„Kunterbunt"-Vorständin Tina Drexler klammert sich an einen juristischen Strohhalm, um doch noch eine Tempo-30-Zone vor dem neuen Kindergarten zu bekommen. Ob sich der Landrat umstimmen lässt? Foto: Gerd Kloos

Verhindert das Landratsamt Tempo-30-Zone am Kindergarten?

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„Das ist ein Schildbürgerstreich“, schimpfte Gemeinderat Wolfgang Schneider. Der Zorn des SPD-Manns galt dem Landratsamt. Es verweigert nach Auskunft des Bürgermeisters eine Tempo-30-Zone vor dem neuen Kinderhaus. Begründung der Amtsjuristen: Die Zufahrt zum Kindergarten und Hort liegt nicht an der Rieder Straße, sondern an einem Seitensträßchen.

In einem Seitensträßlein liegt der Eingang des Kindergartens. Für die Verkehrssicherheit sehr sinnvoll, für die Juristen weniger.

Tempo 30 aber, so sieht es eine Verwaltungsvorschrift vor, gibt’s nur, wenn der Kindergarten, die Schule, das Altenheim oder das Krankenhaus „einen direkten Zugang zur Straße“ hat. Bürgermeister Schiller am Montag im Bauausschuss: Der Landrat wird die Tempo-30-Zone nicht anordnen. Doch es gibt noch einen Strohhalm für die Vernunft: Tina Drexler, neu im Vorstand des Kindergartenvereins, verweist auf ein juristisches Schlupfloch. herrsching.online hat mit ihr gesprochen.

Die Straßenverkehrsordnung, oder besser: die Verwaltungsvorschrift zur StVO, schreibt vor, dass vor Kindergärten, Schulen, Altersheimen und Krankenhäusern Tempo 30 gelten muss. Wo also ist das Problem beim neuen Herrschinger Kinderhaus? Am Eingang. Der liegt nämlich nicht direkt an der Rieder Straße, sondern an einer kleinen Nebenstraße. Deshalb ließ das Landratsamt verlauten, dass eine Tempo-30-Zone am neuen Kinderhaus aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. Aber wo kein Kläger, da kein Richter – niemand würde vermutlich gegen den Schutz von Kindern und Eltern klagen. Oder doch? Wenn die Polizei im neuen Tempo-Drossel-Abschnitt kontrollieren würde, könnten Gerichte die Bußgeldbescheide aufheben, weil die Rechtsgrundlage fehlt. Der Bürgermeister vermittelte in der Bauausschuss-Sitzung den Eindruck, dass der Landrat keine Tempo-30-Anordnung unterschreibt. Dazu Vorstandsmitglied Tina Drexler vom Kinderhaus Kunterbunt Herrsching e. V:

„Wir sind mit der Gemeinde im Gespräch, warum die Tempo-30-Schilder nicht nach Süden vor das Kinderhaus versetzt wurden. Nun haben wir eine definitive Aussage vom Landratsamt bekommen, dass es keine Tempo-30-Zone geben wird.“

herrsching.online: Das heißt, Sie müssten den Eingang zum Kinderhaus nach Westen verlegen…

Drexler: Nein. Es gibt zwei rechtliche Möglichkeiten, vor besagten Einrichtungen eine Tempo-30-Zone zu errichten. Einmal ist es der direkte Zugang, den wir nicht haben. Zweite Möglichkeit:  Wenn im Nahbereich der Einrichtung, so sagt es die Verwaltungsvorschrift zur StVO, 

• starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen

• zum Beispiel Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen,

• erhöhter Parkraumsuchverkehr,

• häufige Fahrbahnüberquerungen durch Fußgänger, – Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern

vorhanden sind.  Uns ist übermittelt worden, dass der Landrat das Thema noch einmal unter diesem Aspekt prüfen wird. Das ist nun unser Strohhalm, an dem wir uns festhalten.

Viel Glück den Mamas, Papas und Kindern beim Einbiegen in die Rieder Straße. Vorständin Drexler fürchtet sich schon vor dem Tag, an dem auch die alte Tempo-30-Zone vor der ehemaligen Kunterbunt-Villa aufgehoben wird.

