Das gemeindeeigene Wohnprojekt, das am Mitterweg neben der Kirche entsteht, trägt den schönen Titel „Bezahlbares Wohnen“. Nach den letzten Kostenschätzungen der Architekten bekommt der Name ein großes Fragezeichen angehängt. Ursprünglich sollten die 26 neuen Wohnungen rund 10 Millionen Mark kosten – jetzt hat der Planer neue Zahlen auf den Tisch gelegt: Er rechnet nun mit 13,2 Millionen Euro. Dafür macht er die Inflation der letzten Jahre verantwortlich – die Baukosten seien um rund 20 Prozent gestiegen. Gemeinderat Gerd Mulert hat allerdings noch einen anderen Schuldigen im Auge: Die teure Tiefgarage mit 40 Stellplätzen und wasserdichtem Betonboden. Diesen Kostenfaktor hatte sich die Gemeinde aber selber gezimmert: An die anachronistische (Auto)-Stellplatzsatzung müssen sich leider alle Bauträger halten – auch wenn sie die Vorschriften selber geschaffen haben.
Die FDP hatte im Januar sogar versucht, das Projekt, das sie als „unbezahlbares Wohnen“ bezeichnet, zu stoppen und beantragt, „die weiteren Planungsleistungen bis auf weiteres auszusetzen“. Der Antrag fiel durch, und die Baukosten zeigen nur in eine Richtung – nach oben. Die Gemeindekämmerin Miryam Goodwin schenkte den Räten klaren Wein ein: Bei einer Miete von 15 Euro pro Quadratmeter würde die Gemeinde ein jährliches Plus von 4385 Euro erwirtschaften.
Gemeinde opfert ihr Filetgrundstück im Ortskern
Einerseits opfert die Gemeinde ihr Filetgrundstück an der Kirche, das im Augenblick etwa 7 Millionen Euro wert ist, für das Projekt, andererseits bekommt sie für die 26 Wohnungen staatliche Zuschüsse von etwa 35 Prozent. Diese „Staatsknete“, wie Transferleistungen im Umgangsdeutsch heißen, würde nicht nach Herrsching fließen, wenn der Mitterweg in private Hände geriete. Ein privater Bauträger, das allerdings räumte der Architekt Hubert Blasi in der Gemeinderatssitzung ein, würde das Projekt vielleicht nicht realisieren, aber eine Gemeinde muss mit sozialen Wohltaten ja keinen Gewinn erzielen.
Die Mieteinnahmen, die Goodwin ausgerechnet hatte, hängen natürlich vom Mietpreis ab, der vermutlich irgendwo zwischen 13 und 15 Euro pro Quadratmeter liegen dürfte. In die Gemeindekasse würde das zwischen 290 000 und 330000 Euro jährlich spülen, immerhin soviel, dass die Zinsen für das fällige Baudarlehen in Höhe von etwa 6 Millionen Euro locker bezahlt wären.
Die Frage, die in der Überschrift zu diesem Artikel gestellt wurde, beantwortete der Bürgermeister mit einem klaren Ja. Der Gemeindehaushalt kann dieses Projekt trotz Kostensteigerung stemmen. So stimmte denn auch nur Gemeinderat Keim (FDP) gegen die Entwurfsplanung des Büros 3+. Sein Fraktionskollege Puntsch hatte sich wohl mit dem Lauf der Dinge abgefunden.
Ein „Zurück“ für diese Wohnungen, auf die sich so viele Hoffnungen richten, wäre fatal. Den Grundstückswert von 7 Millionen muss man wohl eher als fiktiv betrachten. Ein ungenutztes Grundstück bringt der Gemeinde keine Einnahmen, und der Verkauf an einen privaten Investor wäre in höchstem Maße unsozial. Ein anderes als dieses Filetgrundstück stand für das Projekt, bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener zu schaffen, leider nicht zur Verfügung.
Vielleicht kann Herr Keim noch erklären, wie er die 13.000 Euro Baukosten pro qm errechnet hat. Bei einer Gesamtwohnfläche von 1910 qm für die 26 Wohnungen kommt man bei angenommenen 20,2 Millionen Gesamtkosten auf eine zwar immer noch hohe, aber doch deutlich niedrigere Summe.
In der Tat schlägt die überdimensionierte Tiefgarage bei den Baukosten kräftig zu Buche.
