Experten informieren Bürger: Geschäftsführer Max Weiß vom Ingenieurbüro Kokai, Projektplaner Johannes Haas und Bürgermeister Schiller. Auch die Abteilungsleiterin Sigrun Frank vom Wasserwirtschaftsamt war bei der Bürgerinformation dabei

Für Hochwasserschutz werden viele Bäume geopfert

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Das gibt’s selten: Beifall auf offener Bühne für eine Behörde. Das Wasserwirtschftsamt Weilheim informierte am Dienstag abend die Anwohner des Kienbachs über die Sanierungsarbeiten am Wildbach. 60 Bürgerinnen und Bürger vernahmen wohlwollend, kritisch, manche auch besorgt, die Diagnose für den Patienten Kienbach. Projektleiter Johannes Haas vom WWA und das Ingenieurbüro Kokai ließen keinen Zweifel daran, dass das Bächlein auf ein – theoretisches – Jahrhunderthochwasser plus 15 Prozent Klimaveränderungszuschlag vorbereitet werden müsse.

Die andere Seite der kühlen Ingenieursperspektive: Es werden in Herrschings grüner Lunge viele Bäume für die Sanierung sterben müssen. Die Mitglieder der Bürgerinitiative Pro Natur haben Inventur gemacht: Im Laufe der 10-jährigen Bauarbeiten wird die Kettensäge mutmaßlich 198 Bäume umlegen, manche sogar mit Stammumfängen von zweieinhalb Metern. 48 mussten schon daran glauben. Die ehemalige Sprecherin der Initiative, Christl Voit, appellierte denn auch die Planer: „Die Bauarbeiten sind ein Rieseneingriff in das Ökosystem am Kienbach. Ich bitte Sie inständig: Prüfen Sie bei jedem Baum, ob er nicht doch erhalten werden kann.”

Für Johannes Haas vom WWA ist die Sanierung alternativlos: „Die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit der Mauern am Kienbach sind stark beeinträchtigt. Um auch künftig einen schadlosen Hochwasserabfluss sicherzustellen und zum Schutz der teilweise direkt auf oder hinter den Mauern befindlichen Gebäuden sind deshalb zwingend Sanierungsmaßnahmen erforderlich.” Die Gemäuer hängen teilweise in der Luft, weil sie der Bach unterspült habe. Dass aus dem Kienbächlein auch ein aggressiver Fluss werden kann, hätten Hochwasser im Juli 1885, im Juni 1942, in den Fünfzigern, Sechzigern und im Mai 1999 gezeigt. Eine Anwohnerin meinte sogar, dass ihr das schnelle Ansteigen des Wasserspiegels nach heftigen Regenfällen Sorge mache. Das, so Haas, hänge mit dem steilen Gelände im Kienbachtal zusammen.

Sorgen bereiten den Anliegern aber nicht nur die Wasserpegel, sondern auch die umfangreichen Bauarbeiten: Die Arbeiten werden vermutlich in 3 Jahren beginnen und sich dann über die nächsten 10 Jahre hinziehen. Die Sektionen werden in der Reihenfolge, die im Artikel unter der Grafik beschrieben sind, abgearbeitet:

Die Bauabschnitte bei der Kienbach-Sanierung. Die Reihenfolge der Arbeiten ist im Artikel aufgeführt. Plan: Wasserwirtschaftsamt Weilheim

• BA6a: Ufermauern an der Kienbachstraße werden erneuert. Sie sind akut einsturzgefährdet

• BA1: Standsicherheit Böschungssicherheit Andechser Straße 24 ist nicht gegeben. Die Arbeiten werden zusammen mit dem Bauabschnitt BA2 gemacht

• BA3: Die Uferrwand an der Andechser Straße ist massiv unterspült, die Uferwände sind marode

• BA2: Hier gibt es hydralische Defizite (gemeint ist die Störung des Wasserflusses)

• BA5: Zwischen Mühlfelder und dem Bruckerl sind Ufersanierungen fällig

• BA4: Zwischen Andechser und Mühlfelder sind nur Geländeerhöhungen vorgesehen

• BA7: Zwischen Madeleine-Ruoff-Straße und Mündung muss wahrscheinlich nichts saniert werden.

In den Bauabschnitten wird das Wasser abgeschottet und in dicken Rohren aufgefangen. Am Ende des Bauabschnitts fließt das Wasser wieder ins Flussbett. Fische und Krebse werden vorher eingefangen und umgesiedelt.

In den Fragen klang dann auch immer wieder der Zielkonflikt an: Schöne Mauer und Grundstücksabgabe oder unversehrter Garten und Betonmauer? Je flacher der Mauerwinkel, desto eher kommen Wasserbausteine in Schroppenlage in Frage, je steiler die Ufermauer, desto eher schauen die Anwohner auf nackten Beton. Bei flacheren Uferbefestigungen müssten einzelne Grundstücksbesitzer ein paar Quadratmeter Boden abgeben. Ein Anlieger fragte deshalb lauernd, ob die Entschädigung zum Marktpreis des Grundes erfolge. Da musste dann Haas Wasser in die Hoffnung gießen: So etwas wird im Zuge einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch geregelt. Da aber der Staat die Rechnung zahlt, gehen Anlieger davon aus, dass die Planer eine preiswerte, Grundstücks-schonende Beton-Variante wählen.

Dass unter Herrschings Bürgerinnen und Bürgern viele wehrhafte Baumfreunde sind, wissen die Planer in Weilheim schon länger. Die Anliegerin Christl Voit: „Die Bäume am Kienbach sind fürs Mikroklima am Bach sehr wichtig.” Sprich: Irgendwelche Ersatzpflanzungen auf der grünen Wiese in Frieding helfen dem Klima in Herrsching nichts. Außerdem, so klagte die Anliegerin Karin Casaretto, biete ein baumfreier Bachlauf dem rauen Westwind den perfekten Durchzug. Nach dem Fällen von 5 gesunden Bäumen an der Fischergasse spüre man die neue Windschneise deutlich.

Dafür haben künftig die Fische freie Fahrt von der Mündung bis zur Mühlfelder Straße. Die sogenannten Abstürze (Stromschnellen) werden zurückgebaut, das Bachbett wird durch kleine, fischfreundliche Treppen strukturiert. Beim großen Absturz an der Mühlfelder Straße verhindert zudem eine Krebssperre, dass der invasive Kamberkrebs flussaufwärts krabbelt und die Krebspest im Kiental verbreitet.

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