„Teilzeitarbeit verursacht den Lehrermangel”

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Gegen den Lehrermangel gäbe es ein einfaches Rezept: Wenn alle Lehrerinnen und Lehrer, die nur in Teilzeit unterrichten, wieder Vollzeit arbeiten würden, dann hätten wir keinen Mangel an Lehrkräften. Mit dieser verblüffenden Rechnung überraschte die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig ihre CSU-Parteifreunde in der Herrschinger Runde. Die Historikerin, meinungsstark und thesenfreudig, bot einen erfrischenden Wahlkampfauftritt. Gemeinderätin Hannelore Doch erinnerte mit ihren Fragen daran, dass die CSU ein S für Soziales im Namen trägt – es ging auch um Sozialwohnungen, Kinderbetreuung und – Lehrermangel. Der Name, der letzte Woche noch die Nachrichten beherrschte, kam in der Herrschinger Runde gar nicht mehr vor. Dr. Eiling-Hütig sprach nur einmal von „Herrn A.” Das Thema scheint auch an der CSU-Basis kein Aufreger mehr zu sein.

„Wir müssen über die Teilzeit bei den Lehrkräften nachdenken”, forderte Eiling-Hütig, „denn Teilzeitarbeit geht immer auf Kosten der Vollzeitbeschäftigten.” Man habe als verbeamtete Lehrkraft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten und dürfe sich nicht nur die Rosinen rauspicken. Bei den Grundschullehrern sei der Nachwuchs, der jetzt von den Unis komme, zufriedenstellend. „Wie wir aber den Lehrerbedarf an den Mittelschulen decken sollen, das wissen wir noch nicht.”

Fast zwangsläufig kam die CSU-Frau auf die Arbeitsmoral und die berühmte Work-Life-Balance zu sprechen. „Work kommt bei manchen Leuten gar nicht mehr vor, die reden nur noch von Life-Balance. Und das sind nicht nur die Jungen, die findet man in jeder Altersklasse”, schimpfte sie.

Die Abgeordnete, seit 2013 im Bayerischen Landtag, berichtete auch erfrischend offen über ihre Erfahrungen in der bayerischen Politik. Dass 99 Prozent aller Beschlüsse Kompromisse seien, überraschte die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht wirklich. Dass aber selbst sie als erfahrene Berufspolitikerin „noch nicht alle Spielchen durchschaut hat – auch nicht bei den eigenen Leuten”, war denn doch ein verblüffendes Eingeständnis. Um Grünschnäbel und junge Wichtigtuer in der Politik zu verhindern, forderte sie für Abgeordnete ein Mindestalter von 40 Jahren. „Dann bekommen wir Berufspolitiker mit Lebens- und Berufserfahrung.”

Bei diesem Thema war der Weg zu den Grünen nicht mehr weit. Die Runde war sich einig, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze, wieder aggressiver auftrete, seit sie keine Regierungsoption mehr habe. „Bei ihren Reden schreit die immer”, streute Eiling-Hütig ein. Der Bezirktags-Abgeordnete Harald Schwabl, ebenfalls in der Runde, kritisierte ebenfalls, dass sich die Grünen verändert hätten. „Wir haben keine Schnittmengen mehr.”

Gemeinderätin Hannelore Doch fragte ihre Abgeordnete konkret, wie man bezahlbaren Wohnraum schaffe. Eiling-Hütig kam in diesem Zusammenhang auf Werkswohnungen in Wohn-Gewerbe-Mischgebieten zu sprechen. Daran arbeite auch der Handwerkskammerpräsident, erzählte sie. Viele rechtliche Probleme ver- und behinderten den Bau von Mitarbeiterwohnungen: Billiger Werks-Wohnraum müsse als „geldwerter Vorteil” versteuert werden. Zudem sei die Koppelung von Arbeitsvertrag und Mietvertrag rechtlich problematisch.

