Gemeinderat Keim mit liebster Last und eine Herrschingerin mit Passagieren

E-Autos werden gefördert, für Kindertaxis muss sich Mutti abstrampeln

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Lasten-E-Bikes sorgen nicht nur für bessere Luft, sie bringen auch Kuriositäten in die Kommunalpolitik. So haben die Grünen im Herrschinger Gemeinderat eine Förderung der E-Bullis abgelehnt, die Grünen in Berlin dagegen wollen jeden Lastentreter mit 1000 Euro unterstützen. Global denken, lokal ausbremsen?

Sie sind die Mulis des Post-PS-Zeitalters: Lastenräder bringen Kinder in die Kita, Bier zum Vater und Schrott zum Wertstoffhof. Immer häufiger schleichen die Speichenlaster durch die Straßen Herrschings. Eine Förderung wie in anderen Gemeinden aber gibt es in Herrsching nicht.

Zwischen die politischen Speichen sind die Herrschinger Grünen geraten, weil Gemeinderat Alexander Keim – ausgerechnet ein FDP-Mann – einen Förderantrag im Gemeinderat gestellt hat. Dieser Antrag wurde dann auch mit den Stimmen der Grünen im Rat abgelehnt: Umweltschutz im Keim erstickt. Die Begründung war etwas kurios: „Mit einem Zuschuss für die Lastenräder würden wir die Vermögenden unterstützen, die sich ein Gefährt für 5 000 Euro auch ohne Zuschuss leisten könnten”, hieß es damals aus der Grünen-Fraktion.

Taxi zur und von der Kita: Alex Keim mit Kinder-Limousine. Nur die Flipflops sind nicht fahrradtauglich

Kritiker dieser Haltung haben dagegen argumentiert, dass auch (oder besonders) Vermögende scharf rechnen können. Und in der Regel ein Auto mit viel PS fahren. Würden viele Mercporschbmwvolvoaudi-Besitzer statt stinkender Verbrenner ein Lastenrad bewegen, wären Herrschings Verkehrsprobleme ein kleines bisschen kleiner.

Das haben inzwischen viele Gemeinden der Region verstanden. Der Markt Dießen zum Beispiel hat ein Förderprogramm aufgelegt, auch Weßling unterstützt den Kauf von Pedelecs mit Lastenabteil mit 500 Euro und Anhänger mit bis zu 150 Euro. Auch viele andere Städte in Deutschland belohnen E-Pedal-Power mit Zuschüssen, zum Beispiel Aschheim, Bad Aibling, Bamberg, Bayreuth, Erlangen, Freising, Fürstenfeldbruck, Garmisch, Grafing oder Grünwald (Achtung: große Ansammlung reicher Menschen).

Und: Für Gewerbetreibende gibt es diese Förderung bereits – nur Privatpersonen sollen Umweltschutz vollständig aus der eigenen Tasche bezahlen.

Systemwidrig sind solche Förderungen nicht – für den Kauf eines E-Autos gibt es rund 9000 Euro vom Staat und vom Hersteller, für Plug-in-Hybride rund 3000 Euro. Der Staat glaubt offenkundig daran, dass vier Räder sinnvoller sind als zwei.

Gemeinderat Alexander Keim hat in seinem Antrag genau beschrieben, wie die Elektro-unterstützten Lastenesel aussehen:

  • Maximale Motorleistung 250 W
  • Tretunterstützung bis 25 km/h
  • gelten nach § 1 Abs.3 StVO nicht als Kraftfahrzeug und sind damit zulassungsfrei
  • müssen für eine Zuladung von mindestens 40 kg zugelassen sein

Alexander Keims Antrag lautet wörtlich:

„Die Verwaltung wird beauftragt, ein Programm zur Förderung von Lasten-Pedelecs und Fahrradanhängern aufzulegen. Das empfohlene Fördervolumen beträgt zunächst 50.000 EUR und soll in den Haushaltsdiskussionen der aktuellen Haushaltslage angepasst werden. Gefördert werden soll damit der Erwerb solcher Fahrzeuge und Anhänger durch Privatpersonen mit Hauptwohnsitz in Herrsching am Ammersee und örtliche, gemeinnützige Vereine und Organisationen. Die Förderung ist auf ein Fahrzeug oder Anhänger pro Haushalt, Verein oder Organisation beschränkt.”

Nach Recherchen von herrsching.online ist es aber nicht ausgeschlossen, dass bei den Herrschinger Grünen ein Umdenken einsetzt. Die Grünen-Gemeinderätin Traudi Köhl zum Beispiel hat nichts gegen eine Förderung, sie fürchtet nur den Verwaltungsaufwand für die Gemeinde. Ihr Vorschlag: „Man könnte die Prüfungsaufgaben einfach auslagern – zum Beispiel an die Energiegenossenschaft Fünfseenland. Damit wäre die Gemeinde entlastet, und die Anträge würden schnell bearbeitet.”

Skeptischer Passagier: Was macht Mami?

1 Comment

  1. Ich begrüße es sehr, dass die Grünen langsam einlenken. Das „not invented here“ Syndrom hat im Gemeinderat nichts zu suchen. Die Bedenken meiner geschätzten Kollegin Traudl kann ich als Digitalisierungsberater nicht nachvollziehen. Wenn die Verwaltung mal endlich Papier gegen App oder digitales Bürgerportal mit automatisierten Workflows tauschen würde, könnte man solche Anträge fast zum Nulltarif bearbeiten. Ich helfe gerne…umsonst!

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