Seniorensport: Statt Liegestuhl Liegestützen

6 mins read

Die Herrschingerin Gymnastik-Expertin Mia Schmidt hat großen Anteil am Wandel des Seniorensports. Sie trug durch ihr Tele-Gym im Bayerischen Fernsehen, durch Gym-Shows auf einem WHO-Kongress und durch Hunderte von Gymnastik-Stunden beim TSV Herrsching dazu bei, dass Sport für Ältere auch fordern muss. Schmidt hat daraus sogar eine Philosophie für Senioren abgeleitet: Von der behüteten und beschützten Lebensweise hin zum selbstbestimmten, auch fordernden Lebenswandel. Statt Kanapee Krafttraining, statt Liegestuhl Liegestützen.

Wie hat sich der Umgang mit älteren und alten Menschen verändert?

Schmidt: Als ich 1979 mit Seniorengymnastik anfing, habe ich noch zum Umgang mit älteren Menschen gelernt, dass alle Hindernisses aus dem Weg geräumt werden müssen. Der alte Mensch stolpere schnell und ziehe sich dann – das Allerschlimmste – den berühmten Schenkelhalsbruch zu. Der galt damals als Todesurteil für Senioren. Deshalb hielt man es für ratsam, dass alte Menschen ein bisschen spazieren gehen und die restliche Zeit im Sessel sitzen.

Aber inzwischen hat sich ja auch die medizinische Versorgung dramatisch verbessert. Damit verbunden veränderte sich das sportliche Angebot. Plötzlich merkte die Gesellschaft, dass alte Menschen ja nicht nur Sesselsitzer sind. Es folgten zahlreiche anspruchsvolle körpergymnastische Angebote. Durch die neue Art, Sport im Alter auszuüben, wuchs auch das Selbstbewußtsein.  Und damit auch die geistige Regsamkeit.

Sind Menschen, die Sport treiben, geistig wacher und beweglicher?

Schmidt: Ein Mensch, der in Bewegung bleibt, ist offen für neue Eindrücke von außen. Ich behaupte übrigens auch, dass ein Mensch, der ein Leben lang in derselben Wohnungseinrichtung wohnt, geistig vertrocknet. Der nimmt keine Impulse mehr von außen an, der wird – im negativen Sinn – immer konservativer. Wenn man schon nicht den Wohnort wechselt, sollte man zumindesten drei- bis viermal die Wohnungseinrichtung wechseln.

… oder den Partner…

Schmidt: … oder das. Aber das ist dann immer wieder das gleiche Muster. Im Ernst, die Offenheit ist wichtig – und die Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Man muss im Dialog bleiben, auch wenn es manchmal schwierig ist. Die Meinungen im Alter sind gefestigter, man gibt nicht mehr so gerne auf, was man sich mal als Weltbild zusammengebastelt hat.

Werden ältere Menschen konservativer? Oder gibt es da auch mal überraschende Erkenntnisse?

Schmidt:  Natürlich gibt es immer wieder überraschende Erkenntnisse. Vorausgesetzt, sie sind offen für neue Erfahrungen. Zum Beispiel auf Reisen. Diese Reisen schenken ja auch überraschende Erlebnisse und machen den Menschen weltoffener. Wenn natürlich jemand seine gewohnte Umgebung mit der Begrenztheit eines Kreuzfahrtschiffes tauscht, wird er vermutlich weniger neue Eindrücke mit nach Hause bringen.

Wie hat sich der Seniorensport gewandelt?

Schmidt: Der Sport für die Älteren hat sich verändert, als sich die Universitäten für dieses Feld interessiert haben. In der Ausbildung der Sportstudenten spielte der Sport für Ältere nun eine Rolle. Ich erinnere mich an eine Studie der Uni Erlangen, die sich mit dem Krafttraining für Ältere beschäftigte. Ist Krafttraining sinnvoll, wenn das Herz dabei stark belastet wird? Das wurde damals durchaus kritisch gesehen.

Wir vom TSV Herrsching waren in den Universitäten unterwegs und haben demonstriert, wie man angepasstes Training für Ältere  machen kann. Als ich meine erste Fernsehserie gedreht habe, bekam ich Kommentare wie: Das kann man doch nicht mit älteren Leuten machen. Das geht ja viel zu schnell, ist viel zu anstrengend, einfach unmöglich.  Dank der universitären Forschung wandelte sich dann aber die Einstellung zum Seniorensport.  Die Ergebnisse boten neue Sicherheiten. Es gab schließlich Laufangebote, Radfahr-und Langlaufkurse in den Vereinen und Volkshochschulen. Und es setzte sich die Erkenntnis durch, dass der alte Mensch entscheidet, was sein Körper verträgt. Grundsätzlich können nämlich ältere Menschen alles. Und in dem Moment, wo’s weh tut, hören sie von selber auf.

Sie waren damals fast wie eine Missionarin unterwegs, um den neuen Seniorensport  zu propagieren?

Schmidt: Der Wandel von der behüteten und beschützten Lebensweise zum selbstbestimmten, auch fordernden Lebenswandel, das war die neue Philosophie. Wir Herrschinger vom TSV und von der Evangelischen Kirchengemeinde durften sogar beim Weltkongress der WHO unser Seniorenprogramm vorstellen. Wir waren damals mit 50 Leuten auf der Bühne. Die Vorführung von rund 20 Minuten Länge schlug so gut ein, dass wir während des Kongresses dreimal auftreten mussten. Das Programm enthielt höhere Belastungen, wir hatten darstellende Elemente drin, und wir haben dabei gelacht, vor allen Dingen gelacht!

Das Rote Kreuz mit seinem Seniorentanz in den gebundenen Tanzformen fand ich damals eher kontraproduktiv:  Wenn ich beim Tanzen zählen muss und der Partner muss gegengleich zählt, und der macht das nicht richtig, gibt das enorme Konflikte. Und die Frauen waren bei diesen Tanzübungen immer in der Mehrheit, was die Sache wenig harmonischer machte. Da kam jedenfalls kaum Lebensfreude auf.

Meine Gruppen dagegen haben gelacht und auch mal Sportgeräte fallen lassen. Sie wirkten immer frisch und lebensfroh.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Aktuellste Meldungen

Anzeige

Frühlingserwachen am Ammersee