Die längste Promenade Deutschlands hat „Krampfadern”. So könnte man uncharmant die Wurzeln der Pappeln und Kastanien bezeichnen. Sie bohren sich unter dem Pflaster und Asphalt des Gehwegs durch und werfen dabei Wellen auf. Jetzt hat der Arbeitskreis Umwelt des Gemeinderates angeregt (er ist nicht beschlussberechtigt), dass sich der gemeindliche Grünplaner bald mit dem Thema beschäftigt. Schon im letzten Jahr hatte der Landschaftsingenieur Konrad Herz zusammen mit herrsching.online Vorschläge gemacht, die sich baumschonend umsetzen ließen.
Was in anderen Ländern als netter Gag der Natur durchginge, ist in Deutschland ein juristisch relevantes Verkehrshindernis. „Wer nicht aufpasst, kommt schnell ins Straucheln, denn eine Verwerfung durch Baumwurzeln reiht sich an die nächste”, meldete eine lokale Tageszeitung alarmistisch. Klingt fast so dramatisch, als würde es lose Dachziegel regnen.
Der Landschaftsingenieur Konrad Herz aus Herrsching hat schon im letzten Jahr eine Lösung vorgeschlagen, die alle Bäume retten und alle Wurzeldellen beseitigen würde. Herz schlägt Wurzelbrücken vor, unter denen die Lebensadern der Bäume so sicher verwahrt sind wie Arterien unter der menschlichen Haut. Kein Rollstuhlfahrer würde behindert, und alle grünen „Sonnenschirme” an der Promenade hätten noch viele Jahrzehnte Lebenszeit vor sich. herrsching.online hat mit Konrad Herz Herrschings schönsten Problemweg inspiziert.
herrsching.online: Was muss man machen, um die Kastanien und Pappeln zu erhalten und trotzdem die Stolperfallen zu beseitigen?
Herz: Man kann das vorhandene Pflaster aufnehmen und höher legen, in dem man den Belag mit einem technischen Bauwerk, sogenannten Wurzelbrücken, aufständert. Dabei werden kleine Fundamente eingelassen, in dem man Schrauben wurzelschonend ins Erdreich versenkt. Man kann auch eine Unterkonstruktion bauen, auf der dann der Belag ausgebracht wird. Die Unterkonstruktion besteht aus einem durchlässigen Gitter, auf dem ein Rost ausgelegt wird. Und darauf liegt ein Vlies. Dann kann man sich aussuchen, welchen Belag man verlegt.
herrsching.online: Und solche Beläge würden nicht nur den ganzen Fußgängerverkehr aushalten, sondern auch mal ein Feuerwehrauto, das zum Rettungseinsatz auf der Promenade verkehren könnte?
Herz: Es gibt alle möglichen Beläge, die für Verkehr über und unter 20 km/h ausgelegt sind.
herrsching.online: Sind die Wellen im Pflasterbelag, die durch die Wurzeln aufgeworfen wurden, schon verkehrsbehindernd?
Herz: Objektiv ja. Die Wellen stellen eine Verkehrbehinderung dar, die älteren Herrschaften Schwierigkeiten bereiten könnten, von A nach B zu gelangen. Kleinere Stolperstellen kann man mit weniger Aufwand beseitigen, aber dort, wo die Wurzeln das Pflaster angehoben haben, müsste man unter Verkehrsgesichtspunkten regulierend eingreifen.
herrsching.online: Welche konventionellen Methoden gäbe es, die Wellen zu beseitigen?
Herz: Stand der Technik ist inzwischen, dass Steine, die ins Wurzelwerk eingewachsen sind, gar nicht mehr beseitigt werden. Würde man die Steine rausreißen, wurde man das umwachsende Wurzelwerk beschädigen. Man kann dann mit Zusatzstoffen arbeiten, die flexibel sind.
herrsching.online: Welche Möglichkeiten hat nun ein Landschaftsingenieur, der die Stolperstellen beseitigen und trotzdem die Bäume schon will? Müsste die ganze Promenade angehoben werden, damit die Wurzeln unter der gehobenen Decke unbeschädigt weiter versorgt werden, oder müssten diese sogenannten Wurzelbrücken nur doch eingebaut werden, wo das Pflaster schon Wellen geschlagen hat?
Herz: Wenn man einzelne Stellen anhebt, um den Wurzeln darunter Entwicklungsraum zu schaffen, dürften diese „Hügel”, also die Wurzelbrücken, maximal 6 Prozent höher liegen als der Weg davor und danach. Diese 6 Prozent Steigung und Gefälle im Verlauf eines Weges schafft nach DIN ein Behinderter mit dem Rollstuhl.
herrsching.online: Was würden denn solche Wurzelbrücken kosten? Die Kosten sind in Gemeinderatssitzungen immer wieder ein „Totschlagargument”, mit dem man Maßnahmen zu Fall bringen könnte.
Herz: Ein Beispiel: Eine Wurzelbrücke mit einer Länge von 27 Metern und einer Breite von 2,5 Meter mit einem Gitterrost kostet mit Einbau rund 28 000 Euro – nach jetzigen Preisen. Diese Kosten sind überschaubar, wenn man berücksichtigt, was man mit dem Erhalt der Bäume alles gewinnt. Die Bäume machen genau das aus, was die sogenannte Aufenthaltsqualität gewährleistet. Ohne die schattenspendenden Bäume wäre die Promenade in der sommerlichen Hitze ein Backofen.
Mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen kann man sich meines Erachtens problemlos auf der “Landseite” des Gehweges bewegen. Für jeden anderen sollte man schon voraussetzen können, dass er beim Gehen schaut, wo er hintritt. Es sind ja nicht überall die Wege gepflastert, und auch dort sollte sich ein normaler Mensch fortbewegen können, ohne dass er ständig stolpert.
Wegen der paar Wellen im Pflaster ist das ein ziemlich übertriebener Alarmismus. Man sollte sich dagegen über jeden gesunden Baum freuen.