Der Biologe Matthias Galm sucht in einem Wassergraben von Lochschwab nach Mückenlarven (links). In der Mitte der Vereinsvorsitzende Mückenplage nein Danke, Rainer Jünger und der Lochschwaber Anwohner Harry Straßer neben Bürgermeister Schiller

Mückengegner werfen Schiller „Halbwissen“ vor

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Beim Boxen würde man es Infight nennen: Bürgermeister Christian Schiller und der Verein „Mückenplage nein Danke“ gerieten mitten im Herz der Herrschinger Steckmücken-Heimat aneinander. Ein Lochschwaber Anwohner warf ihm „Halbwissen“ vor, und Schiller konterte mit dem Hinweis auf die Oberste Naturschutzbehörde: „Mückenbekämpfung im Naturschutzgebiet würden die Behörden  niemals genehmigen.“ Vom Gemeinderat hat sich bei der Mücken-Pflücken-Konferenz niemand sehen lassen, Schiller stand allein im Mückensturm.

Mücken-Monitoring: Vereinschef Jünger (links) und Biologe Galm

Der Ort für die Open-Air-Tortur war gut gewählt: Der Weg von der Rieder Straße  zur Seepromenade ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Hier treffen sich nicht nur Fuchs und Has, sondern auch Millionen Mücken in den Tümpeln und Wassergräben. Wenn man einen Namen dafür bräuchte –  Mückonos wäre angemessen. In diesem  Feuchtgebiet wollten die Mitglieder des Vereins „Mückenplage nein Danke“ Bürgermeister Schiller überzeugen, dass Herrsching gegen  Lochschwabs Bürgerfeinde Nummer eins, die Stechmücken, ankämpfen müsse.

Der Lochschwaber Unternehmensberater Harry Straßer eröffnete das Mosquito-Meeting mit dem Hinweis, dass die Bürger in Lochschwab auch in Mücken-intensiven Wochen gerne mal vor die Terrassentür gehen würden. Er forderte deshalb eine „Kartierung“ der Mückenlarven, das ist so etwas wie eine Inventur der Plagegeister. Der Verein sammle inzwischen Spenden, um die Kartierung notfalls aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Diese Kartierung macht seit vielen Jahren der Biologe Matthias Galm (58, siehe dazu auch das Interview „Mückenbekämpfung ohne biologischen Kolateralschaden“ auf der Startseite von herrsching.online). Der Mücken-Experte aus Bad Tölz arbeitet seit 30 Jahren in den Mücken-Hotspots am Rhein, an der Donau und am Chiemsee: „Wenn eine Gemeinde sagt, sie habe Stechmückenprobleme, dann machen wir eine Kartierung, die als Grundlage für eine Genehmigung von Bekämpfungsmaßnahmen dient. Wir rücken dann bei Stechmückenplagen aus und bekämpfen sie.“

Bürger-Diskussion mit dem Bürgermeister: Apothekerin Anja Orttmann-Heuser berichtet von 160 Stichen, die Kinder in der Mückenplage des letzten Jahres erleiden mussten.

Die Lochschwaber Mücken störten sich nicht daran, dass die Pressekonferenz in der Mittagszeit stattfand: Mückenfreunde und -feinde klatschten sich unablässig auf Arme, Gesicht und Hände und zeigten dem Bürgermeister: Hier könnte Handlungsbedarf bestehen. Es handelt sich in diesem Gebiet offensichtlich um Intensivtäter.

Rainer Jünger, Chef des „Vereins Mückenplage nein Danke“, ging in seinem Statement auf die überörtliche Bedeutung der „Populationskontrolle“ ein. In Eching beispielsweise sei ein 4000 Quadratmeter großes Gelände durch Baumaschinen so verdichtet worden, dass dort Pfützenlandschaften entstanden seien. Jünger: „Wir müssen die Ursachen der Mückenplage wissenschaftlich dokumentieren – es gibt leider viel Halbwissen.“

Eine Kartierung sei dann die Grundlage, um eventuell das biologisch abbaubare BTI (Bacillus thuringiensis israelensis) einsetzen zu können. Das Bakterium produziert während der Sporenbildung Kristallproteine. Wenn BTI von den Mückenlarven aufgenommen wird, führt BTI zur Auflösung der Darmwand und schließlich zum Tod der Larven. Ob es dabei biologische Kolateralschäden, zum Beispiel bei nicht stechenden Zuckmücken gibt, ist umstritten.  Galm jedenfalls verneint jeden Einfluss auf andere Arten in den Biotopen.

