Fast eine Generation liegt zwischen der grünen Bundestagskandidatin Verena Machnik, 45, und dem FDP-Kandidaten Paul Friedrich, 21. Das Doppelinterview, zu dem herrsching.online die beiden eingeladen hat, ist also nicht nur eine Diskussion zwischen zwei politischen Weltanschauungen, sondern auch ein Dialog der Generationen. Bei der Frage: Ist die Öffentliche Hand der bessere Bauherr? treten die deutlichsten Unterschiede auf. Die Grüne sagt klar: Ja, der FDP-Mann glaubt das nicht.
Verena Machnik ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist von Beruf freie Journalistin. Sie wohnt in Berg. Paul Friedrich studiert Jura und ist Kreisvorsitzender der FDP. Er wohnt in Tutzing.
Machnik: „Wir brauchen mehr Steuern, und wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse“
Friedrich: „Wir brauchen weniger Vorschriften und eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinden durch Bund und Länder“
Machnik: „Wir müssen über den Leistungsdruck in der Schule nachdenken“
Friedrich: „Wir müssen die Vorschriften, die das Bauen verteuern, abbauen“
Machnik: „Der Staat ist der bessere Bauherr“
Friedrich: „Private Bauvorhaben laufen besser als staatliche“
„Wir sehen uns in der ersten Bundestagssitzung“
herrsching.online: Werden Sie sich im März bei der ersten Bundestagssitzung treffen?
Friedrich: Ich hoffe doch. Das wird schon.
Machnik: Kommt drauf an, ob die FDP noch aufholt. Aber ich hoffe auch, dass wir uns in Berlin treffen.
herrsching.online: Wir fangen aber mal ganz klein mit unseren lokalen Sorgen an. Alle Kommunalpolitiker jammern über die Haushaltslage der Kommunen und Kreise. Brauchen wir mehr Steuereinnahmen oder mehr Haushaltsdisziplin? Haben die Politiker das Geld in den fetten Jahren mit Luxusprojekten verjubelt?
Machnik: Nein, das Geld wurde nicht mit Luxusprojekten verzockt. Und ja, die Kommunen und Kreise brauchen mehr Steuereinnahmen. Immer mehr freiwillige Leistungen der Gemeinden und Kreise gehen den Bach runter, Vereine können nicht mehr unterstützt werden. Deshalb brauchen wir mehr Steuern, und wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse.
Friedrich: In Teilen stimme ich dir zu, in Teilen nicht….
Machnik…. wer hätte das gedacht…
Friedrich…wir brauchen nicht mehr Steuern im Bund. Und ich glaube auch nicht, dass wir eine Reform der Schuldenbremse brauchen. Der Bundeshaushalt ist enorm angewachsen, gleichzeitig haben der Bund und die Länder die Gemeinden mit immer mehr Aufgaben belastet, ohne die nötige finanzielle Ausstattung dafür zur Verfügung zu stellen. Bei den Kreisen haben wir das Problem, dass sie keine eigenen Einnahmequellen haben, sie werden ja über die Kreisumlage von den Gemeinden finanziert. Wichtig aber ist für die Gemeinden, dass sie Gestaltungsspielraum haben. Deshalb brauchen wir weniger Vorschriften und eine bessere finanzielle Ausstattung durch Bund und Länder.
Machnik: Das Geld muss ja irgendwo herkommen. Deshalb müssen wir über höhere Steuereinnahmen und eine reformierte Schuldenbremse sprechen…
Friedrich… oder anders priorisieren…
Machnik… zum Beispiel beim Dienstwagenprivileg.
Friedrich: Es gibt Subventionen, bei den ich als Liberaler sage: Die brauchen wir nicht.
herrsching.online: Herr Friedrich, Sie wollen sich auch der Bildungspolitik intensiv annehmen. Aber was kann der Bund in der Bildungspolitik bestellen, die ist schließlich Ländersache. Macht Bayern eine gute Bildungspolitik?
