Bau oder Baum – wer da wohl gewinnt?

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Ein Kommentar von Gerd Kloos/

Zur Faktenlage: In der letzten Gemeinderatssitzung beschloss die Mehrheit, das Thema Umwelt und damit auch den Baumschutz künftig im Bauausschuss zu behandeln. Der Arbeitskreis Umwelt war vom Rathaus im Herbst aufgelöst worden. Für die neuen Kompetenzen im Bauausschuss stimmten der Bürgermeister, die CSU, die SPD, die FDP und die Grünen. Nur die Bürgergemeinschaft Herrschaft mit der Sprecherin Christiane Gruber stimmte dagegen.

Was passiert, wenn man Hund und Katz in einen Raum sperrt? Die Katze flüchtet auf den Schrank und wird dort verhungern, wenn der Hund im Zimmer bleibt. Was passiert, wenn man Baugenehmigungen und Umweltschutz in einen Ausschuss packt?

Die beiden artfremden Gegenspieler werden sich belauern und bekämpfen. „Die Bauwirtschaft ist eine Schlüsselindustrie und gleichzeitig eine der Hauptproduzenten von Abfall und Kohlendioxid”, behauptet (nicht nur) der Deutschlandfunk – und viele Architekten würden da nicht mehr widersprechen.

Deshalb hat Professor Schürmann, der das neue Gymnasium in Herrsching verantwortet, für die oberen beiden Geschosse auf eine Leimbinder-Konstruktion aus Buchenholz gesetzt.

Also könnten doch Baum und Beton wunderbare Partner sein: Der Baum repariert, was Beton an Verwüstungen anrichtet. Eine idyllische Vorstellung, die in der rauen kommunalpolitischen Wirklichkeit zerbröselt. „Wir wollen dem Bürger keine Entscheidungsfreiheit auf seinem Grundstück nehmen”, sagt der Fraktionsvorsitzende der CSU und Wortführer im Bauausschuss, Thomas Bader, im Interview mit herrsching.online. Damit niemand einen Zweifel an den ernsten Absichten hat, zettelte die CSU einen Bürgerentscheid über eine Baumschutzverordnung an. Der ist dann krachend gescheitert an der bayerischen Gemeinderordnung.

Und plötzlich galt wieder der Gemeinderatsbeschluss: Bis April ’24 muss ein Entwurf für eine Baumschutzverordnung vorliegen. Punkt. Erarbeiten sollte sie der Arbeitskreis Umwelt, eine folkloristisch anmutende Mischung aus Kommunalpolitikern und Vereinsvertretern.

Das Thema Baumschutzverordnung geriet schon in der ersten Sitzung unter die Räder – sie galt der Mehrheit als eher unwichtig. Damit die Nervensägen von der Baumfraktion nun aber kein Geschrei in der Öffentlichkeit anstimmen konnten, tagte der Ausschuss nichtöffentlicht. Als herrsching.online mehrmals aus den Sitzungen zitierte, nahm das Rathaus die Gelegenheit wahr und legte den Arbeitskreis still. Zuviel Öffentlichkeit schadet gewissen Absichten.

Und nun die neueste Volte: Der Gemeinderat beschloss – mit den Stimmen der Grünen gegen tapferen Widerstand der Herrschinger Bürgergemeinschaft um Sprecherin Christiane Gruber – das Thema einfach im Bauausschuss an die Kette zu legen.

Dass bei den Mehrheitsverhältnissen im Bauausschuss eine Baumschutzverordnung erarbeitet wird, ist so sicher wie die Deutsche Meisterschaft für 1860 München.

Im Bauausschuss sitzen 3 CSU-Räte, SPD-Mann Wolfgang Schneider, FDP-Rat Johannes Puntsch und der Bürgermeister – eine solide Brandmauer gegen amtlich verordneten Baumschutz. Christoph Welsch (Angehöriger der Grünen-Fraktion) hatte schon mehrmals seine Ablehnung gegen eine Verordnung zu Protokoll gegeben. Einer soliden Mehrheit von 7 Verordnungsgegnern stehen die BGH-Vertreter Gruber und Guggenberger gegenüber. Grünen-Rat Gerd Mulert hatte treuherzig angeregt, den Bauausschuss künftig „Umwelt-, Infrastruktur- und Bauausschuss” zu nennen.

So gesehen wird es doch noch ein Umweltausschuss: Das in „Ausschuss für Bau, Infrastruktur und Umwelt” umbenannte Gremium schützt das Baugewerbe zuverlässig vor der Umwelt.