Rechtliche Hürden rundum gibt es auch im sozialen Wohnungsbau. Gemeinderätin Christina Reich, die in der Gemeinde Herrsching über die Vergabe von Sozialwohnungen mitentscheidet, erzählte, Fehlbelegungen zu korrigieren, sei nicht möglich: Wer durch Gehaltserhöhungen über die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen geklettert sei, könne nicht vor die Tür gesetzt werden. „In der Regel aber sind es wirklich sozial bedürftige Menschen, die in Sozialwohnungen leben”, sagte sie.

Der Vortrag von Eiling-Hütig bekam dann noch eine humorvolle Note, als die anwesende Tochter der Abgeordneten irrtümlich als Sekretärin identifiziert wurde. Ja, so komme sie sich manchmal auch vor, scherzte sie. Darauf die Mutter resolut: „Keine Verwandtenaffäre, meine Tochter bekommt kein Geld.”

7 Comments

  1. Na ja, wenn es darum geht, wer lauter schreit und mehr auf andere Parteien schimpft, haben doch Herr Aiwanger und Dr. Markus Söder ihre Nasen in den Bierzelten unüberholbar am weitesten vorne, oder? Und an ihre selten genug eingefügten inhaltlichen Zukunftsversprechen glaubt doch sowieso keiner mehr, oder? Sind doch die meisten bisher unerfüllt geblieben?
    Aber das scheinen die Menschen zu mögen, wie die Wahlprognosen zeigen? Jedenfalls erstaunlicher Weise weit mehr als alle Aktivitäten der Ampelregierung?
    Noch eine Anmerkung: Die Lehrer* innen sind m.E. schon in Teilzeit weit mehr gefordert, als die Menschen in vielen anderen Berufen Ganztags.

  2. Super Idee. Bloß ein bisschen weltfremd.
    In ein paar Jahren gehen dann all die Vollzeitlehrer in den vorzeitigen Ruhestand.
    Junge Menschen, die an Familiengründung denken, steigen wahrscheinlich erst gar nicht mehr in diesen stressigen Beruf ein.
    Dann haben wir als Gesellschaft wirklich was gehabt von dieser Zwangsmaßnahme.

  3. Antrag im Bayerischen Landtag:
    „Erhöhung der Gehälter für Grund- und Mittelschullehrkräfte“ am 14. Oktober 2021

    Gegenstimme u.a. Frau Dr. Eiling-Hütig

    Übrigens ist die „… verblüffende Rechnung…“ von Frau Dr. lediglich das Resultat des Bayerischen Beamtengesetzes. Es erübrigt sich die Frage, wer seit Jahrzehnten die Rechtsprechung in Bayern in Gesetze formt?

    Und ihr zuständiger Minister scheint näher an der Lebenswirklichkeit der potentiellen Lehrer/Innen zu sein.

    Bayerns Kultusminister Michael Piazolo glaubt nicht daran, dass mehr Lehrkräfte in Vollzeit statt Teilzeit den Personalmangel mildern; sagt er im Interview mit Kontrovers auf BR24. Im Gegenteil, es sagt, dass gerade Teilzeit den Beruf für viele so attraktiv macht. Zahlenmäßig hat es noch nie so viele Lehrer/Innen gegeben wie heute.

    CSU aktuelles Grundsatzprogramm „Näher am Menschen“ :
    „…Die Aufstiegs- und Qualifizierungschancen für Mütter und Väter gilt es zu verbessern. Gemeinsam mit den Unternehmen wollen wir Hemmnisse beseitigen und mehr Flexibilität ermöglichen. Der Wechsel von Teilzeit zu Vollzeit und umgekehrt muss einfacher möglich sein…“

    Nennt man Wahlk(r)ampf. Statt gesellschaftliche Gruppen aus den parlamentarischen Prozessen bis 40 ausschließen zu wollen, sollte die Amtszeit in Parlamenten vielleicht auf 10 Jahre beschränkt werden?

    Der Satz, man bekäme dann BERUFSPOLITIKER/INNEN mit Lebenserfahrung klingt wie eine Drohung.
    Kommt politischer Unmut nicht gerade daher, dass „die da Unten“ sich von „denen da Oben“ nicht verstanden fühlen, weil der Bezug zur Lebensrealität der Wählerschaft fehlt?

