Januar 2022 : 65 Jahre alte, gesunde Bäume am Kienbach gefällt – Gemeinde „weiß von nichts”

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Das vergangene Jahr 2022 in Herrsching/Ein Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse//

Im Januuar 2022 berichtete herrsching.online: Die Befürchtungen von Anwohnern der Fischergasse haben sich bestätigt: 5 große Bäume sind am Freitagmorgen der Kettensäge zum Opfer gefallen. Die Bäume waren noch gesund und offenkundig nicht umsturzgefährdet. Auftraggeber war das Wasserwirtschaftsamt Weilheim.

Kerngesund im Wortsinn: Die meisten Bäume hätten noch viele Jahre gelebt. Foto: Gerd Kloos

Fortsetzung des Artikels vom 1. Februar 2022

„Wurzeln zerstören die Ufermauer”

Die Ufermauern am Kienbach sind nicht wegen der Wurzeln marode

Der zuständige Projektbetreuer im Wasserwirtschaftsamt, Johannes Haas, hält die Fällungen der dicht am stehenden Bäume für notwendig, weil die Wurzeln die Stabilität der Ufermauer gefährden könnten. Das Wurzelwerk, da war sich Haas auch aus der Ferne sicher, sprenge das Mauerwerk irgendwann. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Bäume selber nicht mehr standsicher seien.

Das Mauerwerk, teils mit Tuffstein gemauert, in Teilbereichen auch betoniert, steht schon viele Jahrzehnte (siehe Foto). Die Wurzeln hatten sich nicht nach außen gedrängt. Dass die Bäume Wackelkandidaten waren oder durch Krankheit eine Gefahr für Leib und Dach der Anwohner darstellen würden, bestätigten die Baumstämme nach der Fällung nicht.

Gefällt wurden die 5 Bäume, eine Linde, und Kastanien Ahorn und Eschen, durch den Forstwirt Fabian Keller. Der Kettensägen-Virtuose ohne Höhenangst ließ sich durch einen Kran in die Kronen der Bäume hieven und sägte von oben nach unten Stück für Stück ab. Die losen Teilstämme setzte der Kran dann in der Fischergasse ab, wo sie zerteilt wurden wie Stangenbaguettes.

Die Bäume standen nah am Wasser auf einem Privatgrundstück und waren Eigentum der Hausbesitzer. Tatsächlich beanspruchte ein Grundstückseigentümer einen Baum als Brennholz für sich.

Eine einzige Fledermaus hätte die Bäume retten können

Retten konnte die Bäume aber weder die Intervention der Umwelt-Aktivistin Christel Voit noch die kleine Schar der Kommunalpolitiker, die ratlos in die Baumkronen schaute. Juristisch wirksame Hilfe gegen die Fällung hätten nur streng geschützte „Untermieter” gebracht – Fledermäuse hätten ihre Wirte wirksam beschützen können.

Forstwirt Fabian Keller aber hat nirgends Spuren der nachtaktiven Flugkünstler entdeckt. „Mein Chef hatte die Bäume schon untersucht, und ich habe auch keine Fledermaus-Höhlen entdeckt”, meinte der Baumexperte, „Fledermäuse kriechen nicht durch runde Löcher im Baum wie manche Vogelarten. Außerdem erkenne ich Fledermaushöhlen durch den strengen Geruch.” Der Mann wirkte durchaus bemüht, aber als Baumfäller könnte man bei der Entdeckung einer geschützten Tierart auch in einen Interessenskonflikt geraten. Die Anwohnerin Christel Voit jedenfalls ist fest überzeugt davon, schon öfter Fledermäuse in der Fischergasse gesehen zu haben. Es hätte den Baumfreunden geholfen, wenn sie ihr dabei den Wohnsitz verraten hätten.

Der herrsching.online-Reporter bat Fabian Keller in einer Pause, anhand der Jahresringe das Alter der gefällten Linde zu ermitteln. Keller ist sich nach längerem Zählen sicher, dass der Baum etwa 65 Jahre alt war. Das wäre für eine Linde kein Renteneintrittsalter gewesen ­– und schon gar kein Grund für frühzeitiges Sterben.