Dass wir häufige Fahrbahnüberquerungen haben, ist ja schon dadurch belegt, dass wir eine Querungshilfe, volkstümlich eine Verkehrsinsel, haben. Und an einer Verkehrsinsel wird nun mal eine Straße häufig überquert.

herrsching.online: Gibt es viele Kinder und Eltern, die über den Unteren Stocketweg und den Fendlbachweg zum Kindergarten kommen, sich also dem Kindergarten von hinten nähern?

Drexler: Ja, viele Kinder und Eltern, die in der Hechendorfer Straße wohnen, kommen natürlich alle über den Fendlbachweg. Kinder, die aus Zentralherrsching, also von Süden kommen, benutzen nach wie vor den Gehweg über die Rieder Straße.

 Wir haben seit Schulbeginn auch noch eine Hortgruppe mit 24 Kindern im Haus. Diese Kinder kommen um 11.30 Uhr, 12.30 Uhr und 13.15 Uhr mit dem Bus von der Christian-Morgenstern-Schule und steigen unten an der Bushaltestelle gegenüber des Segelclubs aus, benutzen die Drückampel, überqueren die Rieder Straße, gehen auf dem Fußweg zur Verkehrsinsel vor dem Kinderhaus und überqueren dort die Fahrbahn. Die Drückampel ist übrigens nicht immer zuverlässig, sie fällt manchmal aus. 

Diesen Übergang mit Bedarfsampel müssen die Kinder auf dem Weg zur Hort überqueren. Beim Fotoshooting fuhr ein Lastwagen bei Dunkelgelb durch.

herrsching.online: Gab’s schon kritische Situationen?

Drexler: Ja, es gab schon kritische Situationen, deshalb begleiten die Eltern die Kinder auf dem Weg zum Hort. Ich wohne jetzt lange genug an der Rieder Straße, die Busse und Lastwagen rasen da mit 50 durch. Und wenn die Tempo-30-Zone, die noch vor der alten Villa Kunterbunt beginnt und kurz vor dem neuen Kinderhaus endet, nun aufgehoben wird, dann sich verschärft die Situation noch einmal.

herrsching.online: Gemeinderat Wolfgang Schneider regte an, dass für den Schulbus, der die Kinder von der Grundschule zum Hort bringt, eine Haltestelle direkt vor dem Kinderhaus eingerichtet werden solle.

Drexler: Das haben wir auch schon angeregt. Wir haben unter den 24 Hortkindern viele Erst- und Zweitklässler, die das einfach noch nicht so hinkriegen mit der Aufmerksamkeit. Deshalb haben wir drei Wünsche an das Landratsamt:

1. Die Tempo-30-Zone von der Verkehrsinsel bis zur Ampel.

2. Eine Haltestelle für den Schulbus, der die Hortkinder von der Schule zu uns bringt.

3. Das Hinweisschild Achtung Kinder vor der Verkehrsinsel und der Ampel. Von unserer Seite aus haben wir alles Notwendige in die Wege geleitet, um unseren Hortkindern sichere Wege zu ermöglichen.

herrsching.online: Die Tempo-30-Zone wurde ja schon einmal nach Süden versetzt, aber da stand das Kinderhaus noch nicht. Aber immerhin – es funktionierte damals.

Drexler: Da gab’s im Landratsamt noch andere Zuständigkeiten.

herrsching.online: Das Landratsamt beruft sich darauf, dass Bußgelder wegen zu schnellen Fahrens in einer rechtswidrigen Tempo-30-Zone vor Gericht keinen Bestand hätten. Dabei wurde doch so gut wie nie in der alten Tempo-30-Zone vor der Villa Kunterbunt kontrolliert. Und wenn’s keine Bußgeldbescheide gibt, kann kein Gericht eine solche Zone als rechtswidrig bezeichnen.

Drexler: Tatsächlich habe ich es in den letzten vier Jahren nicht erlebt, dass da kontrolliert worden wäre. Wenn, wie schon gesagt, die alte Tempo-30-Zone vor der ehemaligen Villa Kunterbunt sogar wegfällt und die Autos auf der Rieder Straße ohne Unterbrechung mit 50 Sachen durchfahren werden, wird es an der Querungshilfe noch viel gefährlicher als bisher.