    Was befähigt Frau Dr. mit einer Promotionsschrift zu „Philadelpheia. Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte eines Dorfes im römischen Ägypten (1.–3. Jhd. n. Chr.)“ zu der Annahme, sie hätte die notwendige Lebenserfahrung?

  4. Kennt Frau Dr. Eiling-Hütig ihre eigene Homepage? Hier Auszüge der AG Frauen:

    “Das Ziel der AG Frauen der CSU-Fraktion ist es, in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern herzustellen.”

    “Zentrales Thema der AG Frauen ist derzeit die „Arbeitswelt der Zukunft“. Die weiblichen CSU-Landtagsabgeordneten setzen sich dabei für echte Wahlfreiheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, die sie für Frauen und Männer gleichermaßen einfordern.”

    “Unsere Anliegen:
    Vorbeugung von Altersarmut bei Frauen durch sozialversicherte Beschäftigung, Unterstützung weiblicher Existenzgründungen,
    Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle, insbesondere nach Familienpausen
    Führung auch in Teilzeit: Teilzeitbeschäftige sollen verstärkt Führungspositionen besetzen können”

    Aber es ist ja Wahlkampf und da erinnert man sich gelegentlich nicht so genau an die eigenen Forderungen.

  5. Nachdem jetzt unterschiedlichste Berufsgruppen sich hier über den Lehrerberuf geäußert haben (beim Bundestrainer wissen auch immer alle Bescheid) im Folgenden noch kurz eine Binnensicht nach mehr als dreißig Berufsjahren als Lehrkraft an einem Münchner Gymnasium:
    23 Regelstunden können diejenigen Lehrer*innen meistern, die entweder übermenschliche Kräfte haben oder sich nur als reine Wissensvermittler sehen und ihre Aufgabe hauptsächlich im Bewerten (und Aussortieren) von Kindern sehen, ihren Unterricht runterreißen und dann nach Hause eilen zum Korrigieren und Vorbereiten.
    Sobald man sich auf die Erziehungs- und Beziehungsarbeit einlässt und die sozialpsychologische Entwicklung der Schüler*innen wirklich begleitet, führt das volle Pensum über kurz oder lang zu Burnout oder – schlimmer- Zynismus quasi als Selbstschutz, wie berufliche Supervisions-oder Intervisionsstunden immer wieder ergaben. Gerade die motiviertesten Lehrkräfte, die wissen, dass sie nicht Plastikteile am Fließband zusammenschrauben, sondern es mit verletzlichen Menschen in einer entscheidenden Phase zu tun haben, brennen dann am ehesten aus (etwa vergleichbar den Pflegeberufen). Da kommt der Rat, alle Lehrkräfte sollten Vollzeit arbeiten müssen, zur Unzeit.
    Diffizile Schülergespräche in den Pausen, Elternanrufe selbst in den Ferien, Kontaktgespräche mit dem Therapeuten des hyperaktiven 14 Jährigen aus der 8.Klasse und nicht zuletzt ausufernde Bürokratie auch im Lehrerberuf führen dazu, dass die sog.Teilzeitkräfte die entstandenen erzieherischen Defizite mehr als kompensieren. Es war bei uns oft so, dass die Teilzeitbeschäftigten als Letzte das Licht im Lehrerzimmer ausmachten. Die Erziehungsarbeit wurde quasi zu ihnen “outgesourced” , weil “die haben ja Zeit dafür”.
    Langer Rede kurzer Sinn: Vollzeitkräfte decken zwar vielleicht Stunden ab, aber mit dem hohen Deputat ist es unmöglich, alle Facetten des Berufes abzudecken . Genau die wichtigen Aspekte ,nämlich die Jugendlichen zu reflektierten selbstbewussten Menschen zu fördern zu versuchen und sie durch Krisen zu begleiten, fallen mangels Zeit durchs Raster. Ein Vollzeitlehrer muss einfach aus Selbstschutz nur schauen, wie er über die Runden kommt ( mit zwei-oder gar einstündigen Fächerkombinationen sieht er /sie am Gymnasium gut und gerne dreihundert Schüler*innen die Woche).
    All das bleibt in der Diskussion über Voll- und Teilzeit völlig unberücksichtigt. Mehr ist eben nicht notgedrungen mehr. Unsere Kinder brauchen vor allem Zeit und die ist bei Vollzeitdeputat meist nicht mehr vorhanden. Es war immer ein Märchen, dass Lehrer*innen am Vormittag recht und am Nachmittag frei haben. Berufsverbände fordern zurecht seit Jahren eine Reduktion der Stunden (unabhängige Studien ergaben eine durchschnittliche Arbeitszeit von 49,8 Wochenstunden mit Berücksichtigung der Ferien) und jetzt soll auf Grund der langjährigen fast schon traditionellen staatlichen Fehlplanung beim Bedarf immer weiter aufgesattelt werden und Beschäftigte zu Vollzeit gezwungen werden. Das wird an den Kindern ausgehen, die sich sowieso beim Lernen und Konzentrieren schwer tun und es wird die soziale Bildungskluft verstärken. Schule bleibt wohl eine ewige unvollendete Baustelle.

