Das Wetter passte zur Stimmung im Land: Ein eisiger Wind fegte um die Ecke, die Parteifahnen wirkten wie Faschingsdekoration im April. Nur wenige Passanten blieben an den Ständen von SPD und Grünen am Edeka stehen, um die turbulenten Tage im Bundestag zu kommentieren. Wahlkampf im Winter ist halt wie Weihnachten im August, aus der Zeit gefallen. Ein paar wackere Parteimitglieder, die beim Verteilen der Wahlkampfjobs nicht rechtzeitig abgetaucht waren, versuchten ihre Flyer zu verteilen. Stell dir vor, es ist Demokratie, und keiner geht hin. Wir haben trotzdem Gesprächspartner gefunden. Gesprochen hätten wir sehr gerne auch mit CSU- und FDP-Mitgliedern, aber die ließen sich an diesem grauen Samstagmorgen nicht sehen. Die FDP-Vorsitzende Ursel Wrede und Gemeinderat Alexander Keim schickten uns einen Kommentar per Mail. Hier die O-Töne zu den Ereignissen der letzten Woche im Bundestag:
Renate Mengen, SPD-Vorstandsmitglied im Ortsverein: „Ich war froh, dass das Gesetz („Zustrombegrenzungsgesetz“; Red.) nicht durchgekommen ist. Die FDP hat dann doch kalte Füße bekommen. Diese CDU-Initiative zeigt aber, wie unklug Friedrich Merz ist. Er denkt nur an den Augenblick, er will nur seinen Willen durchsetzen. Und an die politischen Folgen für die Zeit nach der Wahl hat er überhaupt nicht gedacht. Ich habe ein bisschen Hoffnung, dass die SPD nun aufholt, sonst stünde ich nicht hier und würde Straßenwahlkampf machen. Ich halte Friedrich Merz für eine Gefahr für Deutschland.“

Thomas Dalibor, SPD-Vorstandsmitglied im Ortsverein: „Ich denke schon, dass die Bürger aufgeschreckt sind und merken, was sie von einem Kanzler Merz erwarten könnten. Das könnte schon ein Game Changer werden. Trotzdem ist es natürlich ein unglaublich unanständiges Vorgehen gewesen. Man merkt auch, dass die Leute durch die Ereignisse aufgewühlt sind.“
Ruth Paulig, ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen: „In der EU laufen im Augenblick Initiativen zu einer neuen EU-Migrationspolitik. Deshalb brauchen wir keine neue Initiative in Deutschland. Und schon gar keine neue Initiative, die rein populistisch ist. Aber es ist eine schwierige Situation, wir haben weltweit viele Krisen, Frieden ist in weiter Ferne, wir müssen weiter auf Europa setzen.“

Charlotte Wehn, Sprecherin des Grünen-Vorstandes in Herrsching: „Das ist am Freitag ganz knapp noch einmal gut ausgegangen. Man muss hervorheben, dass einige Abgeordnete der CDU und der FDP gesagt haben, sie machen da nicht mit. Respekt auch dafür. Ob der Merz noch tragbar ist, muss die CDU selber wissen. Es bleibt zu hoffen, dass die Ereignisse der letzten Tage die grüne Wählerschaft mobilisieren werden.“

Jan Grunwald, Gemeinderat für die Grünen in Herrsching: „Das Ergebnis vom Freitag ist erfreulich, aber zu knapp. Über den Wahlausgang am 23. Februar traue ich mir keine Prognose zu. Ich hoffe aber, dass die Bundestagsereignisse für uns Grüne ein Game Changer werden.“
Jan Grunwald, frisch bestellter Gemeinderat für die Grünen

Ursel Wrede, Ortsvorsitzende der FDP, die am Wochenende mit dem Straßenwahlkampf „mal eine Pause gemacht hat“, zu den Vorgängen im Bundestag: „Ja, die letzte Woche war turbulent wegen der Abstimmungen im Bundestag. Dem Statement von Paul Friedrich stimme ich grundsätzlich zu und finde es persönlich gut, dass der Gesetzentwurf keine Mehrheit erhalten hat. Die FDP hat angeregt, den Entwurf so zu formulieren, dass eine demokratische Mehrheit möglich geworden wäre. Das wurde aber leider nicht erreicht. Generell steht aber gerade die FDP für Toleranz. Wir haben starke Politikerinnen und Politiker in unserer Partei, die nicht immer einer Meinung sind und das ist gut so. Allerdings verstehe ich auch, dass viele Menschen in Deutschland verunsichert sind durch die Vorkommnisse der vergangenen Monate und eine möglichst schnelle Reaktion wünschen. Jedoch hätten einige Gewalttaten verhindert werden können, wenn die geltenden Gesetze konsequent umgesetzt worden wären.“