Friedrich: Bayern macht eine bessere Bildungspolitik als andere Länder. Unsere wertvollste Ressource sind die klugen Köpfe. Deshalb wünsche ich mir, dass das bestehende Kooperationsverbot zu einem Kooperationsgebot wird. Wir brachten ja mit dem Startchancenpaket von Bildungsministerin Stark-Watzinger von der FDP eines der größten Bildungspakete, die wir je hatten, auf den Weg. Leider sind die Vorgaben viel zu aufwendig, die Schulen können die Konzepte gar nicht verarbeiten. Das müssen wir verschlanken, der Staat lähmt sich da selbst.
herrsching.online: Frau Machnik?
Machnik: In der Bildungspolitik ist viel Luft nach oben. Ich meine nicht, dass Bayern da einen wahnsinnig guten Job macht. Die Schüler sollen sich ihre WCs jetzt selbst verschönern. Wir haben einen enorm großen Mangel an Lehrkräften. Wir müssen aber über das ganze Bildungssystem nachdenken, zum Beispiel auch über den Leistungsdruck. Ich bin wie du, Paul, für eine Kooperation zwischen Bund und Ländern.
herrsching.online: In den Gemeinderäten hört man immer wieder, dass man den Bürger nicht gängeln wolle bei der Gestaltung von Haus und Garten. Lassen sich ökologische Standards ohne Vorschriften durchsetzen?
Friedrich: Das Eigenheim ist für viele Menschen immer noch ein großer Traum. Durch viele Vorschriften verteuern wir das Bauen. Zudem ist Wohneigentum eine finanzielle Sicherheit, eine Geldanlage. In Deutschland haben wir eine sehr niedrige Wohneigentumsquote, das ist in vielen anderen Ländern anders. Deshalb bin ich dafür, dass wir die Vorschriften, die das Bauen verteuern, abbauen. Gewisse Vorschriften brauchen wir allemal, wir sollten aber nicht über ein Grad Dachneigung diskutieren.
herrsching.online: Im Landkreis Starnberg schafft es ein Normalverdiener kaum mehr, Grund und Boden zu erwerben. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Machnik: Bezahlbarer Wohnraum ist im Landkreis Starnberg ein Problem. Ohne hohes Einkommen oder ein Erbe kann man sich eigenen Wohnraum nicht mehr leisten. Deshalb müssen wir in den Wohnungsbau investieren, da ist noch viel zu wenig passiert, auch im Landkreis Starnberg. Und ja, auch in staatlicher Hand muss mehr gebaut werden. Ich sag nur Söder – Ausverkauf von staatlichen Wohnungsbaugesellschaften. Vor allem in kommunaler Hand muss wieder gebaut werden, weil die Entscheider vor Ort wissen, was gebraucht wird. Deshalb muss mehr Geld für die Kommunen bereitstehen.
herrsching.online: Sind Sie auch für staatliche Eingriffe im Wohnungssektor, Herr Friedrich?
Friedrich: So abstrakt würde ich sagen: nein. Ich sehe da auch nicht die finanziellen Möglichkeiten. Gleichzeitig haben wir viel privates Kapital, das man hier investieren könnte. Wir müssen zudem schneller und billiger bauen. Die Genehmigungsverfahren müssen gekürzt werden. Selbstverständlich brauchen wir viele Aufstockungen auf Bestandshäuser, um nicht zuviel Fläche zu versiegeln. Gleichzeitig müssen wir neues Bauland ausweisen. Ein Beispiel für vereinfachte Vorschriften sind die Niederlande, bei denen zum Beispiel die Stufen höher sein dürfen, wodurch die Treppe schmaler wird. Da leisten wir uns zur Zeit zuviel Luxus.
Machnik: Wir haben in Starnberg so viel Leerstand und so viele Zweitwohnungssitze. In Berg haben wir deshalb eine Zweitwohnungssteuer eingeführt, die Geld einbringt….
herrsching.online:… gibt es in Herrsching auch. In diesem Jahr rechnet die Gemeinde mit einer halben Million Steuereinnahmen..
