häufig einzig und allein die Einschätzung, man selbst könne ja nicht so schwer erkranken. Einen “offenen Geist” kann ich in diesem Verhalten nicht erkennen, Egoismus trifft die Sache besser.
          – Last not least, die Verächtlichmachung von Personen, die bereit sind, sich an Regeln zu halten.
          Wenn Sie mir Todesangst als Hintergrund meines Denkens unterstellen, so sind Sie übrigens vollkommen auf der falschen Fährte.

          • Sogar Herr Söder hat´s kapiert:
            Söder:
            „…Denn nicht jeder, der skeptisch ist, ist ein Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker oder Rechtsradikaler. Mehr Hinhören ist der erste Schritt zu Heilung.“

  3. Leider stößt dieser Bericht ins gleiche Horn linkslastiger Medien. Nicht differenziert, Annahmen und Vermutungen. Ich empfehle mehrere Demonstrationen zu besuchen und mehr Bürger/Innen zu interviewen- oder einfach mal einen Livestream anfertigen, dann kann der Bürger selber beurteilen und ist nicht auf die Diffamierung der Medien allein angewiesen. Herr Keim – danke für Ihren Kommentar

  4. Ich bin sehr froh, dass sich endlich jemand aus der Politik traut mit den Bürgern zu spazieren anstatt sie pauschal zu verteufeln.
    Leider macht genau das in meinen Augen der Autor (wie leider viel zu viele ohne eigene Meinung) mit seinem Artikel.
    Raus aus 2 Jahren Angst und Panikmodus und endlich wieder mit Mut und Lebenslust in die Zukunft schauen.
    Jeder kann mal falsche Entscheidungen treffen, auch die Poltiker, aber man muss eben auch den Mut haben von einem “fest verannten” Kurs Kehrt zu machen.
    Und dafür danke ich dem Gemeinderat, dass er diesen Mut aufgebracht hat, endlich einen Kurswechsel mit seinem Spaziergang zu fordern.
    Hoffentlich folgen noch viele weitere.
    Der Autor ist übrigens auch eingeladen seinen nächsten Artikel ein wenig “mutiger” zu schreiben, sofern er sich traut 😉

    s’Lebn is a freid 🙂

  5. Wie der Artikel selbst erwähnt, handelt es sich bei den Spaziergängern um heterogene (also unterschiedliche) Meinungen. Was an unterschiedlichen Meinungen “sektenähnlich” sein soll, erschließt sich mir nicht. Das Urteil des Autor´s, dass es dabei auch seriöse Anliegen gäbe, bestätigt dies.

    Umso eigenartiger die Frage an den FDP Gemeinderat Alexander Keim, ob ihm klar sei, mit “welchen Leuten” er da marschiere ?!
    Nachdem diese im selben Artikel als friedlich, sehr bürgerlich, gut gekleidet und erzogen dargestellt wurden. Ist das nun auch schon verdächtig ?

    Sollte Herr Keim davor eine umfassende Umfrage starten, wer aus welchen Gründen, aus welcher Partei oder aus welchen politischen, medizinischen, gesellschaftlichen, religiösen oder ideologischen Gesinnung spazieren geht, um sich dann zu entscheiden, ob er mitgeht oder nicht und mit “wem er sich da gemein macht” ?! Was für unsinnige Fragen.

    Außerdem sollte der Autor das Totschlagargument “Corona-Leugner” mal einer Prüfung unterziehen, da wohl niemand der “Maßnahmenkritiker” leugnet, dass es mehr oder weniger agressive Corona Viren und Varianten/Mutanten schon immer gegeben hat, auch wenn sie erst 2006 entdeckt worden sind und Teil der Grippeviren sind. Ganz im Gegenteil, befinden sich die “Corona-Leugner”, (die so tun, als ob das SarsCov 2 Virus und Folgevarianten vom Himmel gefallen wäre und das einzige Virus im Universum sei, das nun die gesamte Menschheit bedroht ), eher in der Gruppe der Angstprediger.

  6. Herr Kloos, Ihr Bericht war wieder mal Klasse – versehen mit dem notwendigen Galgenhumor.
    Nur so kann man die derzeitige Situation ertragen.

    • Klasse? Meiner Meinung nach maximal tendenziös und sicher nicht die Wirklichkeit vor Ort widerspiegelnd. Guter Journalismus beschreibt was ist, nicht das was der Journalist aufgrund seiner eigenen politischen Orientierung sehen und berichten möchte. Die Menschen gehen überwiegend aus begründeter Sorge auf die Straße. Das ist gut so und in einer Demokratie ein unbedingt erlaubtes Mittel zu Äußerungen dieser Sorgen. Das Herr Keim dabei war, ist für mich der erbrachte Gegenbeweis für die Behauptung, die Veranstaltung gleiche einem “Sektenkongress”. Tut mir leid, aber der Beitrag von Herrn Kloss ist eine Zumutung, vor allem für jene, denen das Grundverständnis für demokratische Werte noch nicht verloren gegangen ist.

  7. Ich hoffe, der gestrige Abend hat dem Autor gezeigt, dass man die Spaziergänger nicht pauschal in eine Schublade stecken kann. Aus diesem Grund gehe ich auch mit. Die Gesellschaft ist zerrissen und nicht jeder findet Gehör. Die Politik ist selten zum Dialog bereit. Stattdessen wird die Polizei vorgeschickt, die ihren Job sehr gut macht. Ein de facto Demonstrationsverbot darf in einer Demokratie nicht zur Norm werden. Einen Zusammenhang zwischen Inzidenz (die laut RKI deutlich niedriger liegt als vom Autor behauptet) und Spaziergängen herzustellen ist wissenschaftlich nicht begründbar. Die Krankenhausampel ist seit Wochen wieder auf Gelb. Aber diesen Gradmesser hat die Staatsregierung still und leise aus dem Spotlight genommen. Ich für meinen Teil interessiere mich für die Beweggründe der Spaziergänger und bin an Lösungen interessiert, nicht an Framing und Ausgrenzung.

    • Krankenhaus-Ampel auf Gelb…. wie schön. Heißt, ein paar Betten sind wieder frei.
      Wäre es nicht das Beste, sie würden frei bleiben? So angenehm ist es schließlich nicht, mit Covid-Symptomen in einem solchen zu liegen.
      Ihr Lolli-Test-Problem wird auf einer solchen Demonstration mit Sicherheit nicht gelöst, Herr Keim.

      Wie sagte unser verflossener Gesundheitsminister doch so treffend?
      „Wir werden einander viel verzeihen müssen….“

    • Vielen Dank Herr Keim!
      Sie haben sich nicht in die diversen “rechts” und “Corona-Leugner”-Fallen locken lassen und den Mut aufgebracht, zu den Fakten (jeder Virolge weiß um sie) zu stehen, die den Angst-geboosterten Framing- Versuchen nicht mehr lange werden widerstehen können….

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