Ratlos in die Krone schauend

Die Umweltaktivistin Christel Voit hatte am Donnerstag schon herrsching.online informiert, dass sich in der Fischergasse Dramatisches ereignen werde. Am Freitag, als der monströse Kran seine Standbeine in der Fischergasse ausfuhr, trommelte Voit per Telefon alles zusammen, was ein Herz für Bäume haben könnte. Es versammelten sich zum still verdutzten Zuschauen: Die Gemeinderätin Traudi Köhl mit der Ex-Landtagsabgeordneten Ruth Paulig, die Gemeinderäte Gerd Mulert (Grüne) und Rainer Guggenberger (BGH), eine Vogelschutz-Aktivistin, die Ex-Bürgermeisterin Christine Hollacher und entsetzte Anwohner. Die Versammlung wirkte wie eine Beerdigungsgesellschaft, die über die eigene Handlungsohnmacht entsetzt ist. 

3 Bäume könnten noch gerettet werden

Keine Zeit, sich auszuruhen in der grünen Zone des Gemeinderates: Die 3 Bäume nahe der Tourismus-Information an der Kienbachstraße stehen auf Gemeindegrund. Bevor dort ein Massaker stattfindet, könnte eine Gemeinderatsmehrheit den Kettensägen den Motor abstellen – auch wenn das Wasserwirtschaftsamt droht, der Kienbach werde demnächst den Bahnhof samt Erlöserkirche fluten.

Diese Bäume auf Gemeindegrund werden wohl die nächsten Behördenopfer werden

Dazu ein aktueller Kommentar von der

Pro-Natur-Sprecherin Christl Voit

Ab 11. Januar 2023 den Bach beobachten

Jetzt, fast ein Jahr später, könnte in Herrsching eine Art deja-vu passieren.

Das Wasserwirtschaftsamt hat angekündigt, ab 11.1.23 sog “Gehölzpflegemaßnahmen” entlang des gesamten Kienbachs innerorts durchzuführen. So soll der Bachquerschnitt und die Ufer von Bewuchs freigeschnitten werden und Platz für den Arbeitsraum des dann zum Einsatz kommenden Schreitbaggers geschaffen werden. Bäume mit 30 cm Durchmesser werden dabei als “kleine Bäume” bezeichnet (ca 95cm Umfang!), die entfernt werden sollen. Die Bachsohle wird durch den Baggereinsatz auch in Mitleidenschaft gezogen werden.

Vögel verlieren Brutplätze, wie z. B. die seltene Wasseramsel oder die Gebirgsstelzen. Das fluviatile Ökosystem ist in Gefahr.

Die Bürgerinitiative Pro Natur hat in einem Schreiben das Gebot der Verhältnismäßigkeit angemahnt, wie es im Naturschutzrecht und Wasserrecht verankert ist. Einzelne Mitglieder haben das WWA auch separat angeschrieben.

Die Antwort des WWA Weilheim ist bisher, wie wir festgestellt haben, pauschal und standardisiert und verweist lediglich auf Absprachen mit der Unteren Naturschutzbehörde und der Gemeinde und empfiehlt ansonsten die Homepage.

Das verstehen wir nicht unter wirklicher Bürgerbeteiligung weder von Seiten der Gemeinde noch des WWA.

Alle Herrschingerinnen und Herrschinger tun gut daran, ab 11.Januar genau zu verfolgen, was am Bach passiert und den beteiligten Behörden ihr Interesse an einem schonendem Umgang mit dem Bach mitzuteilen.

Man darf nicht vergessen, dass vom Kienbach, der zuletzt im 19. Jahrhundert ausgeufert ist, selbst nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes keine direkte Hochwassergehfahr ausgeht und lediglich 6 Prozent der untersuchten Mauern marode sind, die man unserer Expertise nach schonend durch Vormauerungen festigen könnte. Lediglich die formale Kategorisierung als Wildbach (wegen der Reliefenergie im Kiental) hat jetzt diesen Aktionismus zu Folge.

Christl Voit, Sprecherin von Pro Natur

10 Comments

  1. Nach Auskunft des WWA wurden die umfangreichen Rodungsarbeiten entlang des Kienbachs mit der Gemeinde abgestimmt. Es wird interessant sein zu erfahren, welche dieser angeblich zwingenden Maßnahmen konkret besprochen und abgestimmt wurden. Oder geht es den besorgten Bürgern so wie bei den 5 Bäumen in der Fischergasse, die in einer Nacht- und Nebelaktion abgeholzt und die Bürger von der Gemeinde bzw. dem Bürgermeister mit dem Kommentar “wir nix wissen” abgespeist wurden.

