Der Kienbach muss nicht zwingend in einer Betonrinne fließen, sagt der für den Kreis Starnberg zuständige Abteilungsleiter Stefan Raab

Amt: Naturnahes Kienbachbett ist möglich

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Wird der Kienbach in ein Betonkorsett gezwängt, oder darf er möglichst naturnah zum Ammersee fließen? Der zuständige Abteilungsleiter im Wasserwirtschaftsamt, Stefan Raab, verspricht im Interview mit herrsching.online: Wenn die Anrainer mitmachen, kann er sich ein Naturbett für den Kienbach vorstellen.

herrsching.online: Wäre eine naturnahe Gestaltung des Kienbachbettes denkbar?

Raab. Selbstverständlich. Aber da müssen eben viele Anrainer mitmachen. Wenn die Anrainer, die direkt am Gewässer wohnen, bekunden, dass sie an einem naturnahen Bach wohnen wollen, kann man mit Sicherheit was machen. Wenn aber nur ein Anwohner eine naturnahe Gestaltung will, dann wird das mit Sicherheit nichts werden.  Die hydraulische Leistungsfähigkeit des Gerinnes ist absolut wichtig. Je mehr Anrainer von Oberstrom nach Unterstrom mitmachen, kann man sich überlegen, ob man nicht das Betongerinne vergisst und dafür ein naturnahes Gerinne macht. Dann müssen die Anrainer aber auch damit leben können, dass mal ein Hochwasser auf ihr Grundstück draufschaut. Wir vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim werden nach dem Urlaub des Bürgermeisters auf ihn zugehen, damit wir etwas Positives daraus machen. Auf die Gemeinderatssitzung im Juni aber können wir nicht mehr warten.

herrsching.online: Ist die Sache so akut?

Raab: Ja, das ist sehr akut. Aber wir machen nichts ohne untere Naturschutzbehörde. 

herrsching.online: Die Baumfällungen am Kienbach (siehe Artikel unten: „65 Jahre alte, gesunde Bäume am Kienbach gefällt – Gemeinde weiß von nichts”) hat Zweifel an der ökologischen Glaubwürdigkeit zurückgelassen.

Raab.  Vor eineinhalb Jahren schon waren Kollegen vor Ort und haben sich die Örtlichkeit angeschaut. Sie haben dann beschlossen, 5 Bäume zu fällen, um das Gewässergerinne zu schützen. Das Bachbett ist ja ein Rechteckprofil. Zwei Bäume sind aus der Mauer herausgewachsen. Dafür gibt es auch bei Kritikern der Fällungen Verständnis dafür, dass man die wegnimmt, weil sie den Abfluss behindern. Die anderen 3 Bäume haben wir ebenfalls gefällt, weil die auf der Mauer oder knapp neben der Mauer standen und das Wurzelwerk gegen die Mauer drückte.

herrsching.online: Wir haben die Mauer sogar fotografisch dokumentiert und keine Wurzeln gesehen, die aus der Mauer herauswachsen.  Herr Raab, Sie wissen auch, dass Bäume heute ein hoch emotionales Thema sind.

Raab. Ja, das wissen wir natürlich. Es ist ein Unterschied, ob ich einen Baum im  Wald fälle oder einen Baum entnehme, der markant ist für ein Ortsbild.  Deshalb kochen da verständlicherweise die Emotionen hoch. Es ist aber entscheidend, ob da tatsächlich Strukturen in den Bäumen waren, zum Beispiel Spechthöhlen, die dann für nachfolgende Arten als Refugium dienen, sicherlich nicht für Fledermäuse im Winter, aber für Fledermäuse im Sommer oder Nachfolger, Kleiber ecetera. Diese Punkte müssen wir nachträglich untersuchen zusammen mit der unteren Naturschutzbehörde.

herrsching.online: Was passiert mit den 3 Bäumen an der Kienbachstraße zwischen Andechser Hof und Volksbank?

Raab: Sie meinen die Weiden? Das ist Sache der Gemeinde.

herrsching.online: Wir meinen die Bäume genau hinter der Tourist-Information, von denen einer tatsächlich die Beton-Ufermauer Richtung Bachbett drückt.

Raab: Wenn wir die Maßnahmen am Kienbach durchführen, werden wir die Betonmauer ohnehin neu bauen müssen. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Wir machen gerade die hydraulischen Berechnungen. Auf dieser Grundlage können wir dann Planungen machen am Gewässer. Das kann auch ruhig in Richtung naturnahe Gestaltung gehen.

herrsching.online: Der Kienbach ist ja noch nie über die Ufer getreten.  Naja, im frühen 19. Jahrhundert einmal…

Raab. …also doch. Wissen Sie, diese Argumentation verfolgt mich seit 30 Jahren. Beispiel Donau: Die Donau, sagen manche, habe noch nie Neu-Ulm überschwemmt. Tatsächlich war das in den 40er Jahren dreimal der Fall.  Danach hat man’s halt vergessen. Solche Argumentationsketten sind nicht schlüssig.

herrsching.online: Der Laie, und nicht nur der, wendet ein: Wenn der Ammersee einen hohen Pegel hat und die Ammer viermal soviel Schmelzwasser anschleppt, wie die Amper abtransportieren kann, dann ist eine hohe Fließgeschwindigkeit der zufließenden Bäche doch kontraproduktiv?

Raab: Der Kienbach ist ein Wildbach, der ein starkes Gefälle hat. Der Einfluss vom Ammersee ist marginal.

herrsching.online: Der Laie lässt nicht locker: Wenn man im oberen Kiental außerhalb der Bebauung Geschiebesperren errichten würde, könnte man doch den Bach im Ort in Ruhe lassen?

Raab: Wenn unten jede Menge Wasser dazufließt, dann bringt mir ein Kopfspeicher wenig. Die Hochwasserschutzmaßnahmen gehören möglichst nah an die zu schützenden Bereiche. Bei Einzugsgebieten, die beispielsweise wie ein Hammer ausschauen wie zum Beispiel an der Iller, die unten kaum mehr Zuflüsse hat, kann man oben Schutzmaßnahmen treffen.

herrsching.online: Sind Politik und Fachwelt durch die Katastrophe im Ahrtal so aufgeschreckt worden, dass sie jetzt hyperaktiv werden?

Raab: Nein. Der Startschuss für unsere Planungen in Herrsching war das Pfingsthochwasser 1999. Die Ahrtal-Katastrophe hat aber die Bevölkerung sensibilisiert.

Wir sind auf jeden Fall gewillt, eine Planung für und nicht gegen die Bürger zu machen. Wir wollen mit den Anrainer und nicht gegen sie planen, das möchte ich noch einmal herausstellen.

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