Wann hört das nie auf?

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Die Leserkommentare zum Dauerstreit über die NS-belasteten Straßennamen bringen viele kluge Argumente, sind voller Empörung, enthalten Vorwürfe an den Gemeinderat, fordern einen Schlussstrich. Doch der ist noch lange nicht gezogen. Dass die Ploetzstraße nicht umbenannt wird, „fällt uns noch auf die Füße“, sagte Gemeinderätin Christiane Gruber. Und die FDP hat mit einem neuen Antrag die Glut wieder angefacht. Wir haben alle Kommentare noch einmal zusammengefasst.

Wann hört das endlich mal auf?

Aber die Millionen, die die Gemeinde von Madeleine Ruoff bekommen hat, wurden gerne genommen. Wann hört das endlich mal auf? Vergangen ist vergangen. Ich rede nicht von Vergessen, aber irgenwann ist es auch mal gut. Und die Kosten trägt mal wieder der Bürger.

Petra B. (Name war nicht ausgeschrieben)

Eine Familie betreibt Geschichtsrevisionismus

Unglaublich, dass nun mit der Namensbeibehaltung Ploetzstrasse eine Familie geehrt wird, die Geschichtsrevisionismus betreibt und sie und uns in dem Glauben belässt, dass diese Verdrängungsmechanismen in Ordnung sind. Das häufig zitierte „Gras drüber wachsen lassen“ wird nur weiteres Gären im Boden darunter hinausziehen. Wie viele Jahre braucht eine Gesellschaft, um aufzuräumen? Achtzig Jahre scheinen nicht genug zu sein.
Es ist peinlich, dass der überwiegende Teil des Gemeinderats dieses manipulative Miteinander der alteingesessenen Herrschender protegiert! Das Thema wird damit in absehbarer Zeit wieder auf der Tagesordnung stehen.

Margit Utzmann

Statt Madeleine-Ruoff-Straße Keramikstraße

Ich hoffe, dass ich mit meinen bisherigen Kommentaren nicht andere Bürger unserer Gemeinde verletzt habe. Mir wäre es auch viel lieber gewesen, wenn bei der Ploetzstrasse eine Umbenennung in Asternweg oder so erfolgt wäre. Mir als Sonderschullehrerin war und ist es besonders wichtig, dass man nicht Alfred Ploetz ehrt. Er hat behinderte Kinder als lebensunwerte Menschen dem Hitlerregime im Grunde ausgeliefert, indem er eine „wissenschaftliche“ Rechtfertigung lieferte. Er war nicht der einzige Schreibtischtäter, aber eben ein sehr hochgestellter. Mein Vorschlag für die Umbenennung der Madeleine- Ruoff-Straße wäre der frühere Name: Keramikstrasse. Der war doch wirklich originell und sehr passend.

Heidi Körner

Wie erkläre ich das einem Herrschinger Gymnasiasten?

Wie erkläre ich den zukünftigen Gymnasiasten der neu gebauten Schule der neunten Klasse in Herrsching  das Thema Alfred Ploetz und die Vergangenheit der NS-Historie vor Ort?
Zuerst gab es eine Straße, die seinen Namen trug, dann wurde sie 2002 in Ploetzstraße umbenannt und jetzt bleibt der Straßenname, der jetzt keinen Bezug mehr hat zu früher, weil es ja eine Familie Ploetz gibt, die Grundstücke zum Gemeindewohl verkauft hat, weiterhin bestehen. Wer den NS-Rassehygieniker Alfred Ploetz im Netz sucht, findet den Verweis in Zukunft erklärt, so ist es angedacht.

