Er hat uns den blanken Po gezeigt, nicht real, im Bild, versteht sich, er stellte uns seine antiken Badehosen vom Schwiegergroßvater vor, aber er verschwieg uns, ob ihm schon Schwimmhäute zwischen den Fingern wachsen. Wigald Boning beglückte Herrsching am 1. Mai mit seiner neuen Obsession: Jeden Tag, ob Winter oder Sommer, Themse oder Thailands Tümpel, Andechser Weiher oder Zillertaler Bergsee, geht der Fernseh-Ausprobierer ins Wasser. Inzwischen hat er es auf 671 Tage mit täglichem Bade gebracht. Im Kurparkschlösschen stellte er in einem 80-Minuten-Auftritt seine verrücktesten Nassabenteuer vor – bekleidet war er mit Omas Blümchenbadekappe, Hawaii-Boardshorts und Schlappen. Das Publikum war außer sich vor Begeisterung, Nachahmer im nahen See gab’s anschließend aber keine.
Herrsching braucht seine Badestege, da ist sich der Allround-Comedian mit den anderen Einwohnern einig: Wer sich dem tiefen Wasser über den Holzweg nähert und über eine Badeleiter ins Wasser steigt, braucht keine Badeschuhe. Deshalb spendete der Herrschinger Neubürger die Eintrittsgelder für die Erneuerung der Stege. Auch dafür gab’s Applaus.
Die wichtigste aller Fragen hob sich der Künstler für den Schluss seiner bebilderten Badyssee (Vorsicht Wortspiel) auf. Ist das alles gesund, lebt man – durch Eiswasser konserviert – länger, und warum macht er das? Boning, alles andere als ein Kaltwasser-Sektierer, vermutet vage, dass er vielleicht weniger erkältet gewesen sei. Einen zwingenden Grund für die Obsession allerdings konnte er nicht benennen. Eine Voraussetzung fürs tägliche Outdoor-Baden nannte Kulturvereinschef Heinz Hellerer bei der Begrüßung: Man muss es mögen.
Und man muss dafür eine gewisse Exzentrik mitbringen. Boning berichtete, dass er durch einen englischen Lord, per Geburt Exzentriker, zum Baden kam. Das Probe-Date mit dem nassen Element war ein 24-Stunden-Schwimmen im Hallenbad von Haar – eine räumliche Nähe zu medizinischen Einrichtungen für Verwirrte war Zufall. Er schaffte 1120 Bahnen. Dann folgte die nächste Verrücktheit – eine Bodenseeüberquerung nach Romanshorn. Boning war sichtlich stolz auf seinen neuen Weltrekord: 7 Stunden und 24 Minuten bedeuteten einen neuen Weltkrekord im Langsamschwimmen. Sogar die Passagiere auf der Autofähre sollen ihn aufgemuntert haben.
Bevor Herr Boning baden geht (so ähnlich sein Buchtitel), denkt er aber nach. In das Regenwasser-Rückhaltebecken am Flughafen von Hannover stieg er im September, weil er sicher war, dass im Sommer kein Enteisungsmittel für die Flugzeuge eingeleitet wird. Höhere Ansprüche an seine Badegelegenheiten hat er anscheinend nicht. In der Weichsel bei Warschau roch es verdächtig nach Haarwuchsmitteln, Boning soll sich deshalb die Bademütze vom Kopf gerissen haben, der Erfolg war mäßig.
Rund um das Schweriner Schloss ließ weiland der König, oder was immer er war, einen Teich anlegen, und Boning genoss bei der Umschwimmung einen herrlichen Blick auf das Monument des Absolutismus.
Weniger genussreich geraten seine Abstecher (durchaus wörtlich zu nehmen) ins Eiswasser. Im Andechser Weiher kann man über eine Badeleiter in das eisfreie Loch steigen, sollte aber, wie es seine Frau Teresa schlauerweise gemacht hat, Handschuhe tragen. Bloße nasse Hände frieren nämlich am Treppengeländer fest. Leider hatten die beiden beim Tauchgang vergessen, ein Foto zu machen – also noch einmal zurück fürs Selfie. Eine Enttäuschung war die Eistonne auf der Zugspitze, die Gönner für ihn bereitgestellt hatten. Es war mit Leitungswasser befüllt und fette 8 Grad warm, brrrrr.
Eiswasserbaden hört sich unbürgerlich an, aber es gibt eine Steigerung im Grenzbereich der Nahtoderfahrung: unters Eis tauchen. Auch das hat Boning schon gemacht und mit einer Unterwasserkamera belegt.
Im Serviceteil seines Vortrags verriet Boning einen hilfreichen Tipp: Beim Aufhacken eines Eislochs sollte man sich erst entkleiden, wenn der Einstieg fertig ist. Das trage ungemein zum Wohlbefinden bei.
Aber Wasser kann nicht nur so kalt sein, dass man glaubt, ein Krokodil habe die Hand abgebissen, Wasser kann tatsächlich Lebewesen enthalten. Schlimmeres ist Herrn Boning noch nicht passiert, nur am Wörthsee hatte er längere Diskussionen mit einem Schwan, der seinen „Privatstrand“ partout nicht mit ihm teilen wollte. Im Ammersee ist ihm nur eine Parkbank im Wasser begegnet.
Bedrohlicher waren, so Boning, die Soldaten in London, die zur Krönung von Charles sogar den Zugang zur Themse abgesperrt hatten. Wie kommt man zum Daily Diving, wenn überall Uniformierte rumstehen? Boning behauptete, er wohne da unten. Dann lenkte jemand die Polizei ab, und Boning verschwand kurz in der Themse. Das aber, so Boning, war der gefährlichste Teil des Abenteuers: Das Gewässer gilt als schmutzigster Fluss Europas. Der Brexit habe wohl den Kläranlagen zugesetzt. Nach dem Bade schneller Exit, hieß die Überlebensstrategie.
In ein paar Wochen ist die Sommerolympiade in Paris. Dort sollen Schwimmwettbewerbe in der Seine stattfinden. Allerdings klagen jetzt Leistungssportler ueber die Wasserqualität. Vielleicht Herr Boning da einen Tipp.