Machnik: Es kann nicht sein, dass Leute mit niedrigerem Einkommen, die als Kindergärtnerinnen oder in Krankenhäusern arbeiten, keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Riesige mögliche riesige Flächen und Villen stehen leer, weil sich Erbengemeinschaften streiten. Da muss etwas passieren.
herrsching.online: Herr Friedrich, Frau Machnik hat vorher nach dem Staat gerufen, um mehr Wohnraum zu schaffen. Ist der Staat ein guter Bauherr?
Friedrich: Ich würde sagen: nein. Ich möchte jetzt nicht auf Stuttgart 21 oder den BER anspielen, aber private Bauvorhaben laufen besser als staatliche. Zugegeben, Kostensteigerungen sind zur Zeit unvermeidbar.
Machnik: Die öffentliche Hand ist sehr wohl der bessere Bauherr, weil sie nicht profitorientiert kalkulieren muss, sondern sich am Wohl der Menschen orientieren kann.
herrsching.online: Wäre genossenschaftliches Bauen eine Alternative?
Machnik: Ja.
Friedrich: Immer gerne.
herrsching.online: Ein konkretes Beispiel der gesetzlichen Überregulierung ist die Vorschrift, dass Tempo-30-Zonen vor Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern nur dann erlaubt sind, wenn der Eingang zur Straße raus geht. Was sagen Sie zu solchen Regelungen?
Friedrich: Ich habe schon erwähnt, dass die Gemeinden die Keimzellen der Demokratie sind. Durch solch kleinteilige Regelungen beschneiden wir die Mitbestimmung der Menschen. Insbesondere bei Verkehrsregelungen haben Kommunen viele Wünsche, die wegen solcher Vorschriften nicht umsetzbar sind. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die Kommunen mehr Freiraum bekommen.
Machnik: Wir haben ein solches Gesetz zusammen verabschiedet. Die Kommunen dürfen jetzt entscheiden, wo sie Tempo-30-Zonen einrichten wollen, wo eine Bushaltestelle eingerichtet wird und wo Fahrradwege entstehen.
herrsching.online: Herr Friedrich, Ihre Parteifreundin Frau Hundesrügge hat einen tapferen Landtagswahlkampf geführt und ist dann an deFünf-Prozent-Hürde gescheitert. Wie gehen Sie persönlich mit dieser permanenten Bedrohung um? Woher nehmen Sie die Motivation für Ihren Wahlkampf?
Friedrich: Ein bisschen Spannung ist immer ganz schön. In meinem Alter hält das mein Blutdruck aus. Da bin ich ganz tapfer. Ich bin mir sicher, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine neue Wirtschaftspolitik wollen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die FDP in den Bundestag einzieht.
herrsching.online: Frau Machnik, Ihre Parteifreundin Martina Neubauer hat ja auch tapfer gekämpft im letzten Bundestagswahlkampf und hat es dann doch nicht geschafft, weil sie nicht gut genug über die Landesliste abgesichert war. Wie sehen Sie Ihre eigenen Chancen?
Machnik: Ich habe mich um das zweite Frauenvotum beworben und gegen zwei Mitbewerberinnen erfolgreich durchgesetzt. Bei uns steigen nicht nur die Mitgliederzahlen, sondern auch die Umfragewerte…
Friedrich…auch bei uns in der FDP sind die Mitgliederzahlen gestiegen.
herrsching.online: Wird der nächste Bundestag noch stärkere braune Ränder bekommen? Wie gehen Sie mit der Gefahr von rechts um?
Machnik: Die Kreisvorstände der Parteien haben dazu schon ein gemeinsames Statement abgegeben. Wir gehen demokratisch miteinander in den Wettstreit und machen klar: Mit Faschisten hat dieses Land schon sehr viel verloren, aber nichts gewonnen. Da sind wir uns einig.
Friedrich: Gottseidank ist die AfD im Landkreis schwach. Die AfD ist eines der größten Standortrisiken für Deutschland. Und sie möchte uns die gesellschaften Freiheiten nehmen. Das ist vollkommen gegen ein liberales Weltbild.
herrsching.online: Randbemerkung: Unser Gespräch läuft so harmonisch, als wären Sie noch in der Ampelkoalition. Reden wir aber mal übers Geld: Gregor Gysi meinte bei einer Veranstaltung in Herrsching, viele Kandidaten würden angelockt von der üppigen Vergütung eines Bundestagsmandats. Spielte Geld eine Rolle bei Ihrem Entschluss, für den Bundestag zu kandidieren?