Patricia Wolf

Straßenname erinnert täglich an eine Frau, die sich an arisierten Immobilien bereichert hat

Ja, die Immobilie wurde gerne genommen. Und zwar 1939/40 vom Bürgermeister Ludwig Schertel, der in der Nazi-Zeit schon einmal Bürgermeister in Herrsching war und mit Madeleine Ruoff gut bekannt war.
Er war es auch, der 1967, in seiner zweiten Amtszeit, die Umbenennung der Keramischen Straße in Madeleine-Ruoff-Straße veranlasst hat. Wie kann man Vergangenes vergangen sein lassen, wenn einen dieser Straßenname täglich an eine Frau erinnert, die sich an arisierten Immobilien bereichert hat?

Regine Böckelmann

Braune Seilschaften

Wie von Frau Böckelmann zutreffend erwähnt, wurde die Immobilie gerne genommen in einer Zeit, wo Deutschland zwar offiziell den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus hinter sich gelassen hatte, aber tatsächlich nach wie vor braune Seilschaften in Deutschland verbreitet waren. Da muss man sich nichts vormachen.

Ich frage mich auch: Wann hört das endlich auf? Es wäre naiv zu glauben, rechte Strömungen hätten irgendwann in Deutschland aufgehört zu existieren. Inzwischen erleben wir einen Rechtspopulismus, wie wir ihn noch vor 20 Jahren für undenkbar gehalten haben. Geschichtslehrer in politischen Spitzenpositionen versuchen, die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland umzuschreiben, verwenden offen Parolen aus dieser Zeit und bagatellisieren sie.

Leider leben wir in einer Zeit, wo uns das vergangen Geglaubte wieder einholt.
Insofern war es überfällig, sich in Herrsching gegen eine weitere Ehrung von Personen mit eindeutigem Bezug zum Nationalsozialismus durch Straßennamen zu entscheiden. Das ist meiner Meinung nach eine Frage der Haltung und nicht des Geldes. Insofern ist es großartig, dass dies nun in Bezug auf zwei Straßen – wenigstens – gelungen ist!

Claudia von Hirschfeld

Eine Mühe, die es wert ist

Ja, eine Adressänderung macht Mühe. Ein angemessener Umgang mit der Geschichte des eigenen Landes sollte diese Mühe aber wert sein.

Norbert Wittmann

3 Comments

  1. Das Behalten der Grundstücke, die Personen der Gemeinde gestiftet haben und deshalb mit einem Straßennamen geehrt wurden, ist dann auch nicht konsequent. Vor allem weil die Gemeinde z.B auf den gemeindlichen Kindergarten, das Grundstück Seewinkel nicht verzichten kann und davon auch weiter profitieren wird/will. Grundstücke, die Millionen wert sind.
    Wer kein Anwohner der betroffenen Straßen ist, hat bzgl. der Kosten leicht reden. Allein die Änderung im Grundbuch dürfte einiges kosten. Änderung ja, aber bitte mit allen Konsequenzen, auch die Plötzstrasse.

  2. Angenommen, keine Person, die im Gemeinderat gegen eine Umbenennung der jetzigen Namen argumentiert, relativiert Antisemitismus.
    Welche Motivation steckt dann hinter der Verweigerung Einzelner?

    In ALLEN Wahlprogrammen zur Bundestagswahl (außer bei den Faschisten) wird Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus verurteilt und abgelehnt. „….in jeder Form…“

    Wenn aus der Geschichte der Gemeinde etwas wie fortschrittliche Entwicklung Herrschings gespiegelt werden soll, und Entwicklung als „ein vorwärts Schreiten“ sei, dann ist die Beibehaltung eines Straßennamens argumentativer Quatsch.

    Angenommen, keine Person im Gemeinderat bestreitet, dass eine Benennung einer Straße nach dem Namen einer Person oder Familie eine Würdigung eben dieser ist, dann wird doch relativiert.

    Den bürokratische Aufwand für die Anwohner/Innen, der ggf. Wählerstimmen kostet, als Argument anzuführen, gibt ein verstörendes Bild über die Motivation der handelnden Personen ab.

    Die Würdigung mittels Straßennamen zu belassen, ist nicht konsequent.

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