Böschung oder Beton? WWA untersucht Kienbachufer

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Jetzt wird dem Kienbach auf den Zahn gefühlt: Wie das Wasserwirtschaftsamt Weilheim mitteilte, beginnen Mitte August die Bohrungen auf den Grundstücken der Bach-Anlieger. Die beauftragte Firma setzt dabei 50 bis 60 Bohrlöcher mit geringem Durchmesser. Dabei werden Bodenkerne entnommen. Projektleiter Johannes Haas vom WWA: „Diese Bohrungen mit einem geringen Durchmesser von 5 bis 10 Zentimetern geben Auskunft über die Bodenbeschaffenheit des Geländes.”

Daneben werden noch ein paar Bohrungen mit dickeren Kalibern gesetzt. Politisch brisant wird dann die Frage, aus welchem Material neue Mauern bestehen werden. Haas: „Beton ist nicht unsere Vorzugsvariante, aber eine Betonmauer kann man senkrecht setzen.” Für Mauern mit Naturmaterialien müsste man die Böschung anschrägen, und das würde bedeuten: Die Anlieger müssen einen kleinen Teil von ihrem Grundstück opfern.

Das WWA lässt das Ufergelände von der Bahnhofsbrücke bis zum Ortsausgang Richtung Andechs untersuchen. Dann erst wird sich entscheiden, welche Mauern ersetzt werden. Außerdem wird der Hochwasserschutz verbessert: Sogenannte Verklausungen werden beseitigt, und der Freibord wird um 50 Zentimeter erhöht – sprich: Die Mauern werden über die Böschung hinausragen.

Das Wasserwirtschaftsamt im Gemeinderat

Bereits in der Gemeinderatssitzung am 25. April hatten die Abteilungsleiterin Planung, Sigrun Frank, und Projektleiter Johnannes Haas vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim ihre Planungen vorgestellt. Damals versicherten die Experten den Räten: „Wir wollen den Kienbach so naturnah wie möglich sanieren. Wo immer es möglich ist, sollen Natursteinmauern den Charakter des Wildbachs „untermauern.”

Die Präsentation des Wasserwirtschaftsamtes hatte damals ergeben:

• 6 Prozent der Ufermauern sind akut Einsturz-gefährdet

• 55 Prozent der Ufersicherung sind mittelfristig „problematisch”

• im Winter 2022/2023 werden die Sanierungsmaßnahmen und die Bau-Vorschläge dem Gemeinderat und den Anliegern präsentiert

• In der vorläufigen Planung ist ein Schwemmholz-Rückhalt außerhalb des Ortes

• neue Ufermauern ragen wahrscheinlich bis zu 50 Zentimeter über das Erdniveau hinaus (Freibord)

• möglicherweise müssen Brücken höher gelegt werden, damit sich Hochwasser nicht stauen kann.

Wenn einem Nachbarn zu nahe kommen, wird’s unangenehm. Und dem Kienbach kamen einige Nachbarn sehr nahe. Bürgermeister Schiller erinnerte an einen Bauherrn in der Fischergasse, der ganz nah am Wasser bauen wollte. Die Gemeinde bestand auf einem größeren Uferabstand – vergebens: Das Landratsamt genehmigte den Bau des unter Herrschingern als „Bügeleisenbau” bekannten Hauses.

Die Abteilungsleiterin Planung, Sigrun Frank, und Projektleiter Johnannes Haas vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim  betonten bei der Präsentation, dass man zur naturnahen Sanierung Grundstücke von Bach-Anliegern brauche. „Weil der Platz fehlt, sind naturnahe Sanierungsmaßnahmen nur an wenigen Stellen möglich”, klagte Haas. Bauplanerin Frank versuchte es mit Charme: „Wir sind dankbar, wenn uns Anlieger Flächen zur Verfügung stellen.” Über 100 Bauwerke am Kienbach haben die Experten des beauftragten Ingenieurbüros Kokai inzwischen begutachtet. Dieses Wissen fließt dann auch in die Vorschläge ein, die das Wasserwirtschaftsamt im nächsten Winter vorstellen will.

Viele Ufermauern weisen inzwischen Risse auf, oder sie sind durch das Bachwasser so weit unterspült, dass sie einstürzen könnten. Und wenn eine Mauer aber ins Bachbett fällt, verengt sich der Abflussquerschnitt – es gibt einen Wasserrückstau, und bei Starkregen dann auch akute Hochwassergefahr im Städchten.

Nun hat der Kienbach, amtlich als Wildbach geführt, nur 1885 sein Bett verlassen und den gesamten Ort geflutet. Im letzten und diesem jungen Jahrhundert verursachte das Gewässer noch keine größeren Probleme. Die amtlichen Planer sind aber gesetzlich verpflichtet, „Jahrhundert-Hochwasser-Ereignisse” vorwegzudenken. Versäumen sie weitsichtige Planungen, könnte ihnen der Staatsanwalt im Nacken sitzen.

„Ufermauern sind nicht mehr State of the Art”

Nach der Präsentation hatten die Gemeinderäte „Feuer frei”, wie es Bürgermeister Schiller ausdrückte. Durch die Bürgerinitiative Pro Natur hatte sich der Kienbach zu einem politischen Sturzbach entwickelt – begünstigt durch die undurchsichtigen Baumfällungen in der Fischergasse.