Alexander Keim, Fraktionssprecher der FDP im Gemeinderat: „Ich halte Vorstoß der Union für richtig. Eine Demokratie muss handlungsfähig bleiben. Die Bemühungen der FDP Fraktion am Freitag, auch Stimmen von SPD und Grünen für das Zustrombegrenzungsgesetz zu gewinnen waren ebenfalls anerkennungswürdig. Ein Großteil der Menschen in Deutschland möchte einen konsequent handelnden Staat. Dem kann man sich doch nicht einfach verschließen. Dass die Abstimmung am Ende dennoch verloren ging, zeigt, dass es bei uns keinen Fraktionszwang gibt. Auch das halte ich für positiv. Schließlich ist jeder Abgeordnete zunächst seinem Gewissen verpflichtet. Dennoch sind die Parteien jetzt gefordert, eindeutige Positionen zu beziehen. Ich befürchte nämlich, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nach der Wahl eher schwieriger als einfacher werden. Was ich sehr verurteile, sind die Übergriffe auf Parteizentralen und Mitarbeiter. Es gibt eine politische Strömung in Deutschland, die vorgibt, auf der richtigen Seite zu stehen, sich aber radikalisiert hat und zu Methoden greift, die wir in einem freien demokratischen Land nicht tolerieren dürfen.“
Das ist ein sehr interessanter Aspekt, dass Herr Merz mit Donald Trump einen gleichen politische Fuehrungsstil pflegt, der beim Waehler ankommt. Ist das so? Was verbindet beide? Nun, sie sind beide erfolgreiche Geschäftsleute bzw. Haben Berufsfelder auf Managerebene erworben. Sie sind vielleicht gewohnt eine Firma mit hierarchischen Strukturen, mit voller Befehlsgewalt zu führen. Kann ein erfolgreicher Chef in der Wirtschaft automatisch erfolgreicher Kanzler sein? Ich denke, dass auch Berufserfahrungen in anderen Bereichen politiktauglich sein könnte. Ich werde mir bei der kommenden Wahl mal die Berufe der Kandidaten genau anschauen.
meiner Ansicht nach wird Friedrich Merz trotz allem gewählt werden. Es scheint, als habe er sich einiges von Donald Trump abgeschaut. Das bedeutet, seine Vorstellungen ohne Kompromisse durchssetzen zu wollen, egal ob sie überhaupt durchführbar sind. Und auch egal, ob Menschen dabei Leid zugefügt wird, oder die EU bereits andere Verordnungen erlassen hat und egal, ob es unseren Nachbarländern gefällt odee nicht. Anscheinend sehnen sich die Menschen wieder nach einer starken Führung, egal wohin sie führt.
Ich denke, dass es genügt haette, wenn Herr März nur den Antrag gestellt haette und auf die Abstimmung mit der Afd als Partner, gegen die anderen demokratischen Parteien, verzichtet hätte. Vor allem deshalb, weil es nicht gereicht hat. Er ist damit gescheitert. Warum wird das jetzt als Erfolg dargestellt. Auch diesmal sind nicht die Grünen an dem Politspektakel schuld. Warum sollen die SPD, die Grünen oder die Gelben sich erklären?
Ich denke, dass der Gesetzesantrag jetzt, drei Wochen vor der Neuwahl, zum falschen Zeitpunkt eingebracht wurde. Bis zur Wahl ist es zu knapp ein Gesetz zu erlassen. Da auch SPD und Grüne seit Monaten an einem eigenen Vorschlag gearbeitet habe, zeigt der Alleingang nur, dass Herr Maerz die Geduld für eine Einigung verloren hat. Er ist bereit, mit einer extremistischen, europafeindlichen Partei, Mehrheiten zu suchen. „Der Zweck heiligt die Mittel“ scheint hier zum Wahlslogans zu werden. Es ist nicht nur unklug, dass er die Brandmauer“ eingerissen hat, sondern es war auch völlig unangemessen, vorallem weil es ja auch nicht gereicht hat. Politische Begabung zeigt Herr Merz nicht und bei einem Kanzler erwarte ich keinen Wortbruch in der Haltung zur AFD. Auch in der Geschäftswelt gibt es seriöse Partner und solche, die Wortbruch begehen. Wie will Herr Merz nach der Wahl einer demokratischen Partei sich jetzt als Verhandlungspartner stellen?
Wenn man die Presse der letzten Jahre so verfolgt, arbeiten nach meinen Informationen SPD und Grüne seit Jahren an einem Vorschlag; jedoch ohne Erfolg, was ja an den aktuellen Zahlen der illegal eingereisten Migranten bis dato belegen. Es wurde lange wertvolle Zeit durch die Ampel-Regierung vergeudet, sodass nun mal auch eine Entscheidung getroffen werden musste.
Die Zeiten von Aussagen/Versprechen von Herrn Scholz wie „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ vom 20.10.2023, „Doppel-Wumms“ vom 29.09.2022 zu den gestiegenen Energiepreisen, sollten spätestens nach der kommenden Bundestagswahl am 23.02.2025 mittels einer neuen Regierung und einen neuen Kanzler Merz, Taten folgen.
Deutschland braucht Taten, keine Hinhaltetaktik durch Versprechen, wie in den letzten ca. 3 1/2 Jahren. Ein „weiter so“, wie der letzten Jahre, würde den wirtschaflichen Totalabsturz Deutschlands bedeuten.
Ich stimme Ihnen zu, dass Herr Merz nur dann mit der CSU und CDU allein die Probleme der deutschen Wirtschaft lösen kann, wenn er die absolute Mehrheit bekommt. Gelingt ihm dies als Kanzlerkandidat nicht, dann braucht er einen Koalitionspartner. Wer wird das sein? Hoffentlich, wie von ihm versprochen, nicht die Afd.
Der Kommentar von Herrn Keim findet meine volle Zustimmung. Das war eine aufregende, aber auch nervige Woche. Hat sie doch wieder einmal gezeigt, das es äußerst schwer ist, Ideologie und die Forderungen von über 60 % der Menschen in Deutschland, wie sie jetzt von CDU/CSU in Anträgen/Gesetzentwürfen vertreten wurden, unter einen Hut zu bringen. Zum Thema AfD fällt mir ein, dass diese Partei in den Jahren 2022/23/24 in mindestens 11 Fällen mit SPD und Grüne sowie FDP gestimmt hat. Als gemeinsamer Gegner wurde damals CDU/CSU ausgemacht. Rot/Grün sollte sich dazu erklären.