Machnik: Geld spielt bei mir überhaupt keine Rolle. Ich mache Politik aus Überzeugung.
Friedrich: Ich weiß nicht genau, was ein Abgeordneter verdient. Die Bewerbung um ein Mandat ist harte Arbeit, das macht sicher keiner wegen des Geldes.
herrsching.online: Ist Politik ein Job, der Beziehungen erschüttern kann? Ihre Parteifreundin Baebock hat sich kürzlich von ihrem Mann getrennt.
Machnik: Wer Karriere macht, braucht eine starke Ehe und viel Absprache. Ja, Politik ist gefährlich für Beziehungen, aber meine Ehe ist gut gewappnet.
herrsching.online: Tut ihnen der Vorwurf weh, Karriere seit etwas für Rabenmütter?
Machnik: Ich werde öfter gefragt, was meine Kinder oder mein Mann dazu sagen, dass ich so viel weg bin. Mein Mann und ich haben uns das aufgeteilt. In den ersten Jahren war ich sehr viel für die Kinder da. Aber generell: Wir leben in den Zeiten der Gleichberechtigung, diese Fragen sind sowas von vorgestern. Ein Mann wird das selten gefragt und das ärgert mich.
Friedrich: Politik ist Beziehungs-herausfordernd. Und bei der Parteikarriere kommt hinzu, dass man auch oft abends und am Wochenende nicht zu Hause ist. Wenn man aber einen Rhythmus gefunden hat, ist das handelbar.
Mehr, also höhere Steuern, noch mehr Verschuldung, einen Staat als erfahrungsgemäß unfähigen Bauherrn und dann noch die alte Leier vom sogenannten „Dienstwagenprivileg“ – danke Frau Machnik, darauf hat Deutschland gewartet.
Das neue Gesetz zum Bürokratieabbau legt ja nun die Entscheidungsgewalt für Bauanträge direkt in die Hände des Landratsamt Starnberg. Was an den bisherigen Ergebnissen jedoch nicht viel ändern wird. Hiess es doch auch bisher schon immer in der Herrschinger Gemeinde, wenn wieder einmal für so ein dreistöckiges Betongebäudemonster, das ein betuchtes Ehepaar besitzen wollte, alle Bäume, Sträucher und Blumenwiesen vernichtet wurden: „Das hat das Landratsamt Starnberg entschieden, da können wir nichts machen“. Sogar bei einem vom Landrarsamt Starnberg genehmigten Vorbescheid für einen grossen Neubau im Landschaftsschutzgebiet und Aussenbereich in Neuwiddersberg gab es diese bestürzende Antwort. Denn Niemand im Landratsamt Starnberg scheint die Natur- und Wohnortgegebenheiten von Herrsching, Breitbrunn und Widdersberg zu interessieren. Und so kommt uns alteingesessenen Bürgerinnen und Bürgern immer wieder nur resignierend der Satz in den Sinn: „Geld regiert die Welt“. Und das über bestehende Gesetze und den Schutz von Lebewesen und unserer Umwelt hinweg.
Hallo Frau Machnik,
was konkret verstehen Sie denn unter „Dienstwagenprivileg“? Meinen Sie damit die pauschalen Besteuerungsregelungen zur Nutzung von betrieblichen PKW zu privaten Zwecken?
Viele Grüsse
Karl Karlsson
Mehr Steuern, Reform der Schuldenbremse, weniger Leistungsdruck in der Schule, weniger Vorschriften in den Gemeinden, damit mehr gebaut werden kann…! Sollte irgend ein Politiker oder zwei deshalb gewählt werden, dann müsste er eine Amtszeit für die naechsten Jahrzehnte erhalten. Da beide Kandidaten jung an Lebensalter sind, koennte das gelingen. Mich würde aber schon interessieren, mit welchem politischen Ziel jeweils Frau und Mann in den nächsten zwei Jahren beginnen wuerden.