Demokratie ist schön, aber nichts für Baubehörden

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Ein Kommentar von Gerd Kloos

Warum schlägt sich ein Dutzend wichtiger Menschen einen Abend um die Ohren, ohne eigentlich Herr im Haus zu sein?

Hochqualifizierte Handwerker, ein Ingenieur, zwei Architekten, ein Wissenschaftler und kommunalpolitischer Sachverstand aus zwei Jahrzehnten versammeln sich im Herrschinger Bauausschuss. Keine Machtspielchen, keine Zufallsmehrheiten wie beim Würfelspiel, keine Lobbyarbeit: Die 10 Gemeinderäte im Bauausschuss machen einen wichtigen Job und haben theoretisch eine Autorität, die alles schlägt: Sie sind von den Herrschinger Bürgern in ihr Amt gewählt worden. Entscheiden sie also kraft ihrer demokratischen Legitimation, was in Herrsching gebaut werden darf und was nie das Stadium der Planung verlässt?

Nein. Sie sind nach dem Gesetz so etwas wie Großeltern, die bei der Erziehung der Kinder gerne mitreden dürfen – entscheiden aber werden die Eltern. Die Eltern, das sind die Juristen in der Unteren Bauaufsichtsbehörde. Die Gemeinde ist zwar „eingebunden” in den Prozess der Baugenehmigungen. „Sie hat aber keinen eigenen Ermessens- oder gar Abwä­gungsspielraum”, weiß der Kommentar des Fachjuristen Dr. Franz Dirnberger. Mitreden also darf der Bauausschuss, den Daumen hebt oder senkt er nicht – das machen die Beamten in Starnberg. Klingt nach Schülerparlament. Alle dürfen etwas sagen, entscheiden wird der Rektor.

Jüngstes Beispiel: Ein Bauer will in Ellwang einen Reitplatz überdachen lassen. Mitten in schönster bayerischer Kulturlandschaft lässt er – so die Vermutung im Bauausschuss – eine Stahlkonstruktion errichten. Ein solches Dach würde in einem Gewerbegebiet kaum auffallen, in einem oberbayerischen Weiler mit Blick auf die Berge wäre eine solche Halle so schmuck wie eine Tankstelle in einer Reihenhaussiedlung. 5 Gemeinderäte äußerten ihr blankes Entsetzen und wollten das „gemeindliche Einvernehmen” verweigern. Die Reithalle liegt zudem in einem Landschaftsschutzgebiet.

Die Untere Bauaufsichtsbehörde aber ließ den Bauausschuss wissen: Wenn ihr Nein sagt, handelt ihr „rechtswidrig”. Die Größe der Reithalle sei üblich und wirtschaftlich. Auch die Untere Naturschutzbehörde (schützt hin und wieder die Bauherren gegen die Natur) sah keinen Grund, Einspruch zu erheben.

Die Gemeinde, da sind sich die Juristen einig, habe nur eine Prüfung anhand der Normen vorzunehmen. Die Prüfung jedenfalls dürfe nicht auf „sachfremden Überlegungen beruhen”. Nicht einmal bei einer Verletzung der Abstandsflächen oder des Brandschutzes dürfe das gemeindliche Einvernehmen verweigert werden.

Ein Geschmacksdelikt wie eine Industriehalle in dem bäuerlichen Ambiente ist jedenfalls kein Grund, die Zustimmung zu verweigern. Und wenn ein Gemeinderat anmahnt, die Verwaltung solle den Landwirt doch zu einer ästhetischen Bauweise drängen, grätscht das Baurecht dazwischen: „Die Gemeinde kann dem Bauherrn kein anderes Vorhaben gleichsam aufdrängen.” Und wenn sich eine Gemeinde auf die Hinterbeine stellt, könnte der Bauherr ja auch noch mit dem Paragrafen 839 Bürgerliches Gesetzbuch wedeln. Dort ist von Amtshaftung die Rede.

Wenn Gemeinderäte kein Bild von ihrem Ortsbild haben, dann sind sie schlechte Räte. Wenn sie ihren Gestaltungswillen aber nicht durchsetzen können, dann sind sie – Papiertiger.

