Florian Hammers, 39, schaut so konzentiert auf den Bildschirm, als müsste er eine defekte 737 landen. Über den Köpfen der Bauern, Jäger und Kitzretter fliegt die DJI Matrice M30 T ihre programmierten Bahnen ab und schickt die Livebilder ihrer Wärmekamera aufs Cockpit des Drohnenpiloten. Die Sonne steht noch sehr schräg am Himmel, die letzten Morgennebel hatten sich erst vor Minuten aufgelöst. Die mehrere Hektar große Wiese will der Landwirt heute mähen.
Er will sicher gehen, dass sich im Gras kein Rehkitz versteckt, das noch nicht flüchten kann. „Ein erst wenige Stunden altes Kitz mit der Mähmaschine zu erwischen, ist auch für einen Landwirt eine schlimme Erfahrung“, weiß Jagdpächter Maximilian Bleimaier, „oft sind die Tiere nicht sofort tot und nur schwer verletzt – sie haben furchtbare Schmerzen, bis sie erlöst werden.“
Nach Schätzungen von Tierschutzorganisationen sterben in Deutschland Zehntausende von Rehkitzen in den Mähmaschinen. Um das zu verhindern, stehen der Drohnenpilot Florian Hammers („Tierpiraten“) und die Helferinnen der Kitzrettung Andechs mit den Hühnern auf und starten ihre Spähmaschinen. Und was sie nicht schaffen, das nehmen die Jäger oft selbst in die Hand: Viele Waidmänner sind inzwischen selbst Drohnenpiloten und fliegen die Felder ab, bevor der Landwirt seine Mahd beginnt. herrsching.online hat den Kitzretter Florian Hammers aus Gilching bei einem morgendlichen Einsatz in Ellwang und Breitbrunn begleitet. Während andere Menschen ihre Salami zum Frühstück genießen, schickt er seinen Quadrocopter im Wert eines Gebrauchtwagens in den Himmel, um ein furchtbares Gemetzel zu verhindern.
herrsching.online: Wieviele Rehkitze verdanken Ihnen persönlich das Leben?
Hammers: Ich zähl sie nicht, aber eine dreistellige Zahl von Kitzen, die wir in den Wiesen entdeckt haben, wird’s schon sein.
herrsching.online: Ihre Tierpiraten-Organisation beruht auf ehrenamtlichem Engagement. Was treibt Sie an, Ihre Freizeit zu opfern, um Tieren zu helfen – wäre das nicht der Job der Bauern?
Hammers: Zum Teil ja. Aber man braucht ja für das Scannen von Wiesen Specialequipment, und das haben die meisten Bauern natürlich nicht. Ich mit meinem Verein „Tierpiraten“ und die Kitzrettung Andechs, bei der ich auch aktiv bin, haben insgesamt 6 Drohnen, mit denen wir große Flächen scannen können.
herrsching.online: Wie finanzieren Sie diesen Aufwand?
Hammers: Das meiste wird mit Spenden finanziert. Es gibt aber auch Förderungen vom Land, die auch einen Teil der Kosten abdecken…
herrsching.online: … also weder die Jäger noch die Landwirte bezahlen für diesen Service?
Hammers: Nein, das läuft alles auf der Basis freiwilliger Spenden ab.
herrsching.online: Erzählen Sie uns, wie so ein Wiesen-Scan genau abläuft. Wie hoch fliegen Sie, wie lange brauchen Sie, um einen Hektar Fläche abzusuchen?
Hammers: Meine Drohne DJI Matrice M30 T fliegt in einem vorher eingespeicherten Raster über die Wiese, die Bahnen überlappen sich. Wir fliegen meistens um die 60 Meter hoch. In dieser Höhe brauchen wir etwa 2 Minuten pro Hektar (1 Hektar sind 10 000 Quadratmeter; Red.). Der Akku, der übrigens 700 Euro kostet, erlaubt Flugzeiten bis zu 30 Minuten. Die kleineren Drohnen fliegen um die 20 Minuten lang, sind aber auch etwas günstiger. Mit der eingebauten Wärmebildkamera sind lebende Tiere gut erkennbar.
herrsching.online: Ohne Ihr geschultes Auge würde die hochentwickelte Technik vermutlich nicht viel nützen. Wie lange haben Sie gebraucht, um so kleine, zarte Wesen im hohen Gras zu finden?