  2. Während sich unsere umliegenden Gemeinden mit Begrünung, ansprechendem Ortsbild, Energiewende, Arten- und Klimaschutz befassen, scheint Herrsching in einer anderen Welt zu leben. Grauer trister Beton heisst hier anscheinend das Zauberwort. Und seiner mächtigen Ausdehnung werden Natur und Tiere immer weiter sorglos geopfert.
    “Wenn die Verantwortlichen so entscheiden, kann man halt eh nichts machen”, heisst es dazu überall. Wo bleibt da die, bei Wahlen so gepriesene, Bürgernähe?
    Und gibt es irgendwo noch einen Hoffnungsschimmer? Zum Beispiel auf das Handeln irgendwelcher Greenplanerfirmen zu warten?

  3. Es freut mich, dass der Grüne Gemeinderat Gerd Mulert unter den Anwesenden war. Aber halt: Herr Mulert ist doch Teil der Fraktion der Grünen im Gemeinderat, die der Zerstörung des Biotops auf dem Gymnasiumgelände mit den Weg geebnet hat.

  4. Wenn man als Bürger wegen eines überdimensionierten Neubauvorhabens auf einem dann komplett versiegelten Nachbar-Grundstück Bedenken beim Wasserwirtschaftsamt anmeldet, bekommt man zu hören, dass ein Hochwasser wie 2016 in der Hechendorferstraße ein Jahrhundertereignis ist, das sozusagen nicht vorkommt. Aber wenn Bäume weg sollen dann ist das Argument der Hochwassergefahr plötzlich glaubwürdig. Ein Schelm wer sich was dabei denkt!

  5. Ich frag mich wofür die alle bezahlt werden in der Gemeinde und im WW-Amt, die richten nur Unheil an was den Kienbach betrifft. Gibt’s den keinen Anwalt der denen mal Paroli bietet ?

  6. Bis jetzt hatte ich ja immer eine gute Meinung vom Wasserwirtschaftsamt in Weilheim. Sie haben den Lauf der Ammer so schön und aufwendig renaturiert. Es ist eine Freude dort entlang mit dem Rad zu fahren. Und jetzt so was in Herrsching. Wer kann das noch verstehen. Da gäbe es doch sicher andere Möglichkeiten vor “drohenden Sturzfluten” vorzugehen. Vielleicht schon im Kiental in der freien Natur. Und jetzt wird eines der letzten Idylle im Ort auch noch zerstört. Schon als Kind haben wir am Bach gespielt. Es war unser Revier. Das wird künftigen Generationen nicht mehr gegönnt sein. Beton, Beton, gerade, schnell und teuer. Was ist da los??
    Auch komisch, dass die Gemeindeverwaltung nichts davon wusste, die Straßensperrung ist ihnen wohl auch nicht bekannt gewesen. Sehr zynisch auch die Anmerkung des Baumfällers, er hätte keine Fledermausbehausung gesehen. Ja, ja Herr Beckenbauer hat in Qatar auch leider nichts gesehen. Seit 30 Jahren blicke ich von meiner Wohnung auf die Bäume am Kienbach und ich kann versichern, dass sich da allerhand Getier tummelt. Ja, Herrsching ist ein trauriges Pflaster geworden und es geht so weiter…….

  7. Ist den unwissenden Menschen bekannt, dass sie ohne Bäume nicht leben können. Diese Filtern und erneuern die Luft , die wir zum Atmen benötigen. Außerdem braucht die NATUR DEN MENSCHEN NICHT, jedoch umgekehrt………….

  8. Das ist typisch für diese Reichengettos: Kein Interesse für Umweltschutz und Natur! Und die Ämter schieben sich gegenseitig den “schwarzen Peter” zu. Einfach nur Widerlich !

  9. Es ist rührend, wie sich die Kettensägen-Fraktion aus Gemeinde Herrsching und Wasserwirtschaftsamt Weilheim um das Wohl der Herrschinger Bürger bemüht. Umstürzende Bäume und das Hochwasser des Kienbachs bedrohen die Sicherheit der Bewohner Herrschings rund um die Uhr. Daher ist es nur logisch, die Bäume entlang des Kienbachs zu fällen und diesen dann in eine Betonröhre zu zwängen. Warum wollen die undankbaren Herrschinger Bürger nicht verstehen, dass diese Maßnahmen nur ihrer eigenen Sicherheit dienen. Nun ja, so eine baumlose Betonröhre quer durch Herrsching wertet das Orsbild nicht gerade auf, aber wen interessiert das schon, der Schutz vor dem Kienbach-Hochwasser hat Vorrang. Gemeinde und Wasserwirtschaftsamt haben sicherlich genau analysiert, wie oft der Kienbach in den letzten Jahrzehnten/Jahrhunderten über die Ufer getreten ist……!

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