Mensch, Hund, Fisch – alle konsumieren Plastik in Mikro-Dosen. Wie gefährlich sind die Mini-Partikel für die Gesundheit? Foto: Gerd Kloos

Mikroplastik gibt’s sogar in der Antarktis

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Unsichtbar, unberechenbar, unerkannt: Mikroplastik im Alltag. Jeder Mensch nimmt statistisch jede Woche 5 Gramm kleinste Plastikpartikel durch die Luft, Getränke und Lebensmittel zu sich. Das kann nicht wirklich gesund sein. Der Breitbrunner Startup-Unternehmer Dr. Sebastian Porkert über den Kampf gegen die unerwünschten Eindringlinge.

Startup-Unternehmer Dr. Sebastian Porkert

herrsching.online: Sind Plastikpartikel die neuen Under-cover-Schädlinge in unserer Umwelt? Überall zu finden und trotz ihrer Verbreitung nicht als Feinde identifiziert?

Porkert: Ob Mikroplastikpartikel so neu sind, sei dahingestellt, wahrscheinlicher ist es, dass sich die akut betroffenen Ökosysteme in stark besiedelten Gebieten schon seit Jahrzehnten mit diesen Kontaminanten auseinandersetzen müssen. Durch den stetig zunehmenden Mikroplastikeintrag in die Umwelt und die fortschreitende Verfrachtung über Wasser und die Luft, sind nun aber auch extrem abgelegene Gebiete wie die Antarktis oder die hochalpinen Regionen des Himalayas betroffen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass jeder von uns im Schnitt 5 Gramm Mikroplastik pro Woche zu sich nimmt, ohne sich diesem Problem bewusst zu sein.

herrsching.online: Wie gefährlich ist Mikroplastik für die menschliche Gesundheit?

Porkert: Das ist eine Frage, welche beim jetzigen Stand der Forschung noch nicht eindeutig beantwortet werden kann. Es ist aus Studien bekannt, dass hohe Mikroplastikdosierungen zum Beispiel bei  Muscheln zu entzündlichen, krebsähnlichen Reaktionen führen können. Da es sich bei der alltäglichen menschlichen Mikroplastikaufnahme um Dosierungen handelt, die um Potenzen niedriger liegen als die der Muschelversuche, ist hier nicht von akuten Folgen auszugehen, sondern von chronischen Langzeitfolgen auf Grund von langjähriger Mikro-Exposition. Klar und eindeutig belegt ist es, dass Mikroplastikpartikel in der Lage sind, Schadstoffe und Toxine wie Medikamentenrückstände und Hormone an deren Oberfläche wie Magnete zu fixieren und dadurch zu transportieren.

Körperfremde Partikel können durch ihre chemischen Eigenschaften nicht gesundheitsfördernd sein

Zudem sind viele Kunststoffe mit Weichmachern, Farbstoffen und Flammschutzmitteln versehen, von denen einige Substanzen als nachgewiesen krebserregend gelten. Nun braucht es nicht viel Phantasie, um zu verstehen, dass diese Partikel körperfremd sind und durch ihre chemischen Eigenschaften nicht gesundheitsfördernd sein können. Neben diesem Aspekt können Mikroplastikpartikel ab einer gewissen Größe auch Zellwände penetrieren und dadurch in den Organismus gelangen, was erklärt, wie Mikroplastik in Urin und sogar Muttermilch nachgewiesen werden kann. Fakt ist, dass Mikroplastik natur- und körperfremd ist und deswegen nicht in die Ökosysteme gelangen darf.

herrsching.online: Es gibt noch keine Grenzwerte für Mikroplastik – die Partikel aus dem Klärwasser herauszuziehen, ist also eine freiwillige Leistung der Kläranlagenbetreiber. Wie können uns Gesetzgeber und Behörden besser vor den Partikeln schützen?

Gesetzgeber ist leider sehr langsam

Porkert: Leider haben wir bis zum heutigen Tag in Europa noch keine validen Grenzwerte zu Mikroplastik in geklärtem Abwasser, was hauptsächlich dadurch zu begründen ist, dass die Thematik noch sehr jung ist und Mikroplastik erst seit wenigen Jahren reproduzierbar und belastbar gemessen werden kann. Die Problematik ist glücklicherweise bis zu den Behörden in Deutschland und auch der Europäischen Union durchgedrungen und auf deren politischen Agenda gelandet. Die EU definiert im „Null-Schadstoff-Aktionsplan“, dass bis 2050 keinerlei Schadstoffe mehr in die Umwelt gelangen dürfen. Hier wäre auch Mikroplastik inbegriffen. Da der Gesetzgeber in solchen Belangen leider sehr langsam ist und es durch momentane geopolitische Themen eine Fokusverschiebung gibt, rechnen wir nicht mit Grenzwertgesetzen vor dem Ende der 2020er. Aus diesem Grund wird der Gesetzgeber die Bürger bis zum aktivwerden von Grenzwerten nicht schützen, was bedeutet, dass nur Initiativen von einzelnen Kommunen, Verbänden und Städten den Mikroplastikeintrag reduzieren können. Die Kosten hierfür müssten dann, falls gesetzlich gestattet, auf den Bürger umgelegt werden.

herrsching.online: Wie will Ecofario den Durchbruch vom grünen Start up zum weltweit erfolgreichen Plastik-Einsammler schaffen?

Wir können in der Zwischenzeit nicht einfach Daumen drehen

Porkert: Wir von ECOFARIO verfolgen die Vision eine kostengünstige und gleichzeitig hocheffiziente Technologie zur Elimination von Mikroplastik aus Kläranlagenabwasser zu etablieren und weiträumig zu installieren. Diese Technologie ist zum jetzigen Zeitpunkt voll entwickelt und wartet auf ihren ersten Einsatz im Rahmen einer Vollinstallation. Diesen versuchen wir über Förderungen und preisliche Anreize zu realisieren. Im Moment sieht alles danach aus, als würden wir 2023 die erste Großanlage in Betrieb nehmen können. Da wir in der Zwischenzeit natürlich nicht einfach warten und Daumen drehen können, sind wir mit unserer Technologie in anderen Märkten und Anwendungsfeldern erfolgreich aktiv. Hier können unsere Kunden neben einem ökologischen Nutzen auch einen monetären generieren, über welchen sich unsere Anlagen sehr schnell rechnen. Dadurch schaffen wir schon jetzt das wirtschaftliche Fundament, um für den künftig wachsenden Mikroplastikmarkt bestens gewappnet zu sein.

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