  6. Teilzeitarbeit bewirkt also den Lehrermangel laut Frau Dr. Eiling-Hütig.
    Hat sie schon mal darüber nachgedacht, warum überhaupt nur die Hälfte der Lehramtsabsolventen in den Beruf dann endgültig einsteigen? An der Attraktivität des Berufes wird es nicht liegen. Die Lehramtskandidaten haben meist schon bei den ersten Praktikas gesehen , dass sie hauptsächlich Mängel verwalten werden. Nicht selten bekommen sie ohne jegliche Lehrerfahrung gleich ganze Klassen eigenverantwortlich zugeteilt – für Viele war’s das mit dem Lehrerdasein.
    Vielleicht sollte man ihnen von den “Rosinen” erzählen, die sich Teilzeitkräfte dort laut Frau Dr Eiling-Hütig rauspicken können .
    Konkret sind das:
    – Gleichlange Noten-, Klassen- und Lehrerkonferenzen wie bei Vollzeit
    -Bei mehrtägigen Klassenfahrten sind Teilzeitbeschäftigte genauso gefordert.Sie können nicht am Abend heimfahren.
    – Gleiche Fortbildungszeiten etc etc
    – Verstärkter Einsatz als Teilzeitführungskraft
    und das alles bei deutlichem Lohn-und Pensionsverzicht.
    Ganz vergessen wurde noch zu erwähnen, dass Teilzeitkräfte meist noch soziale Arbeit in der Familie, z.B. bei der Pflege von Angehörigen, leisten.
    Steile Thesen bei gleichzeitiger offensichtlicher Unkenntnis der Lage an den Schulen verbieten sich eigentlich.

  7. Verbeamtete Lehrer/innen müssen für jedes Schuljahr einen Teilzeitantrag mit der gewünschten Stundenzahl bei der Regierung von Oberbayern auf dem Dienstweg einreichen. Dieser wird vom Arbeitgeber für das betreffende Schuljahr genehmigt oder angelehnt. Grundsätzlich muss bereits jede Lehrkraft in Vollzeit arbeiten. Wenn die betreffende Politikerin die Möglichkeit auf Teilzeit grundsätzlich abschaffen möchte, dann ist das schon eine sehr spezielle Benachteiligung der verbeamteten Lehrkräfte. Bei den angestellten Lehrern/innen könnte es der Staat nicht einfach anordnen. Da ist der Arbeitgeber eine andere Institution. Also…”das Fass würde ich nicht aufmachen.” Arbeitnehmerrechte abschaffen, um Planungsmängel zu beseitigen ist ein hoher Preis. Übrigens fehlen schon seit 45 Jahren immer die Lehrer/innen. Jetzt scheinen es besonders viele zu sein. Vielleicht ist das ein systemisches Problem des Kultusministeriums und der leitenden Beamten.

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