40 Jahre – und kein bisschen milde

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Kleiner hätte es nicht sein dürfen – das Sälchen im Schlösschen: Herrschings Kulturchef Heinz Hellerer gingen beim Konzert von Faltsch Wagoni die Stühle aus. So eng wie die (meist grauhaarigen) Zuhörer saßen auch die Pointen des Herrschinger Kabarett-Paares Silvana und Thomas Prosperi. Beim 40. Bühnenjubiläum bekamen Kreuzfahrer, Sprachverhunzer, Liebestrunkene, Architekten und andere Landschaftsschädlinge ihr Fett ab. Das Programm leuchtete in die vergangenen 40 Jahre und war doch aktuell. 3 Zugaben waren nötig, um das Publikum zum Verlassen des Saales zu bewegen.

Die Programmtitel ihres Bühenlebens hießen „Tommy und das mobile Einsatz-Orkester” aus den ganz wilden Achtzigern, „Der letzte Heuler”, „Deutsch ist Dada” als Referenz ans Goethe-Institut, „Ladies first, Männer Förster” als Beitrag zum Geschlechterkampf , „Der Damenwal”, „Liebe macht blond” oder „Balsam der einsamen Herzen”. Mit dem aktuellen Programm raten sie zum „Palast abwerfen”. Und damit ist auch schon die thematische Spannweite der beiden beschrieben.

Silvana Prosperi (61) gibt bei dem Duo die Frontfrau, Thomas (72) ist der Text-Architekt. Bevor ein Lied oder Gedicht ins Programm kommt, muss es das strenge Lektorat von Silvana passieren. Thomas „Tommy” Prosperi fallen mitunter Texte und Pointen im Halbschlaf ein und schaffen es dann tatsächlich über die Aufwach-Phase aufs Papier. Ob sie es ins Programm schaffen, entscheidet dann – Silvana.

Keine Spur von Faltsch war ihr Konjunktiv-Rap, der ein bisschen aus der Zeit gefallen war – wer weiß heute noch, was ein Konjunktiv ist? Das Herrschinger Bildungsbürger-Publikum hat die Hymne an die Möglichkeitsformen (ausweislich des Beifalls) doch verstanden. Auch der Abgesang aufs Internet („Dabei verlieren wir uns Idioten in den Online-Angeboten”) war den Zuhörern offenkundig nicht fremd: „Krötenzaun – load it down” riet Thomas singend.

Silvania und Thomas Prosperi: „Wer hat das Wort geklaut, wer hat das Wort geklaut?”

Die beiden haben auch keine Angst vor Kalauern, obwohl der Zeitgeist Wortverdrehungen nicht mehr sonderlich liebt (vielleicht liegt das auch an der aussterbenden Fantasie). Beim Aufzählen der vergangenen Seuchen fiel Thomas die Kohl-Ära ein – Silvana warf dann ein, dass sie so alt auch nicht seien, um die „Chol-era” miterlebt zu haben. Auch schräge Reime („Sie beißt ihm ein Ohr ab, da geht ihm der Humor ab”) werden goutiert, in schweren Zeiten ist man alles dankbar.

Höchst aktuell der Einwurf, dass manche Worte heute verseucht sind. Inzwischen getraut man sich nicht mehr, das alte Merkel-Wort „Alternative” zu benutzen. Auch das ehemalige Modewort der linken „Basis” ist ein Raub verwirrter Geister geworden, ebenso wie der hundsgewöhnliche „Spaziergang”. Und „quer ist auch nicht mehr/der Zündler von der Feuerwehr.” Sogar die „Zebrastreifen stören, weil Zebras nicht hierher gehören”. Und als Refrain auf die große Sprach-Umdeutung kommt der Reim: „Wer hat das Wort geklaut, wer hat das Wort versaut?”

Auch die Laubbläser werden sprachlich auseinandergenommen. Silvana unter dem Gelächter aller Damen im Publikum: „Ich habe noch keine Frau mit Laubbläser gesehen.” „Der Laubbläser – der Rüssel des Mannes”, hatte Silvana auf herrsching.online schon mal vorbei ihre Meinung zu den Blattverwirblern kundgetan.


Pubilkumslieblinge mit umgekehrten Vorzeichen sind auch die Kreuz-Fahrer. Dazu fiel den beiden eine herrliche Nummer ein. Sie klammern sich an die Reling und rätseln, was da am Horizont für eine Insel auftaucht. Elba? Ischia? Du meinst Ischias? (Nette Anspielung auf das Alter des kreuzgeplagten Kreuzfahrers). Nein, es ist ein Flüchtlingsboot, das nach Ansicht der Frau des Passagier-Paares sofort gerettet werden muss – vom Ehemann. Doch der hält eine Rettung für unsinnig: „Unser Schiff fährt doch in die Türkei, und die kommen genau daher. Und da wollen die mit Sicherheit nicht mehr zurück.”

Wer’s über die Pointe noch nicht kapiert hat, dem sagt es Silvana Prosperi dann noch ganz unpointiert: „Kein Mensch verlässt seine Heimat freiwillig.”

Nachtrag: Wer für den Samstag im Kurparkschlösschen keine Karte ergattert hatte, kann sich „Palast abwerfen” am 29., 30. und 31. Dezember in der Pasinger Fabrik reinziehen.

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