Kalt macht lustig: Die Gemeinderätin Traudi Köhl geht jeden Morgen im winterlichen Ammersee baden. Die Stimmung ist offensichtlich prächtig. Foto: Gerd Kloos

Vom Glück der Winterbader

In Breitbrunn am Ammersee beginnt sich eine Tradition zu etablieren: Mittags um 12 am Neujahrstag gehen mutige Breitbrunner baden – zwar nur kurz und maximal bis zum Halse, aber sie tun es. Dieses Jahr hatten die Eisenharten Glück, das Wasser war mit über 6 Grad relativ warm, und Hoch Christine bescherte die wärmende Sonne. Es war fast wie im Frühling. herrsching.online war dabei

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Wir sind ein Volk von Warmduschern. Und trotzdem hegen wir eine stille Bewunderung für harte Kerle, die gerne auch eisengleiche Frauen sein dürfen. Um unseren schaudernden Respekt zu bekommen, müssen sie zum Beipiel bei Null Grad mit dem Fahrrad einkaufen fahren. Oder in den winterlichen See hüpfen. Ohne Tricks und maximal mit Badeanzug bekleidet. Wie Traudi Köhl, Breitbrunns tapferste Winterbaderin.

„Es fing ganz harmlos an”, sagt die Gemeinderätin, „vor 10, 15 Jahren. Im Winter war unsere Solaranlage überfordert und hat nur wenig warmes Wasser geliefert.” Im Haushalt erhoben 4 Kinder Anspruch auf wohltemperiertes Duschwasser. „Da hat man sich eben an die kalte Dusche gewöhnt.” Und irgendwann kam die Idee: Ob man kalt duscht oder gleich im See badet, das macht auch keinen Unterschied mehr. Ihr Mann Hans kommentierte dieses Vorhaben knapp: „Du willst doch nur angeben.” Nein, Angeben liegt Traudi Köhl nicht, dafür ist sie zu bescheiden. Aber das Nützliche mit dem Sinnvollen zu verbinden, das liegt Frauen schon eher.

Und so tippelt sie jeden Morgen „mit der wohligen Bettwärme im Bademantel” aus der Haustür durch den Garten, an den Hühnern vorbei über den Uferweg an die Grenze zwischen Schauern und Schmerz. „Ich geh immer rückwärts ins Wasser, weil man am Rücken weniger kälteempfindlich ist”, erzählt sie.  Eilig macht sie dann fünf Schwimmzüge und verlässt mit wohligem Schaudern das Folterbecken.  Aber das ist zuerst einmal keine Erlösung, weil „das Wasser im Winter oft wärmer ist als die frische Luft”. Ihr Mann gönnt sich sogar 10 kräftige Schwimmzüge.

An Silvester war das morgendliche Bad geradezu ein Spa-Vergnügen: Das Wasser hatte sich durch den Warmlufteinbruch auf sagenhafte 6,8 Grad aufgeheizt – vor einer Woche noch maßen die amtlichen Temperaturfühler schattige 4 Grad.

Über den gesundheitlichen Nutzen lässt Traudi Köhl nicht mit sich diskutieren: „Ich habe seit ewigen Zeiten keine Erkältung mehr erlebt”, berichtet sie. Außerdem gebe es, wenn der Abend mal wegen Feierlichkeiten fröhlicher war, gegen Hangover nichts Besseres als ein frisches Bad im See. Und bewiesen sei auch, dass Winterbaden ein probates Mittel gegen Depressionen sei. „Für Psyche und Wohlbefinden gibt es nichts Schöneres”, glaubt sie. Adrenalin und Endorphine, so die Winterbader-Philosophen, würden im kalten Wasser reichlich ausgeschüttet.

”Gelobt sei, was hart macht”-Apostel stimmen ihr zu: Geradezu euphorische Glücksgefühle erlebe man nach dem Kaltwasserschock.

Wenn der See aber Eis trägt, dann verzichtet auch Traudi Köhl auf das Tiefkühlbad. Schließlich leitet kaltes Wasser die Körperwärme um das Zwanzigfache schneller ab als Luft.

Am Ammersee gibt es Dutzende „Eisvögel”, die den Enten im Wasser Gesellschaft leisten. So wird von dem Uttinger Winterschwimmer Stefan Gruschwitz, 53,  berichtet, der sogar mit einem Köpfer ins 2 Grad kalte Wasser springt. Zu seinem Iceteam Ammersee gehört auch der Dießener Michele Bonomo, 30, der sich mit Gelenkproblemen in der Hüfte  herumschlug und durch das Winterbaden Linderung erfuhr. Alle unsere Winterbader, behauptet Bonomo, verlassen nach 5 Minuten das Eiswasser mit einem Lächeln im Gesicht.

Vielleicht ist es ja auch gefroren.

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