Hammers: Wir wurden mit unserer Technik ins kalte Wasser geworfen, wie man so schön sagt. Als wir angefangen haben, gab es noch gar keinen Tierrettungsverein hier. Wir haben dann einfach angefangen. Beherrscht haben wir die Technik aber schnell, nach ein paar Flügen kann man ein Kitz schon gut von einem Maulwurfshügel unterscheiden. Mit der Zeit wird man aber immer besser und kann größere Flächen schneller abfliegen, die sogenannte Flächenleistung steigt, ohne dass man unsicher wird, ob man etwas übersehen hat.
herrsching.online: Viele Jäger haben inzwischen auch Drohnen und überfliegen vor dem Mähen die Wiesen in ihrem Jagdrevier. Wie gut funktioniert inzwischen die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Kitz-Rettern?
Hammers: Sie wird immer besser. Es gibt Landwirte, die aktiv auf uns zukommen. Das ist wie ein Schneeballsystem – je mehr Landwirte mitmachen, desto größer wird die Akzeptanz. Es entsteht irgendwann sogar das Problem für uns, dass wir zu viele Anfragen erhalten und an unsere Belastungsgrenzen kommen. Sobald die Sonne scheint, wollen alle mähen und vorher ihre Felder abchecken lassen.
herrsching.online: Ein böswilliger Mensch könnte nun vermuten, die Jäger wollten nur die Rehpopulation möglichst groß halten, damit sie später genügend Jagdstrecke machen können. Eine Unterstellung?
Hammers: Das ist eine Unterstellung. Die Jäger, die ich kenne, wollen aus Tierschutzgründen verhindern, dass die Kitze vermäht werden. Von den Kitzrettern gibt es allerdings keine genauen Zahlen über gerettete Tiere, weil es tatsächlich Tendenzen gibt, dass die Zahl der geretteten Kitze auf die Abschusszahlen der Jäger draufkommt. Und das wollen wir natürlich verhindern.
herrsching.online: Menschen sollten Rehkitze ja nie anfassen, damit sie nicht von der Geiß verstoßen werden. Wenn Sie Kitze aus der Wiese bergen, wie verhindern Sie eine Kontamination?
Hammers: Wenn wir das Kitz lokalisiert haben mit der Wärmebildkamera, machen sich die Helfer auf den Weg mit Handschuhen, die vorher im Gras „gebadet“ wurden. Zusätzlich haben sie noch Grasbüschel in den Händen. Sie nehmen das Tier dann mit dem Büschel auf, so dass es nicht mit dem Menschen in Kontakt kommt. Dann wird das Kitz in eine präparierte Kiste auf ein Grasbett gelegt. Nach der Mahd wird es freigelassen und von der Mutter wieder aufgenommen.
herrsching.online: Wir glauben, dass wir vielen Lesern aus dem Herzen sprechen, wenn wir uns für Ihre wertvolle Arbeit bedanken.
Und wer aktiv werden will, oder die tolle Arbeit der Kitzrettung unterstützen möchte wird hier fündig:
https://kitzrettung-andechs.de/#aktiv-werden
Vielen Dank für den tollen Bericht über unsere Einsätze zum Schutz des Jungwildes!
Gemeinsam können wir viel bewirken, ob als Pilot, Spotter, Wiesenläufer, Fördermitglied oder Spender -alles ist wichtig um effektiv helfen zu können!
Wer spenden möchte, wir freuen uns sehr. Wir sind als gemeinnütziger Verein anerkannt und Sie können Ihre Spende steuerlich absetzen.
Kitzrettung Andechs e.V., IBAN DE 44700932000002581884
Da geht einem das Herz auf, wenn man von diesen ehrenamtlichen Helfern erfährt. Eine ausgesprochen lohnendes Spendenziel. Vielen Dank für Ihren Einsatz.