Grünen-Gemeinderat Wolfgang Darchinger fragte an, ob nicht Gegenmaßnahmen im  Bereich der Gemeinde Andechs sinnvoll seien. „Bei Starkregen ist nämlich an der Madeleine-Ruoff-Straße nicht mehr viel Platz zwischen Bachbett-Decke und Wasserspiegel.” Ob Andechs ein angedachtes Rückhaltebecken baut, blieb dann im Unklaren, aber einen sonderlich großen Effekt hätte es nach Meinung der Fachleute nicht für Herrsching.

Gemeinderat Wolfgang Schneider (SPD) wollte wissen, ob denn neben den Seitenmauern auch die Bachsohle mit Beton ausgekleidet werde. Projektleiter Haas beruhigte: Eine Betonrinne ist nicht geplant, die Bachbettsanierung solle so naturnah wie möglich gestaltet werden – soweit es die Uferbebauung möglich mache.

Christiane Gruber (BGH) warf ein, das der Mauerbau an einem Flussbett ja nicht mehr „State of the Art” (die aktuell bestmögliche Ausführung) sei. „Das ist die Bauweise der Fünfziger Jahre.” Die moderne Alternative sei doch, Mauern aufzulösen. WWA-Mann Haas warf ein, dass eine völlige Renaturierung der Uferböschung nur an wenigen Stellen möglich sei, weil „uns da einfach der Platz fehlt”. Solche renaturierten Uferböschungen müssten mindestens 50 Meter lang sein. Man könne nicht auf kleinstem Raum ständig den Bachbett-Querschnitt verengen.

Der Fraktionskollege von Gruber, Dr. Rainer Guggenberger, plädierte energisch dafür, dass man keine neuen Mauern errichten solle, wie bisher noch standen. Haas versicherte ihm, dass es man keine neue Mauer hochziehe, wenn die hydrologische Leistungsfähigkeit des Bachbettes gewährleistet sei. Guggenberger fasste nach, ob es denn immer Beton sein müsse? Haas versprach ihm, dass man auch Naturmauern errichten werde, „wenn der Platz dafür ausreicht”. Hintergrund dieser Aussage: Sogenannte Schwergewichtsmauern aus Naturstein brauchen ein massiveres Fundament und mehr Platz – Beton ist die Slim-fit-Lösung.

Traudi Köhl (Grüne) fragte die WWA-Expertin und den Projektleiter, wieviel Einfluss das Amt bei der Uferbebauung habe. Die Antwort war nicht ermutigend.

Hans-Jürgen Böckelmann (Grüne) erkundigte sich nach dem Worst Case bei Starkregen-Ereignissen. Johannes Haas versprach, dass mit dem geplanten Ausbau ein „sehr guter Schutz” gewährleistet sei.

Christoph Welsch (Grünen-Fraktion) vermisste am Kienbach „die Erlebbarkeit des Wassers”. Das sei kaum mehr zu sehen – durch Verbauung und durch die Untertunnelung des Bachbetts. Da pflichtete die Abteilungsleiter Frank bei: Es sei eine wichtige Sozialfunktion, das Wasser wieder zugänglich zu machen.

Thomas Bader (CSU) hinterfragte die Rolle der Gemeinde bei den benötigten Grundstücken: „Die Gemeinde ist einer der wenigen Eigentümer, der Grundstücke zur Verfügung stellen werde. „Das sollte in die Planungen aufgenommen werden.” Bürgermeister Schiller warf ein, dass die Bahn der Gemeinde ein wichtiges Grundstück im Bachbereich verkaufen sollte. Aber das sei im Augenblick unwahrscheinlich.

Lieber Bachbett vertiefen als Brücken erhöhen

Einen technisch kreativen Vorschlag brauchte Rainer Guggenberger ins Gespräch: „Es wäre deutlich billiger, wenn man das Bachbett vertiefen würde, anstatt eine zu niedrige Brücke zu erhöhen.” Haas meinte, dass bei einigen Brücken, die einen zu geringen Abstand zur Bachsohle haben, eine Vertiefung nicht möglich sei.

Fraktionskollegin Claudia von Hirschfeld fragte noch einmal nach den Möglichkeiten, die Herrsching als Gemeinde zur Sanierung beisteuern könne. Je mehr Herrsching investiere, so ist wohl ihr Kalkül, desto mehr Einfluss hat die Gemeinde bei der Gestaltung des Bachbetts.

So ging die Diskussion wohlgesittet und ohne scharfe Töne zu Ende. Großen Anteil daran hatten die beiden Amtsträger, die der Gemeinde ein hohes Maß an Mitgestaltung und viel Natur versprachen. Eine Betonröhre wird der Kienbach nicht werden.

1 Comment

  1. Beton ist laut eigener Aussage des Projektleiters nicht die Vorzugsvariante und auch die CSU im Gemeinderat stellt fest, dass die Gemeinde Herrsching einer der wenigen Eigentümer ist, die Grundstücke für eine naturnahe Sanierung bzw. Renaturierung zur Verfügung stellt. Hoffentlich erinnert man sich in wenigen Wochen noch an diese Aussagen. Es stellt sich ferner die Frage, ob eine Erhöhung der Ufermauern tatsächlich zwingend erforderlich ist. Ist hier seitens des Projektleiters etwa eine zusätzliche Betonwand geplant, die sich quer durch Herrsching zieht?

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