Will Starnberg in Berlin vertreten: Martina Neubauer. Foto: Gerd Kloos

„Die Wirtschaft ist ökologisch weiter als die Politik”

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Martina Neubauer (58) möchte sich einen Herzenswunsch erfüllen: Die Grüne kämpft dafür, ihre Heimatstadt Starnberg in Berlin vertreten zu dürfen. Eine Herkulesaufgabe: Mit dem Listenplatz 31 kommt die Sozialpädagogin nur über das Direktmandat nach Berlin. herrsching.online hat die Referatsleiterin im Münchner Landratsamt gefragt: Wie ökologisch ist eigentlich unser Landkreis aufgestellt?

Neubauer: Wir haben unglaublich viele Lippenbekenntnisse in Starnberg, wir haben viele tolle Ordner mit Mobilitätsvisionen. Das ist alles Papier für den Aktenschrank. Die konkreten Maßnahmen fehlen. Wir müssen weg von der 2H-Regel für Windkraftanlagen. Es langt auch nicht, dass wir einer Energieagentur beitreten. Das ist mir viel zu wenig. Es wird viel Symbolpolitik betrieben.

herrsching.online: Als die Zeitungen berichtet haben, in Tutzing würden die Grünen ein Verbot der Kiesgärten fordern, haben wir vermutet, dass jetzt ein Anschiss aus Berline komme nach dem Motto: Die Grünen sind keine Verbotspartei. Sind Sie es nicht?

Martina Neubauer bei einem Jazzkonzert in den Räumen von Dr. Strasser in Breitbrunn

Neubauer: Man sollte die Leute lieber beraten, wie man den Garten so gestalten kann, dass er der Artenvielfalt gerecht wird. Wir müssen die Leute mitnehmen und überzogen, sonst nützt alles nichts.

herrsching.online: Was sagt eigentlich die Wirtschaft zu den grünen Plänen?

Neubauer: Ich bin gerade auf Unternehmertour. Da habe ich festgestellt, dass die oft viel weiter sind als die Politik. Die sagen: Liebe Politik, gib uns die Sicherheit, gib uns den Rahmen, dann machen wir das. Die wissen auch, dass Ökologie auch ein Wettbewerbsvorteil ist. Das ist richtig spannend. Und schön.

herrsching.online: Das heißt: Die Wirtschaft ist weiter als die Politik?

Neubauer: Ja, das kann man so zusammenfassen.

herrsching.online: Wird der Landkreis Starnberg in Sachen Ökologie davon profitieren, wenn Sie Abgeordnete in Berlin wären?

Neubauer: Das hoffe ich doch sehr. Wir müssen bei der Mobilitätswende noch viel tun, das ist für mich ein Schwerpunkt. Von den Förderprogrammen, die wir auflegen, werden der Landkreis Starnberg und mein ganzer Wahlkreis (Starnberg, Landsberg, Germering; Red) profitieren.

herrsching.online: Warum tut man sich als Leitende Beamtin diese politische Ochsentour einer Bundestagskandidatur an?

Neubauer: Es ist ja nicht nur eine Ochsentour. Wir müssen jetzt die grünen Themen voranbringen. Wir stehen jetzt an einem Scheidepunkt. Und wir Grünen müssen nun die Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigung in verantwortlicher Position vertreten. Das ist mein Treiber.

herrsching.online: Nun hat der einzelne Bundestagsabgeordnete ja nicht allzuviel Macht. Viele fristen auf den hinteren Bänken ein Schattendasein und genießen nur mit dem Bundesbahnticket Privilegien.

Neubauer: Opposition hat eine absolut wichtige Funktion, um Themen anzusprechen. Aber wir sind aufgefordert, in die Regierungsverantwortung zu gehen, und dann erst ergeben sich enorme Gestaltungsmöglichkeiten.

herrsching.online: Wo sehen Sie sich persönlich in einer schwarz-rot-gelben Koalition?

Neubauer: Wir machen einen völlig selbstständigen Wahlkampf und müssen dann schauen, wo die größten Schnittmengen entstehen. Aber wir machen keine Aussage darüber, mit wem was  möglich ist.

herrsching.online: Die Umfragen sind sehr unbeständig, mal kommen die Grünen auf 18, mal auf 20 Prozent, da sind die Kanzlerinnen-Träume schnell ausgeträumt.

Neubauer: Das ist ja nicht mal so schlecht, wenn man bedenkt, wo wir herkommen. Und das ist ja auch nicht das Ende der Fahnenstange.

herrsching.online: Der Wahlkampfstart war etwas rumpelig…

Neubauer: Der Start war super professionell, dazwischen haben wir aber handwerkliche Fehler gemacht. Leider geht alles auf die Personen und nicht auf die Inhalte. Da traut sich niemand hinzuschauen. Wenn man da hinschauen würde, dann würde man sehen, dass die CDU schon wieder die bevorzugt, denen es eh besser geht. Bei uns geht es um soziale Gerechtigkeit – neben dem Thema Klimaschutz.

herrsching.online: Was wäre Ihr Thema im Bundestag?

Neubauer: Meine Themen sind Inklusion, also Politik für Menschen mit Behinderung, soziale Gerechtigkeit und Kommunalpolitik. Außerdem bringe ich eine große Portion Verwaltungskompetenz mit, die in der neuen Fraktion gebraucht wird. Auch wenn das Thema etwas unsexy ist.

herrsching.online: Wenn Sie am Ende der nächsten Legislaturperiode Bilanz ziehen. Was sollten Sie erreicht haben, damit Sie sagen können: Der Aufwand hat sich gelohnt?

Mut zum Unmöglichen? Auf dem Listenplatz 31 nach Berlin

Neubauer: Wir haben eine Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Plan. Ich möchte, dass auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung von den lokalen Jugendbehörden betreut werden und nicht mehr von einer übergeordneten Behörde. Außerdem müssen wir mehr Bürgerbeteiligung hinbekommen. Wir müssen das Bewusstsein stärken, dass eine Demokratie von starken Kommunen lebt.

1 Comment

  1. Die Antworten von Martina Neubauer zeigen nicht nur ihre Fachkompetenz. Es wäre wirklich eine Bereicherung für den neugewählten Bundestag, wenn sie den Landkreis Starnberg und seine Bürger mit ihrer bemerkenswerten Tatkraft und politischen Erfahrung vertreten kann. Sie wäre sicher keine dieser untauglichen Hinterbänkler im meist halbleeren bisherigen Plenarsaal, die sich nur auf ihre Abgeordneten-Pfründe ausruhen. Deshalb braucht es starke Grüne in Regierungsverantwortung, die die riesigen zukünftigen Probleme mitgestalten und lösen können.

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