6 Comments

  1. Vielleicht sollte man den neu geschaffenen Umwelt- und Bauausschuss einfach erst einmal arbeiten lassen, bevor gleich wieder das Schlimmste befürchtet wird. Und sich vielleicht mal mit den Grünen unterhalten über deren Gründe für die Zustimmung….
    Wollte man nicht eigentlich wieder mehr miteinander reden, um – nach Möglichkeit – zum gemeinsamen Handeln zu kommen?
    Ich selbst habe dem mittlerweile aufgelösten Arbeitskreis Umwelt keine große Zukunft gegeben. Die Zusammensetzung war sehr heterogen, der Bund Naturschutz ausgeklammert, und es fehlte die fachliche Führung, die den Arbeitskreis Verkehr so erfolgreich gemacht hat.
    Auf der anderen Seite ist der Bauauschuss in seiner bisherigen Form eigentlich obsolet. Er hat kaum Entscheidungsbefugnisse, kann lediglich „Empfehlungen“ abgeben, letztendlich ist die Zustimmung oder Ablehnung des Landratsamtes maßgebend. Für die meisten Mitglieder war die Mitarbeit in diesem Ausschuss schon seit langem ziemlich frustrierend. Über Bauanträge, die Einfamilienhäuser betreffen, entscheidet ohnehin die Verwaltung nach Rechtmäßigkeit.
    Der erweiterte Ausschuss wird neue Aufgaben bekommen und ist immerhin von 8 auf 10 Mitglieder angewachsen (mit Bürgermeister 11). Von denen gehören 5 der BGH und den Grünen an. Das, finde ich, ist gar keine so schlechte Ausgangsbasis, um über die künftige Ortsgestaltung zu verhandeln, einschließlich Grünplanung, einschließlich Baumschutzverordnung….
    Selbstverständlich sollte die Arbeit des neuen Ausschusses von den klimabewussten Bürgern intensiv beobachtet und mit gezielten Anträgen zu einzelnen Themen herausgefordert werden.

  2. Städte und kommunen sind in besonderem Maße von den Folgen des Klimawandels betroffen. Hochwasserereignisse, Starkregen und Stürme gefährden nicht nur Mensch und Tier, sondern auch kommunale Infrastrukturen. Die Kommunen spielen eine zentrale Rolle bei der Klimaanpassung und müssen zeitnah umweltpolitische Maßnahmen ergreifen. Viele Kommunen haben darauf bereits reagiert und intensivieren ihre Maßnahmen in den Handlungsfeldern Umwelt, Energie und Klima. Sie haben erkannt, dass mit den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit auch die Attraktivität und die Lebensqualität ihrer Kommunen gesteigert wird.
    Von diesen Erkenntnissen sind einige der politischen Vertreter der Gemeinde Herrsching noch sehr weit entfernt. Statt konkrete umweltpolitische Maßnahmen zu ergreifen versucht man diese zu verhindern, zu blockieren und zu verzögern. Offensichtliche hat diese Gruppe noch nicht erkannt, dass die Bewältigung der Klimakrise eine Gemeinschaftsaufgabe ist bzw.werden muss.
    Bedauerlich, dass schon die Umbennung des Bauausschusses in “Ausschuss für Umwelt- Infrastruktur und Bau” von manchen Gemeinderäten als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz gefeiert wurde. Hauptsache das Wort Umwelt steht an erster Stelle. Ich würde es als Mogelpackung bezeichnen.

  3. Denken wir doch mal, wenn auch mit einem gewissen Bauchzwicken, positiv?:
    Es wird also in Kürze einen Umwelt- Bauausschuss geben? Öffentlich wird er sein? Und wir mit Recht um unsere Umwelt besorgten Herrschinger Bürgerinnen und Bürger können dort Monat für Monat life mitverfolgen, ob die in der letzten Gemeinderatssitzung so bekräftigten grünen Vorstellungen der Ratsherrinnen und Ratsherren auch umgesetzt werden? Eine Chance also zum Wohle von Klima- Umwelt- und Artenschutz?
    Oder etwa wieder nur ein Trick, um die ungeliebte Baumschutzverordnung erneut zu verhindern?

  4. Die Brandmauer gegen eine Baumschutzverordnung steht!
    Jedem Gemeinderatsmitglied musste schon rein rechnerisch klar sein, dass die Verschiebung der Frage einer Baumschutzverordnung (BSVO) in den Bauausschuss ihr leises Ende bedeutet, wie schön man den Bauausschuss dann auch immer benennt.

