Hans Well mit Tochter Sarah und Komalé Akpoko im Kurparkschlösschen. Foto: Gerd Kloos

Well done

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70 plus 70 plus 70 ergibt 210 Dezibel Beifall: Hans Well, 70, der Doyen der kabarettistischen Volksmusik, hat im Kurparkschlösschen mit Tochter Sarah 70 Zuhörerinnen und -hörer, viele schon stramm in den 70ern, um sieben Uhr in seine musikalische Werkstatt eingeladen. Well, längst ein klingendes Denkmal, stellte die neuen Wellbappn 2.0. mit Sarah und dem schwarzen Musiker Komalé Akpoko („Bringt ein bisschen Farbe ins Spiel”) vor. Obwohl die Wells mit Schwarzen, jetzt im übertragenen Sinn, nicht so viel am Hut hatten und Komalé von weit her kommt („stammt aus Günzburg”), hat er viele Lacher eingeheimst. Hans Well, bis vor 12 Jahren politischer Kopf der verflossenen Biermösl Blosn, gab in Herrsching zwischen neuen Liedern viel aus seinem Innersten preis – über seine Bühnenerfolge, über seine Familie und seine allerbesten Feinde.

Hans-Hermann Weinen befragt Hans Well. Der Großmeister des musikalischen Kabaretts will seine Zuhörer einfach „nur gut unterhalten”.

Befragt hat ihn der Leiter der Herrschinger Gespräche, Diakon Hans-Hermann Weinen, im Rahmen der Herrschinger Gespräche. Diese Talkreihe der evangelischen DreiSeen-Kirchengemeinde hat sich zu einer kulturellen Premiumveranstaltung gemausert. Weinen schleppt immer spannende Gäste mit prominenten Namen und/oder wichtigen Themen an. Beim Schlussakkord am Dienstagabend gab’s noch einen unfreiwilligen Gag: Als Well die inoffizielle Biermösl-Blosn-Hymne „Gott mit dir du Land der Baywa, deutscher Dünger aus Phosphat, über deinen weiten Fluren, liegt Chemie von fruah bis spat…” a cappella sang, hatte er doch tatsächlich – einen Hänger. Sarah Well war da schon auf dem Heimweg zu ihrer acht Monate alten Tochter. Das Publikum nahm’s mit Humor, auch Götter auf der Bühne sind nur Menschen.

Hans Well stammt aus einer großen Familie mit 15 Kindern, 7 Schwestern und 7 Brüder haben sich beim Essen einen Konkurrenzkampf geliefert (es gibt sehr lustige Anekdoten darüber). Der Vater war Dorfschullehrer. „Wir haben im Lehrerhaus gewohnt, unten 2 Klassen, oben die Lehrerwohnung- die ganze Familie hat Volksmusik gmacht.” Hans Well besuchte das Ludwigsgymnasium in München und schleppte Themen aus der Großstadt an, die den Dörflern fremd waren. Und die Dörfler hatten Ansichten, die dem jungen Well aufstießen: „Da hat man schon mal gehört, dass der Hitler für Ordnung gesorgt hat. Da war schon vuil guat, was da in dieser Zeit passiert ist.” Well aber hatte zum Glück richtig „gute Lehrer. Ein Geschichtslehrer hat es sogar gewagt, ein Jahr lang die Französische Revolution durchzunehmen, das war für die konservativen Schüler-Eltern eine solche Provokation.”

Wenn er solches Wissen dann am Stammtisch bei den Dorffußballern zum Besten gab, hat der Bub schnell gelernt, was mit Abweichlern passiert: „Da hat man mich mit einem Wisch untern Tisch gefegt. Die wollten eine andere Meinung gar nicht hören. So bin ich politisiert worden.” Aber Hans konnte nicht wegsehen, wie sich das Land, wie sich die Landwirtschaft in einem rasanten Tempo veränderte. Und diese Veränderungen verarbeitete er künstlerisch – einen exzellenten Lehrer hatte er für seine Musik: Fredl Fesl lehrte ihn, dass „Volksmusik kein Museum ist und auch nicht zu ernst sein muss”.

Die ersten Schritte zur musikalischen Karriere machte er mit dem Bruder im MUH, dem musikalischen Unterholz oder im Song Parnasse. „Wir hatten damals nur ein Repertoire von 3 Nummern. Bei der Zugabe haben wir einfach die 3 Nummern wiederholt.” Das großstädtische Publikum, mit bayerischem Liedgut so vertraut wie Alfons Schuhbeck mit den Steuergesetzen, missverstand mitunter, was Satire, was echte Heimatliebe ist: „Wir hatten das Volkslied „Mir san vom Woid dahoam” gesungen, und die Schlusszeile bei dem Lied heißt: Dahoam is sche. Wenn wir das gesungen haben, haben sich die Leut kaputtglacht. Die haben das für eine Paradie gehalten. Und wir haben das todernst gesungen.”

Schlagfertig, hübsch und mitunter sogar frech: Well-Tochter Sarah musste das Konzert abkürzen, weil ihre achtmonatige Tochter auf sie wartete.

Als Well dann vom GAB, dem Größten Anzunehmenden Bühnenerfolg, („Gott mit dir…”) berichteten wollte, unterbrach ihn Tochter Sarah mit dem Hinweis: „Ich hab 2 Kinder daheim, das jüngste ist 8 Monate, und heute ist das erste Mal, dass ich abends weg bin.” Plaudern, so die resolute Mutter, kann der Papa auch ohne mich, lass uns die Musikstücke zu Ende bringen.

Damit ein schräger Ton oder ein Texthänger vom Publikum gnädig verziehen wird, gestand sie gleich vorweg: „Wir haben manche Nummern in dieser Formation noch nie gespielt, und der Komalé (neuer Bassist und Xylophonist) hat die Texte erst gestern kriagt. Manche Nummern haben wir auf der Bühne noch nie gemacht, manche überhaupt noch nie geprobt.”

Einem Well, einer Wellküre, verziehen die Herrschinger, viele davon so textsicher wie Well selbst, natürlich alles. Und wenn’s politisch wurde, waren ohnehin (fast) alle hinter dem Trio versammelt.

Kleiner Auszug aus einem ganz aktuellen Text:

Volksmassen stürmen den Reichstag/Die AfD öffnet Tür und Tor/Der Söder sagt, die Grünen san schuld/die san Hauptgegner nach wie vor/

Der Aiwanger verspricht/Otomkroft für olle/und übernimmt die ganze Führung/doch weil an Hubsi koana versteht/putscht sich der Höcke an die Regierung.

Kameraden ,jetzt wird aufg’ramt/auf zur Remigration/Afrikaner Mongolen Österreicher/ab zur Massendeportation

Für Veganer gibts verschärfte Festunghaft/oane wird glei gschlacht/die hams beim Brokkoliessen auf frischer Tat ertappt.

Und für Zuhörer, die’s gerne weniger politisch und eher lokal koloristisch mögen, als Rausschmeißer noch ein Liebeslied an das wunderschöne Olching:

Doch der schönste Platz auf Erden, ein schönerer kann nicht sein/das ist meine geliebte Heimat in Olching, da bin ich daheim/Olching, du Perle vom Amperland/Olching, du Paradies am Amperstrand/ Wer einmal im schönen Olching war, der hat den Himmel gesehen/

Ach Olching, ach Olching, ich fahr so gern an dir vorbei.

Auch wenn Tochter Sarah behauptet, dass „Papa bei der Feuerwehr als Sirene angestellt ist”, klang auch die Trompete wohltemperiert.

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