„Schafft die Fahrradstreifen ab”

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Fahrradbiotop oder Fahrradtod? In der Bürgerversammlung schimpfte ein Herrschinger Senior heftig über die neuen Fahrradschutzstreifen in Herrsching. Er stellte sogar den Antrag, die aufgemalten Zweiradzonen wieder abzuschaffen. Begründung: Die Autofahrer fahren seither viel zu dicht an den Radfahrern vorbei. Der Antrag wurde in der Bürgerversammlung abgelehnt.

„Das ist kein Schutz, das ist das Gegenteil”, wetterte der nach eigenen Angaben 85-jährige Herrschinger über die Fahrradschutzstreifen. Die Autofahrer würden inzwischen so knapp an den Radlern vorbeifahren, dass es schwer sei, auf dem schmalen Streifen die Spur zu halten. Wenn ein Lastwagen an den Radfahrern vorbeidonnere, werde der Radler durch den Fahrtwind erheblich gefährdet. Er stellte den formellen Antrag, die Schutzstreifen wieder abzuschaffen.

Der Bürgermeister wies in seiner Entgegnung daraufhin, dass wegen der Fahrradschutzstreifen die durchschnittliche Geschwindigkeit des Autoverkehrs sinke. Nach den Erfahrungen des Bürgers allerdings ist das nicht der Fall.

Der grüne Gemeinderat Gerd Mulert hatte sich in einer Bauausschuss-Sitzung ausdrücklich für die Schutzstreifen bedankt, auf denen er sich nun sehr viel sicherer fühle.

Der Bürger stellte nun den offiziellen Antrag, die Fahrradstreifen wieder abzuschaffen. Dieser Antrag wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Daraufhin der Antragsteller: „Gut, dann fahre ich weiter auf dem Gehweg.”

Die Schutzstreifen, das vergass der Streifen-Gegner zu erwähnen, bieten seit 2020 freie Fahrt für die Radler: „Auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr darf nicht gehalten werden”, bestimmt die StVO. Das gilt nach dem Gesetz auch fürs Be- und Entladen. So wird verhindert, dass Radfahrer gefährliche Schlenker um parkende Pkw fahren müssen.

Der Herrschinger Polizeichef Winfried Naßl verwies in seinem Statemennt „auf das Fehlverhalten einzelner Autofahrer, die den von der StVO geforderten Mindestabstand von 1,5 Metern nicht einhalten”. Da sei die Polizei gefordert, dieses Abstandsgebot zu kontrollieren.

Die 2 Schutzstreifen auf der Rieder Straße engen die Autofahrspuren allerdings so stark ein, dass Autos im Begegnungsverkehr mit Lastwagen und Omnibussen auf die Schutzstreifen ausweichen müssen. Anlage 3 der StVO sagt übrigens: „Wer ein Fahrzeug führt, darf auf der Fahrbahn durch Leitlinien markierte Schutzstreifen für den Radverkehr nur bei Bedarf überfahren. Der Radverkehr darf dabei nicht gefährdet werden.” Als Bedarf darf wohl gelten, eine Kollision mit dem entgegenkommenden Verkehr zu vermeiden. Die Breite der Schutzstreifen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben

5 Comments

  1. Meiner Ansicht nach haben die Schutzstreifen hauptsächlich die Funktion, die Autofahrer darauf aufmerksam zu machen, dass auf der betreffenden Straße möglicherweise auch Fahrradfahrer anzutreffen sind und diese in Konfliktsituationen sogar im Recht sind, falls ihnen ein motorisiertes Fahrzeug zu nahe kommt.
    Einen sicheren Schutz können die markierten Flächen bei den relativ engen Straßenverhältnissen leider nicht bieten. Ohne Schutzstreifen kann man aber erst recht in brenzlige Situationen kommen.
    Noch wirkungsvoller wäre der Schutz für Radler, wenn die Begrenzung auf 30 Stundenkilometer für alle innerörtlichen Straßen gelten würde. Auch als Fußgänger könnte man sich damit sicherer fühlen. Was in Inning und Weßling möglich war, scheint aber in Herrsching nicht durchsetzbar zu sein – jedenfalls vorläufig.

    • P.S.
      Aus der SZ von morgen:

      Tutzing tritt Tempo-30-Bündnis bei

      Die Gemeinde schließt sich einer bundesweiten Initiative an, die mehr Entscheidungsbefugnisse für die Kommunen beim Erlass von Geschwindigkeitsbegrenzungen im Ort fordert.

      Fände ich für Herrsching auch gut.

  2. Ich habe das Gefühl, dass hier mal wieder ein Gegeneinander statt einem Miteinander ausgetragen wird. Warum ist es nicht möglich, dass jeder Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen kann? Jeder appelliert an die Autofahrer, sich an die Regeln zu halten – mit Recht. Aber die Radfahrer sollten dies auch tun. Ich habe es schon erlebt, dass die Radler nebeneinander fahren und die Breite des Radlstreifens bis zum letzten Zentimeter ausreizen. Muss das sein? Überholen in der geschlossen Ortschaft ist verboten- und das gilt auch für Fahrradfahrer. Mir ist passiert, dass ein Radfahrer seinen Vordermann überholt hat und dafür auf den “Autobereich” ausgewichen ist – ohne auch nur einmal nach hinten zu schauen. Muss das sein? Ich finde dieses Gegeneinander sehr schade.

  3. Ich begrüße es sehr, dass die Gemeinde die Vorgaben wie Fahrradschutzmarkierungen, Parkzonen und Tempo 30 für ein sicheres Miteinander aller Bürger umsetzt.
    Als Breitbrunner, der mit dem Rad oft die Riederstraße am Herrschinger Ortseingang benutzt fühle ich mich deutlich sicherer mit dem neuen Fahrradschutzstreifen. Die gegenseitige Rücksichtnahme (fast) Aller, Lenkern von PKW, Bus, Schwerlaster hat sich eindeutig verbessert.
    Die pauschale Aussage “Wenn ein Lastwagen an den Radfahrern vorbeidonnere, werde der Radler durch den Fahrtwind erheblich gefährdet” gehört einfach der Vergangenheit an.
    Das trifft nachwievor eher auf die Verlängerung der Riedertraße, die Staatsstraße nach Breitbrunn zu. Solange kein sicherer Fahrradweg gebaut ist sind Fahrradfahrer den rücksichtlosen motorisierten Fahrzeugen schutzlos ausgeliefert und hochgefährdet.
    Wir brauchen so schnell wie möglich diesen Fahrradweg zwischen Herrsching und Breitbrunn (im Radwegenetzt STA mit höchster Priorität). Es ist ein Skandal, dass dessen Bau mittlerweile schon seit Jahrzehnten an einigen starrköpfigen Grundeigentümern scheitert!

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