Objekt der Begierde: Dieses Grundstück an der Ploetzstraße 6 hatte eine Witwe der Gemeinde vererbt – allerdings mit einer Sozialbindung.

Schwieriges Erbe: Darf Gemeinde Grundstück für die Haushaltssanierung verwenden?

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Ein Geschenk könnte die Gemeinde in ein moralisches Dilemma stürzen. Herrsching braucht dringend eine siebenstellige Summe an Einnahmen, um für 2026 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Doch Rettung scheint nahe: Wie der Stern von Bethlehem erscheint am Finanzfirmament der Gemeinde ein Grundstück, das sie von einer Witwe geerbt hatte. Die schätzungsweise über 1000 Quadratmeter große Wiese mit einem alten Wohnhaus will die Gemeinde nun verkaufen.

Doch das Geschenk hat einen Haken: Die Witwe verlangte, dass der Erlös eines Grundstücksverkaufs sozialen Zwecken zugute kommen müsse. Der ehemalige Nachbar des Ehepaars, Andreas Weger, berichtet in einem Kommentar auf herrsching.online, das Ehepaar Oppelt sei kinderlos geblieben und „wollte nun den Kindern und anderen Bedürftigen in Herrsching ein Geschenk machen“. Wegers Schlussfolgerung: „Daß nun der Erlös im laufenden Haushalt der Gemeinde versenkt werden soll, war bestimmt nicht im Sinne der Erblasserin.“

Baurechtsmehrung: Schafft Gemeinde einen Präzedenzfall?

Das Grundstück, das nun einen neuen Eigentümer sucht, will die Gemeinde zum höchstmöglichen Preis verhökern – egal ob es sich um einen sozialen Wohltäter oder um einen unsozialen Bauträger handelt. Bisher aber fand sich niemand, der einen Millionenbetrag für die Scholle zahlen wollte. Den Grund vermutet das Rathaus in dem eingeschränkten Baurecht. Da die Gemeinde aber wie ein absolutistischer Fürst – der neue Bauturbo kommt da gerade recht – Baurecht schaffen kann, steht das Grundstück mit der Flurnummer 1599/2 an der Ploetzstraße 6 in Lochschwab auf der Tagesordnung des Bauausschusses. Mit einer Mehrheit von sieben Stimmen könnte man das Baurecht so stark „mehren“, dass die Flur auch für Bauträger interessant wird. Die Bürgermeisterkandidatin der Grünen und der BGH wies in einem Kommentar darauf hin, dass die Gemeinde damit in gefährliches Fahrwasser kommt: „Wenn die Gemeinde aus eigener Initiative ein Grundstück maximal nachverdichtet, um es schneller und teurer verkaufen zu können, schafft sie damit einen Präzedenzfall, der sich nicht mehr einfangen lässt.“

Bürgermeister: Verwendung für „Bezahlbares Wohnen“ wäre möglich

Das Thema ist nicht neu: In einer Sitzung des „Runden Tisches Wohnen“ am 22. März 22, an der Hannelore Doch, Rainer Guggenberger, Alexander Keim, Christl Voit, Angelika Lange-Gao, Gerd Mulert, Tina Reich, Bürgermeister Christian Schiller, Wolfgang Schneider und Traugott Schöfthaler, teilgenommen haben, war das Grundstück schon einmal im Gespräch. Teilnehmer schlugen vor, die Flur eventuell für Flüchtlingsunterkünfte zu verwenden.

Damit wäre die Klausel, das Grundstück für soziale Zwecke zu nutzen, erfüllt. Der Bürgermeister verwies in seinem Statement zwar auf eine „Verschwiegenheitsklausel“, an die sich auch die Gemeinderäte halten müssten. Aber die Testamentsvollzieherin der Oppelts wäre einverstanden damit, wenn man das Grundstück eventuell für das Gemeindeprojekt Bezahlbarer Wohnraum am Mitterweg verwenden würde, sagte Schiller laut dem Sitzungsprotokoll.

Die Verwendung als Finanzspritze für den Mitterweg freilich könnte einer gerichtlichen Nachprüfung nicht standhalten – schließlich sind die 26 gemeindeeigenen Wohnungen über einen öffentlichen Kredit und einen Landeszuschuss finanziert.

Herrsching sucht ein Grundstück für die Tagespflege

Der „Kronzeuge“ für die Sozialklausel, Andreas Weger, fordert in seinem Kommentar: „Die gemeinnützigen Vereine, die Sportvereine und Seniorinnen und Senioren sowie Kindergärten und Kulturförderung der Gemeinde haben ein Anrecht auf einen großen Anteil“ (am Verkaufserlös des Grundstücks).

Andere Bürgerinnen und Bürger haben einen Vorschlag, der das vielleicht dringendste Sozialprojekt Herrschings möglich machen könnte: Ein Haus für die Tagespflege, gerne in privater oder öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Auch Bürgermeister Schiller hatte diese Aufgabe in seinem Wahlprogramm erwähnt.

3 Comments

  1. Zusammen mit dem Inklusionsbeirat brachte der Seniorenbeirat vor Jahren schon dieses Haus dem Rathaus als Ort für eine Tagespflege ein .
    Leider wurde dagegen argumentiert.

    Das Thema ist demnach nicht neu.

  2. Es wäre geradezu skandalös, würde der Erlös für das ohnehin fragwürdige Projekt „Bezahlbares Wohnen“ verwendet. Der Erlös soll nach dem Willen der Erblasser für soziale Zwecke verwendet werden. Eine wirklich soziale Komponente sucht man aber bei „Bezahlbares Wohnen“ vergebens. So liegt die von der Gemeindeverwaltung kalkulierte Mindestmiete erheblich über der z.B. in München veranschlagten Maximalmiete für sozialen Wohnungsbau.

  3. Wenn hier von der Gemeinde mehr Bauvolumen genehmigt würde, als bisher erlaubt, würde dieses Grundstück ja vom gewünschten Sozialprojekt zum Profitmaximierungsprojekt umgestaltet?
    „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ müsste man dann wohl folgerichtig unserem 1.Bürgermeister Christian Schiller anlasten oder? Und das sogar bereits, recht ungewöhnlich, schon vor der Neuwahl im März 2026?
    Vor allem würde es, wie bereits beschrieben, Tür und Tore öffnen für weitere Maximalbebauungen von Wohlhabenden!
    Was für eine grausame Vorstellung für Klima, Natur, Lebewesen und Ortsbild!

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