Mit nur einer Gegenstimme wurde Karin Casaretto (mit Blumenstrauß) zur gemeinsamen Bürgermeister-Kandidatin gewählt. Von links: Die beiden grünen Ortsvorsitzenden Charlotte Wehn und Franziska Schon, Grünen-Gemeinderat Gerd Mulert, die BGH-Gemeinderätin Susanne Hänel, BGH-Vorsitzender Günter Agel und die Fraktionsvorsitzende der BGH, Christiane Gruber. Foto: Jörg Reuther

Casaretto mit 97 Prozent der Stimmen als Bürgermeister-Kandidatin gewählt

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Auf Parteitagen wird die Beliebtheit eines Kandidaten an der Länge des Beifalls gemessen. Wenn das auch für die Wahl der Bürgermeister-Kandidatin Karin Casaretto gilt, dann muss sie sich keine Sorgen um ihre Unterstützerinnen und Helfer machen: Als die Grünen und die Bürgergemeinschaft Herrsching am Mittwochabend die Stimmen ausgezählt hatten, brandete lang anhaltender Beifall auf: Die Filmregisseurin und ehemalige Medienunternehmerin Karin Casaretto (59), bekam 35 von 36 abgegebenen Stimmen. Beobachtern fiel auf, dass es in ihrer Bewerbungsrede keinerlei Angriffe oder Spitzen in Richtung ihres politischen Konkurrenten, des amtierenden Bürgermeisters Christian Schiller, gab. Nur ein einziger Satz galt dem Mitbewerber, der von der CSU offiziell unterstützt wird: 18 Jahre Amtszeit seien genug, formulierte es eine Vorrednerin.

Eine Kandidatur als Bürgermeister-Bewerberin sei nie auf ihrer Karriereliste gestanden, begann Casaretto ihre Rede. Zu einer Kandidatur habe sie sich entschlossen, weil sie die Überzeugung gewonnen habe, dass Herrsching mehr könne als das, was zur Zeit gemacht werde. „Das Potenzial der Gemeinde muss mehr genutzt werden“, sagte sie unter dem Beifall der etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörer. Viele Ideen für ihr Wahlprogramm habe sie durch eine große Online-Umfrage von Pro Natur bekommen. Bei dieser Fragebogen-gestützten Bürgerbefragung hatten etwa 1000 Herrschingerinnen und Herrschinger ihre Meinung zur örtlichen Ökologie, zum Verkehr, zur Verwaltungs-Performance und anderen Fragen geäußert.

Karin Casaretto kam vor 18 Jahren in die Seegemeinde, wohnte mehrere Jahre in Breitbrunn und zog vor sechs Jahren nach Herrsching. Sie habe als Mutter eines Sohnes im Kindergarten Kunterbunt mitgearbeitet und schon damals ein größeres Kinderhaus gefordert.

Casaretto hatte an der Filmhochschule Regie studiert und in diesem Fach auch hohe organisatorische Fähigkeiten entwickeln müssen. Durch immer neue Herausforderungen am Set sei Improvisationstalent gefragt gewesen. Motto: Geht nicht gibt’s nicht. Zur Job-Description gehörte auch, im öffentlichen Förderdschungel nach Budgetmitteln zu suchen. Anschließend habe sie im Kulturmanagement gearbeitet und Werbefilme für Non-Government-Organizations (NGOs) gedreht. Im letzten Jahr hatte sie noch ein Fernstudium an der TU München-Weihenstephan im Fach Klimaschutz-Management absolviert. Zur Zeit arbeitet sie für Weihenstephan am Projekt Regenwasserspeicherung (besser bekannt unter dem Namen Schwammstadt). Sie kritisierte in diesem Zusammenhang, dass das neue teure Toilettenhäuschen am Bahnhof nicht begrünt worden sei: „Grün wäre auch Schutz vor Wildsprayern – Sprayer besprühen keine Blätter.“

Eines ihrer Lieblingsthemen ist der Bahnhof, der durch die Idee einer genossenschaftlichen Sanierung wieder im Gespräch ist. „60 Prozent der von uns befragten Bürgerinnen und Bürger wünschen sich im Bahnhof Kultur- und Vereinsangebote“, sagte sie. Hinter dem Bahnhof (der Platz gehört noch der Bahn; Red.) solle ein alter Waggon als Jugendtreff aufgestellt werden, damit die junge Bevölkerung einen Treffpunkt auch nach 19 Uhr habe.

Die Kandidatin-Wahl fand reges Interesse in der Gemeinde: Etwa 50 Bürgerinnen und Bürger füllten den Saal im Seehof. Foto: Kloos

Großen Raum nahm in der Rede auch die Geothermie ein, die als umweltfreundlichste Wärme- und zugleich auch als Gewerbesteuerquelle diene. „Wir können es uns nicht erlauben, ein vielversprechendes Gewerbeunternehmen zu vergraulen“, meinte sie mit Blick auf die Stellungnahme des Gemeinderats zu den Plänen von „Erdwärme Herrsching“. Übrigens könne man die Wärme auch für gesundheitliche Anwendungen verwenden. Das Wort „Bad Herrsching“ vermied sie aber. Völlig unverständlich sei ihr, dass die Breitbrunner Klosterwiese immer noch nicht als Baugrund für junge Familien genutzt worden sei. „Immer wieder diese Ausreden, warum geht da nichts voran?“, klagte sie an. Beim Thema Wohnraum kam sie selbstredend auf das Bofrostgelände zu sprechen, das günstigen Wohnraum möglich mache.

Unvermeidlich auch, dass die Kandidatin auf die mitunter intransparente Meinungsbildung im Gemeinderat zu sprechen kam. „Warum“, so fragte sie, „dürfen Bürger nicht über wichtige Projekte in der Gemeinde abstimmen?“ Dass sie sich den Programmen der Grünen und der Bürgergemeinschaft verbunden fühle, obwohl sie nicht Mitglied sei, quittierte das Publikum mit Beifall. Sie erwähnte allerdings nicht, dass sie wahrscheinlich von den Grünen auf den ersten Listenplatz für den Gemeinderat gewählt wird.

Ex und Neu im Austausch: Die ehemalige Bürgermeisterin Christine Hollacher mit der neuen Kandidatin. Foto: Reuther

Streng, wie man bei den Grünen ist, waren nur fünf Fragen an die Kandidatin zugelassen. Bürgerrat? Findet sie super. Die Bürger, glaubt Casaretto, haben oft viel bessere Ideen als teure Expertenplaner (die Honorare bis zu 50 000 Euro einstreichen; Red.). Bei der Frage: Geothermie oder See-Thermie hat sie eine klare Meinung: Geothermie ist viel wirtschaftlicher als mit Wärmepumpen aufbereitetes Seewasser. PV-Anlagen auf alle Hausdächer? Müsste auch von der Gemeinde gefördert werden. Um Herrsching vom Ausflugsverkehr zu entlasten, fordert sie Parkplätze am Ortsrand mit einem Parkleitsystem. Außerdem plädierte sie für Ampeln an der Mühlfelder Straße.

Der lang anhaltende Beifall für ihre Rede war praktisch schon ein vorweggenommenes Wahlergebnis. 35 von 36 Stimmen ergaben ein Wahlergebnis, das breite Unterstützung für die Kandidatin signalisiert.

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