Vier für die Natur: Der international erfahrene Landschaftsarchitekt Prof. Andreas Kipar (2. von links) mit den Sprechern von Pro Natur Norbert Wittmann, Konrad Herz und Christine Voit

Professor rät: Abreißen, aufreißen

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Viele Pläne für Landschaftsgestaltungen scheitern nicht deshalb, weil sie zu groß und zu teuer, sondern weil sie zu klein und zu billig sind. Mit dieser Botschaft überraschte der Landschaftsarchitekt und Städteplaner Professor Andreas Kipar seine Zuhörer beim ersten Schlossgespräch der Gruppierung Pro Natur. Und wem das zu unkonkret war, der lernte zwei Handlungsanweisungen: Abreißen und aufreißen. Störende Funktionsgebäude in der Landschaft müssen abgerissen, Bachläufe mit Betonkorsetten müssen aufgerissen werden. Eingeladen hatte die Bürgerinitiative Pro Natur zum Vortrag des renommierten Landschaftsplaners. Kipar machte den vernehmlich grünorientierten Zuhörern Mut zur Mitgestaltung Herrschings. Denn Grün, so der international tätige Architekt, sei keine Farbe, sondern eine Haltung. Konrad Herz, einer der drei Sprecher von Pro Natur (er hatte Professor Kipar den Ausflug nach Herrsching schmackhaft gemacht) schloss die Veranstaltung mit der Gewissheit, dass grünes Denken wieder eine wissenschaftliche Bestätigung gefunden hat.

Professor Kipar, der das Planungsbüro LAND (Landscape, Architecture, Nature, Development) mit 120 Angestellten leitet, offenbarte in seinem fulminanten Vortrag etwas leicht Missionarisches: Er erzählte von zwei Frauen aus der Gemeinde Algund bei Meran, die den Meister bekniet hatten, doch einmal im 5000-Seelen-Dorf vorbeizukommen. Und der Meister kam vorbei, ging mit dem Bürgermeister durch die Gemeinde und öffnete ihm die Augen. Die Erzählung erinnerte stark an Bibel-Episoden. „Die Bürgermeister erleben bei solchen Ortsbegehungen mitunter Wunder, weil sie plötzlich Dinge sehen, die sie vorher gar nicht wahrgenommen haben”, erzählte Kipar – ganz biblischer Tradition.

Dann führte er seine Zuhörer durch den modernen Landschaftsbegriff. „Landschaft ist nicht mehr das Schöne außerhalb unserer Städte”, dozierte der Professor, „Landschaften sind auch unsere Städte.” Die Städte müsse man so grün machen, dass die Leute „nicht mehr jeden Monat nach Mallorca fliegen wollen”. Kipar führte viele Beispiele aus Metropolen wie Mailand, prominenten Landstrichen wie Gardasee und Luganer See, Touristik-Gemeinden wie Algund und ganz profanen, unpektakulären Wohnsiedlungen in NRW an, die unter Übertourismus, eingezwängten Grüngürteln und zu Tode regulierten Bächen und Flüssen leiden.

Ein Zuhörer nahm das Thema gerne auf und führte den Kienbach als Gewässer an, das die amtlichen Planer mit neuen Betonufern beglücken wollen. Die neue, durch Kipar genährte Hoffnung: Eine engagierte Bürgerschaft verhindert solche Rezepte aus der Beton-Mischmaschine. Rückbau ist nämlich möglich, wenn die Politik nur will. Ein Beispiel: Im Tessiner Dorf Airolo, das durch das Südportal des Gotthard-Straßentunnels eingeschnürt wurde, baute das LAND-Büro von Kipar Verkehrsflächen zurück und schuf einen neuen, grünen Gürtel.

Das könnte eine Steilvorlage für die Herrschinger Politik sein, den Kienbach nicht mit Betonwänden einzumauern, sondern mit natürlichen Ufern zu beglücken.

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3 Comments

  1. Es klang fastä wie ein Märchen. Dass Beton wieder verschwinden und Natur zurückkehren kann. Oder sogar wieder neu erschaffen wird. So konnten wir staunend und begeistert hören, dass dies möglich und vieler Orts auf der Welt bereits Realität ist. Das macht Mut und gibt Hoffnung in dieser Richtung auch in Herrsching weiter akttiv zu bleiben!

  2. Ein sehr gelungener Vortrag und vielen Dank an die Veranstalter. Ich bin froh, dass ich mir die Zeit am Samstag genommen habe und zuhören konnte. Ich werde sicher mit neuer Wahrnehmung in Herrsching spazieren gehen. Heidi Körner,
    1. Vorstand,
    Verein für Gartenbauverein und Landschaftspflege

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