3 Comments

  1. Demokratie ist schön – wenn Bürgermeister und Gemeinderät*innen dem Auftrag der Bürger*innen, den sie mit dem Amtseid angenommen haben, auch nachkommen.

    Um auf das Beispiel “Industrie-Reithalle” in Ellwang zurückzukommen, hätte der Bauausschuss auch eine Veränderungssperre erlassen können, mit dem Ziel, in einem Bebauungsplan zumindest Festsetzungen zur Lage und zur Gestaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes – so er denn tatsächlich einen Rechtsanspruch auf Baurecht hat – zu erlassen.

    Der Gemeinderat/Bauausschuss hat jederzeit das Recht – und ich meine, auch die Pflicht – mit einem Bebauungsplan die Planungshoheit auszuüben und unser Orts- und Landschaftsbild zu schützen!

    Dass die Verweigerung des Einvernehmens nur dazu führt, dass die Baubehörden im Landratsamt gezwungen sind, dieses zu ersetzen, müßte dem Bürgermeister und allen Bauausschussmitgliedern bekannt sein.

    Wie man die gemeindliche Planungshoheit aber klug einsetzt, könnte man z.B. im Bayerischen Selbstverwaltungskolleg erfahren.

    Schade, dass Frau Böckelmann sich offenbar nicht mehr daran erinnert, dass sie selbst mit Veränderungssperren und Bebauungsplänen das Ortsbild erfolgreich geschützt hat….

    • Hallo, Christel,
      es ist in der Tat schon ein bisschen lang her, dass ich Gemeinderätin war, deshalb die schwache Erinnerung….
      Andererseits hast du vielleicht
      vergessen, dass ich es nicht während deiner glorreichen Amtszeit war.
      Deine Erfahrungen als hauptamtliche (Ex-)Bürgermeisterin lassen sich natürlich nicht mit denen eines einfachen Gemeinderatsmitglieds vergleichen, das sich auch noch um andere Lebensbereiche zu kümmern hat.

      Lebhaft erinnere ich mich aus dieser Zeit allerdings an die negativen Emotionen, die es bei mir ausgelöst hat, wenn mal wieder ein Bauwerber sein Vorhaben gegen das Votum der Gemeinde durchgesetzt hatte und siegreich und erhobenen Hauptes den Ratssaal verließ. Ebenso, wenn man als Mitglied des Bauausschusses zusehen musste, wie die monströsen Bauprojekte, die wir zu begrenzen versucht hatten, Herrschings Ortsbild so sehr zum Negativen veränderten.
      Das Gefühl der Machtlosigkeit im Bauausschuss erreichte schließlich seinen Höhepunkt, als angekündigt wurde, dass zukünftig einzelne Gemeinderäte haftbar gemacht werden könnten, falls ihr Nicht-Einverständnis dem Bauwerber wirtschaftlichen Schaden zufügen würde.
      Zum Glück war meine Zeit im Gemeinderat kurz darauf vorbei – freiwillig, durch Verzicht auf eine weitere Kandidatur.

  2. Genauso ist es, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
    Wobei die Bezeichnung „Papiertiger“ nicht ganz richtig ist, denn die Bauausschuss-Mitglieder selbst wissen ja, dass sie kaum Einfluss darauf haben, das Ortsbild mitzugestalten. Vom kritischen Teil der Bevölkerung wird ihnen allerdings paradoxerweise genau das vorgeworfen.
    Der Frust ist groß, und soweit ich es mitbekomme, drängen sich die meisten Mitglieder einer Fraktion keineswegs nach einem Sitz im Bauausschuss.
    Am besten wäre es, den Bauausschuss öffentlichkeitswirksam zu bestreiken, weil es in der Tat Zeitverschwendung ist, dieses pseudodemokratische Instrument durch die Teilnahme an den Sitzungen am Leben zu erhalten. Andererseits würde damit die Möglichkeit wegfallen, das Geschehen zumindest zu beobachten.

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