Eltern und Kinder können entweder einen großen Umweg über den Unteren Stocketweg machen, oder sie überqueren an der Bedarfsampel die Rieder Straße, gehen den Gehweg (linke Straßenseite) hoch und queren an der Verkehrsinsel die Staatsstraße ein zweites Mal.

6 Comments

  1. Die Riederstraße ist nicht der Mittlere Ring! Es wäre es nicht schlecht gewesen, den Garten hinten raus zu bauen – weit weg von der Straße. Es geht mir nicht um Tempo 30 oder 50 – ich finde es sehr schade, dass niemand auf die Idee kommt auf den Weg auszuweichen, der hinter der Polizei zur Hechendorfer Straße und damit zur Ampel führt. Das ist doch eine sichere und gesunde Alternative. Sieben Baume mussten für diesen Weg gefällt werden. Oder liegt es an den 120 Metern, die man mehr laufen muss?
    Man könnte auch mal über einen Zebrastreifen an der Querungshilfe nachdenken – damit könnte man meiner Meinung nach an einigen Querungen in Herrsching gefährliche Situationen entschärfen.

    • Da kann man nur zustimmen. Es erinnert mich an die Lindauer Autobahn vor München. Dort wurde seinerzeit, weil der Grund billig war, emsig gebaut und hinterher bekämpften die Anwohner die Autobahn nach dem Motto: oh, da fahren ja Autos. Es ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen, warum ein Kinderspielplatz neben einer sehr viel befahrenen Straße angelegt wird.

  2. Bürokratie: Herrschaft des Beamtenapparats

    Herr Feuerherdt, mit Ihrem Hinweis laufen Sie offene Türen bei mir ein.
    Die Frage nach der VerkehrsPLANUNG am/vor dem Gymnasium habe ich schon vor über einem Jahr an diversen Stellen aufgeworfen.
    Aber wenn man den unverantwortlichen Umgang mit den Realschülern anschaut – warum sollten es Gymnasiasten besser haben.
    Höheres Schulniveau höhere Geschwindigkeit

  3. Nachdem beim neuen Gymnasium im Süden Herrsching ebenfalls auf ein Verkehrskonzept von Anfang an bewusst verzichtet wurde, wird dort ein ähnliches Malheur mit den fußläufigen Schülern passieren, die vom Bahnhof kommend die Mühlfelder Straße auf Höhe des Gymnasiums (Staatsstraße von Andechs und Staatsstraße von Weilheim) von Nord-Westen nach Süd-Osten queren müssen. Aber man kann ja einfach dann zusätzlich zum Kreisverkehr noch eine Bedarfsampel aufstellen. Laut Bebauungsplan sind dort keine Querungshilfen und Lichtzeichenanlagen vorgesehen.

  4. Vielleicht könnten Eltern und Kinder des Kindergartens Kunterbunt und die Bürgerinitiative Lagom einmal vor dem Landratsam für die Sicherheit und Gesundheit der Herrschinger Kinder demonstrieren. Die Bürgerinitiative ProNatur Herrsching würde sie tatkräftig unterstützen.

    In München ist in einem Teilbereich des Mittleren Rings Tempo 30 verpflichtend – aus Emissionsschutz ! Aber den spielenden Kindern am Kunterbuntspielplatz mutet man die Abgase zu. Auch hier wären die Emissionen eine Rechtfertigung für Tempo 30.

    Ich erinnere ich mich übrigens noch lebhaft an das Amtsantrittsfoto von Landrat Frey – ein glücklicher Familienvater, umgeben von Frau und Kindern. Das Foto hat vermittelt: Ein Politiker, der für Familien und Kinder Verständnis hat. Ich finde, Landrat Frey sollte das Thema nun zur Chefsache machen!

  5. Das sagenhaft teure Verkehrskonzept wurde leider nur für parkende Autos von den Gemeinderäten und Bürgermeister optimiert. Fussgänger und Radfahrer sind auf der Strecke geblieben, was im Falle des neuen Kindergartens sehr bedauerlich ist. Dieser Bereich dort ist gefährlich und die fehlenden Bürgersteige an der Polizei und am Wohngebiet ist fahrlässige Fehlplanung. Ein nicht den Vorschriften entsprechender Fahrradschutzstreifen macht da keine Ausnahme… Zumindest kommen aber die Elterntaxis sicher vor den Kindergarten oder in den Stocketweg, danke dafür!

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