An Rekordhitze-Tagen und anschließendem Starkregen sind die Zeitungen voller guter Ratschläge. Ein relativ neuer Trend, die Hitze aus dem Haus zu halten und bei starkem Regen das Wasser nicht sofort in die Kanalisation zu leiten, sind begrünte Dächer. Inzwischen werden sogar Dächer mit bis zu 60 Grad Neigung bepflanzt. In Herrsching, Breitbrunn und Buch wachsen schon einigen Dächern grüne Haare. Aber die meisten Hausbesitzer sind noch skeptisch. Der Landschaftsingenieur Konrad Herz, den herrsching.online interviewt hat, kann sie beruhigen: Begrünte Flachdächer halten zwei- bis dreimal länger als nackte Hausdeckel. Zudem leisten die Pflanzen einen wertvollen ökologischen Beitrag.

herrsching.online: Sind Gründächer noch Exoten oder schon probate Mittel gegen den Klimawandel?
Herz: Die erste Dachbegrünung auf einem Betondach war 1867 bei der Weltausstellung in Paris zu sehen. Eine Begrünung von Dächern nimmt zuerst einmal temporär Wasser auf, das heißt im Fachbegriff Retention. Durch die Wurzeln und das Substrat wird der Wasserabfluss in die Kanalisation gedrosselt. Übrigens weiß man mittlerweile, dass ein Gründach auch aufgrund seiner Schutzfunktion die Lebensdauer des Flachdachs um das Zwei- bis Dreifache verlängert.
herrsching.online: Welchen Einfluss hat die Begrünung eines Hausdachs auf die Leistung einer Fotovoltaik-Anlage über dem grünen Dachbeet?
Herz: Man weiß aus den Erfahrungen der letzten 20 Jahre, dass zum Beispiel die Verdunstungskälte, die durch eine Begrünung entsteht und die absorbierte Strahlungswärme der Sonnenstrahlen die Energie-Ausbeute der PV-Anlagen erhöht. Langzeitversuche haben in der Spitze bis zu 20 Prozent und im Mittel 3,6 Prozent Effizienzsteigerung belegt. Bei dem untersuchten Dach waren es über den 8-monatigen Versuchszeitraum 9,5 MWh mehr Stromausbeute durch die vorhandene Dachbegrünung.
herrsching.online: Welche Dächer eignen sich für eine Begrünung?
Herz: Am verbreitetsten zuerst einmal Flachdächer. Inzwischen werden selbst Dächer mit einer Neigung bis 35 Grad begrünt. Neuere grüne Module, die man auf Dachpfannen (Dachziegel) aufsetzen kann, ermöglichen die Begrünung bis 60 Grad. Mit Unterstützung von geschulten Fachbetrieben geht es auch noch steiler.

herrsching.online: Wie hoch ist denn die Schicht, in der die Pflanzen wachsen?
Herz: In der Regel sind es extensiv 5 bis 15 Zentimeter. Es gibt verschiedene Begrünungsarten: von extensiv mit bis zu 15 Zentimetern oder intensivem Aufbau bis zum Beispiel 60 Zentimetern mit Strauchwerk und Kleinbäumen.
Die gängigste Begrünung wird extensiv mit extrem kälte- und trockenresistenten Sedum-Kräuter-Mischungen ausgeführt. Volkstümlich ist Sedum unter dem Begriff „Fette Henne“ oder „Fettblatt“ bekannt. Diese Sedum halten es aus, wenn längere Zeit kein Regen fällt. Sie schrumpeln zusammen, und wenn sie Wasser bekommen, gehen sie wieder auseinander. Als Ergänzung gibt es Ansaaten mit 50 Prozent Kräutern und 50 Prozent Gräsern. Oder es werden vorbegrünte Matten verlegt, die man einfach ausrollt. Dann hat man unmittelbar das Dach extensiv begrünt.
herrsching.online: Wieviel Pflege braucht ein begrüntes Dach?
Herz: Das kommt auf die Begrünung an. Bei der extensiven Sedum-Begrünung pflegt man zweimal im Jahr und muss mit einem Quadratmeter-Aufwand von unter einem Euro rechnen. Wenn zum Beispiel die Birke nicht auf dem Dach wachsen sollte, muss man diese zupfen. Die Pflanzenauswahl der Extensivbegrünung ist so gewählt, dass die Pflanzen kaum höher als 10 bis 15 Zentimeter wachsen. Die Fotovoltaikanlagen sitzen auf Ständern, die um die 60 Zentimeter hoch sind. Begrünung und Technik kommen sich nicht in die Quere.
herrsching.online: Sind begrünte Dächer ein Baustein für eine sogenannte Schwammstadt, von der jetzt alle reden?
Herz: Ja, und wenn unter die Begrünung zusätzlich sogenannte Retentionskörper einbaut werden, wird anfallendes Regenwasser in viel größerem Stil aufgefangen und zeitverzögert abgeleitet.
Man kann sich das wie einen Bierkasten vorstellen, der auf 8 Zentimeter heruntergeschnitten ist. Über diese flächig verlegten Hohlkörper wird ein Filtervlies verlegt, damit der Hohlraum sauber von Sedimenten bleibt. Dieser Zwischenspeicher fängt dann rund 80 Litern Regenwasser auf einen Quadratmeter auf. Dieses gespeicherte Wasser wird über eine individuell einzustellende Drosselung langsam abgegeben und entlastet die Kanalleitungen. Das Verfahren wird München gefördert und deshalb regelmäßig angewandt, selbst auf Tiefgaragendächern unter Pflasterflächen. Retention ist Stand der Technik bei Flachdächern.
herrsching.online: Ist das nicht auch eine natürliche Klimaanlage fürs Haus?
Herz: Ja, durch die Grünschichten wird der Temperaturaustausch verzögert. Es gibt Vergleichsmessungen mit einer Temperaturdifferenz von über 13 Grad, um die das begrünten Dach kühler bleibt als das mit Kies belegte Dach. Die Begrünung wirkt als ökologisch wertvolle Dämmung auf dem Dach – für alle Bewohner von Dachwohnungen ein Segen an heißen Sommertagen und natürlich stadtklimatisch ein großer Gewinn.
Viele Schulhausbauten im Landkreis und in Bayern sind mit Flachdaechern erbaut worden. So auch Herrschings Schulen. Waere die Begrünung auch für die Gemeinde Herrsching eine sinnvolle Option in eine bessere Zukunft?
Interessanter Artikel in der Süddeutschen vom 1. September: “Schwamm statt Beton” am Beispiel Berlins – auch versehen mit einer anschaulichen Zeicnung.
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/berlin-schwammstadt-klimaerhitzung-e740203/
Ein Blick in die Satellitenbilder von Herrsching zeigt, dass keines der öffentlichen Gebäude ein Gründach aufweist. Selbst auf dem aktuell neustem Bau, der Feuerwehr, findet man nur ein paar Solarzellen. Da ist noch sehr viel Luft nach oben! Selbst ein Energiewendeverein bringt das träge Herrsching nicht voran. Energie, Klima, kein Thema in diesem Ort.