Die Gestehungskosten für die einzelnen Wohnungen erinnern an das „Lagom“, dessen Bau inzwischen schon ein paar Jahre her ist. Das ist zwar immer noch sehr viel Geld, aber die Wohnungen, die jetzt am Mitterweg entstehen, werden sicher einen guten Standard haben.
Ich denke, dass das Projekt für die Gemeinde (und den vielzitierten Steuerzahler) schon verkraftbar ist und brauchbare Alternativen sehe ich bei der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt leider nicht.
Der Grundstückswert ist real und ist Kapital der Allgemeinheit, also der Steuerzahler. Die Gemeinde kann damit nicht nach Gutdünken umgehen.
Ursprünglich sollte doch wohl sozialer Mietraum geschaffen werden. Davon aber sind wir inzwischen weit entfernt und die Verantwortlichen scheuen sich offenkundig auch, das ehrlich auszusprechen. Eine Miete von EUR 15/qm zuzüglich Stellplatz und Nebenkosten liegt erheblich über den Maximalvorgaben von z.B. München. Und gewettet: bei den jetzt veranschlagten Baukosten bleibt es sicher nicht.
Mein damaliger Kommentar zu dem Artikel „FDP hält ‚Bezahlbares Wohnen‘ für unbezahlbar“ vom 17.01.2024 bei Herrsching online vom 21. Januar 2024 um 20:15 Uhr:
„Sind die rund 10 Millionen Euro, die vermutlich die 3 Häuser neben der Nikolauskirche “kosten” werden, reine Baukosten, oder die Gesamtkosten inkl. Planungskosten? Wenn es nur die reinen Baukosten sind, kommen noch die Kosten für die Planungsleistungen mit mindestens 19% dazu. Somit ergeben sich Gesamtkosten in Höhe von 11.900.000.-€; aktuell.
Man darf auch nicht vernachlässigen, dass in den letzten Jahren nach Statistischen Bundesamt die Baupreise extrem angezogen haben, und alleine von Februar 2021 auf Februar 2022 um 16,9 %, und von Februar 2022 auf Februar 2023 um 15,1 % gestiegen sind.“
Es hat mich damals schon gewundert, obwohl die Preisindexe zur Sitzung am 17.01.2024 den Planern bekannt waren, dass hier ein Beschluss auf Basis einer Kostenschätzung von 2020 gefasst wurde? Taktik? Schade, dass hier nur die FDP die Kosten kritisch in Frage gestellt hat; und der Rest des Gemeinderats ist wie immer blind dem Verwaltungsvorschlag gefolgt. Nach dem Motto: „Das wird schon stimmen“. Armer Gemeinderat.
Kommt zu den Kostenschätzung der Architekten von ca. 10 Mio € bzw. 13,2 Mio € noch der Grundstückswert mit ca. 7 Mio € dazu – oder ist der schon eingerechnet?
Das Grundstück kommt dazu. Die Gemeinde geht von einer Förderquote von 35% aus. Wir bauen mit Steuergeldern „bezahlbaren“ Wohnraum für 13.000€/m2.
Der Begriff „bezahlbares Wohnen“ impliziert, dass der Mieter nicht mehr als ein Drittel seines Einkommens für die Miete bezahlen muss. Nun, da können sich im Raum München inzwischen viele bewerben. In Wien gibt es den Begriff „Gemeindebau“. 40% der Wiener wohnen in diesen städtischen Gemeindebauten. Dies sind keine Genossenschaftswohnungen, sondern ein steuerlich befreites, gemeinnütziges sehr erfolgreiches Konzept der Stadt Wien. Schade, dass dieses Konzept in Deutschland nie kopiert wurde. Vielleicht können Gemeinde sich aber speziell daran „schlau machen“. Der Begriff Gemeindebau trifft doch gut zu.
Bei diesem Sachverhalt und nach Studium einschlägiger Kommentare drängt sich bei mir der Verdacht auf, dass der Tatbestand der Untreue im öffentlichen Dienst vorliegen könnte (§ 266 StGB). Hier werden Steuergelder verschleudert, ohne dem eigentlich Ziel, Wohnraum für eine bedürftige Bevölkerungsgruppe zu schaffen, in der Gesamtkalkulation auch nur ein Stück näher zu kommen. Die „Rechenkünste“ bei den Verantwortlichen in der Gemeinde, allen voran unser Herr Bürgermeister, sind nur noch peinlich.