    Trotz eines Bürgerantrags, dem sich mehr als 400 Herrschinger*innen anschlossen und des Gemeinderatsbeschlusses vom April 2023 , dass binnen eines Jahres eine BSVO für Herrsching zu erarbeiten sei, wird nun also unter Achselzucken genau das nicht passieren.
    Wie konnte das geschehen, wo doch der politische Wille der Gemeinderatsmehrheit und die öffentliche Meinung so eindeutig schienen?
    Nunja, es spielen einfach zu Viele das Spiel von Bürgermeister und CSU mit, warumauchimmer…
    Nur die BGH Herrsching war wieder mal “the last woman standing “während die Grünen offensichtlich vergessen haben, dass sie im Wahlprogramm eine BSVO fordern. Oder können sie wirklich nicht ahnen, was passieren wird, wenn man die BSVO ausgerechnet dem Bauausschuss zum Fraß hinwirft ?

    Zuviele stimmten ohne Murren der vom BM bereits nach Gutsherrenart vorgenommenen eigenmächtigen, über die Presse mitgeteilten Abschaffung des AKUmwelt nachträglich zu – ein Gremium, das sie selbst erst geschaffen hatten ( über die Zusammensetzung ließ sich diskutieren, aber der wirkliche Grund war ja zu große Transparenz)

    Wo bleibt der Ärger über den Versuch der nachträglichen Aushebelung eines demokratisch gefassten Beschlusses durch das letztendlich ungültige Bürgerbegehren der CSU? Man springt weiter wirklich über jedes hingehaltene Stöckchen der BSVO Gegner*innen.
    Selbst, wenn irgendetwas Halbherziges herauskäme, ein Minimalkonsens, wie kürzlich im Merkur formuliert wurde, nämlich, dass der Bürgermeister und die Gemeinderäte nicht selbst “mit der Kettensäge herumlaufen”, stimmt mich das nicht zuversichtlich – sorry an alle Zweckoptimisten und Kassandraempfindliche.
    Die vielbeschworene Zivilgesellschaft wäre jetzt gefragt zum Schutz der Bäume ,auch derer, die demnächst auf Veranlassung des Wasserwirtschaftsamts am Kienbach gefällt werden.
    Ich bin gespannt, ob wenigstens die ehemalige Bürgerinitiative Pronatur, die inzwischen zum Verein mutiert ist, Haltung und Power genug hat, um die Dinge klar zu benennen und wirksam zu agieren.

  5. Wenn man bedenkt, dass das Ringen um eine BSV in Herrsching so schwierig und zeitraubend ist, dann fehlt mir der Glaube daran, dass das mit einer umfassenden Grünplanung besser geht. Andererseits haben die GR jetzt mit grosser Einigkeit einen Superausschuss mit klaren Abstimmungsverhaeltnissen geschaffen. Also lassen wir uns überraschen, wie die Sache mit der Umwelt und dem Bauen nun gehaendelt wird. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass es mindestens so lange wie beim Gymnasium dauern wird, weil der Bgm.und die Raete in Herrsching immer in kurzer Zeit gerne ihre eigenen Beschlüsse wieder abwählen. Es kommen im politischen Alltag halt immer wieder neue und alternative Fakten auf den Tisch und dann geht es wieder von vorne los. Einen gewissen abwechslungsreichen Unterhaltungswert kann man dieser Politik nicht absprechen.

  6. Nach unerbittlichem Kampf um die von Bürgermeister Schiller verbotene Öffentlichkeit im Arbeitskreis Umwelt, dürfen die Umweltthemen nun plötzlich doch öffentlich behandelt werden: Im Bauausschuss. War doch die nicht eingehaltene Nichtöffentlichkeit der Grund, weshalb Herr Schiller den AK Umwelt auflöste. Wie kommt es zu diesem „schillerschen“ Gesinnungswandel?

    Die personelle Aufstellung des AK-Umwelt bestand aus engagierten Gemeinderäten:innen und Vertreter:innen von Herrschinger Vereinen mit Expertise im Klimaschutz, deren Mehrheit sich für die Ausarbeitung einer rechtswirksamen Baumschutzverordnung aussprach, während im Bauausschuss eine Mehrheit von 7 gegen 4 Gemeinderät:innen, einschließlich des 1. Bürgermeisters, gegen einen rechtswirksamen Baumschutz spricht.
    Bürgermeister Schillers Ziel scheint aufgegangen zu sein, denn im Bauausschuss wird es ihm gelingen, einen rechtskräftigen Baumschutz zu verhindern. Es lebe der Herrschinger „Beton-Filz“!

    Nach 16 Jahren „Beton-Filz“ braucht die Gemeinde Herrsching auf allen Ebenen einen nachhaltigen Wandel: Für seine Natur und für seine Bürger:innen. Die Lebensqualität kommender Generationen darf nicht weniger zählen, als die Lebensqualität der Menschen, die uns Bürger:innen gegenwärtig in Herrsching vertreten.

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