Der Jünger-Verein ist in seinem Ton eher moderat – aggressive Töne wie bei Querdenkern vermeiden die  Mücken-Monitoring-Aktivisten. Jünger: „Ein paar Punkte sind bei einem BTI-Einsatz dringend zu beachten, und die möchte ich auch klar benennen, denn sie sind offener Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussionen: Erstens: Die Reduzierung der Biomasse (Nahrungsangebot für Fledermäuse Spinnen und andere Insekten), deshalb sollte man auch in Plage-Jahren versuchen, die Population nicht zu sehr zu dämpfen. Und zweitens muss man unbedingt darauf achten, dass man Zuckmücken nicht schädigt.“

Klingt nicht nach Mücken-Vernichtungs-Strategie. Trotzdem mahnte Jünger wie auch sein Vereinsfreund Straßer „eine Fürsorgepflicht der Gemeinde gegenüber den betroffenen Bürgern“ an. Und Straßer aggressiver: „Notfalls können wir das Thema ‚körperliche Unversehrtheit‘ nach vorne argumentieren.“

Adressat dieser Forderungen war Bürgermeister Schiller, der gleich mal klarstellte: „BTI ist für die Naturschutzbehörden kein Thema.“ Dass es hier in Lochschwab Mücken gebe, dürfe keinen ernsthaft überraschen, meinte er in seiner kurzen, immer wieder durch Bürger-Einwände unterbrochenen Rede.

Könnte keine tiefe Freundschaft werden: Vereinsaktivist Straßer, Schiller: „Halbwissen“ warf Straßer dem Bürgermeister vor

Schiller hob in seinem Statement hervor, dass es überhaupt keinen Grenzwert für Mücken gebe, erntete dafür aber heftigen Widerspruch. Vereinsmitglieder brachten den Wert von 50 Larven in einer 250 Milliliter-Schöpfkelle ins Spiel. Einigkeit wurde in diesem Punkte nicht erzielt.

Mücken-Bekämpfer Straßer warf Schiller deshalb auch „Halbwissen“ vor, was der Bürgermeister mit erstaunlicher Contenance zur Kenntnis nahm. Trotzdem wurde die Stimmung dann mitten im Sommer leicht frostig.

Man trennte sich ohne weitere Verabredung. Ob die Mücken-Initiative noch einmal im Gemeinderat behandelt wird, ist offener denn je.  Schiller outete sich in seiner Rede als begehrtes Objekt von Stechmücken. „Wenn es irgendwo eine Mücke gibt, sucht sie mich.“ Aber auch der persönliche Leidensdruck machte ihn für die Mückenbekämpfung nicht empfänglicher.

Die Echinger Bürgerin Daiana Zimmermann: „Meine Kinder hatten allergische Reaktionen nach Mückenstichen. Ich wurde gefragt, ob die Kinder einen Ausschlag haben.“ Der Echinger Kindergarten schloss während der größten Mückenplage für eine Woche, weil sich die Kinder nicht mehr ins Freie trauten.

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  1. Nachdem sich bisher nur die Gegner einer Populationskontrolle aus dem Gemeinderat geäußert haben, möchte ich den besonders betroffenen Bürgern aus Lochschwab, anderen Ortsteilen aber auch unseren geschätzten Gästen versichern, dass die Initiative in mir einen ausgesprochenen Befürworter hat. Meine Familie und vor allem unsere 2019 geborene Tochter erfahre es am eigenen Leib, dass die Mückenplage jedes Jahr (2021 ist eine Ausnahme) spürbar zunimmt und auch Ortsteile und Gastronomieaussenbetriebe beeinträchtigt, die bisher verschont waren. Ich begrüße den Vorstoß der Bürger, dem Problem mit wissenschaftlichen Methoden auf den Grund zu gehen. Des Weiteren brauchen wir ein grundlegendes Verständnis unseres lokalen spezifischen Ökosystems. Ich höre zu viele Gegenargumente á la „Aber DIE Fische und DIE Vögel sind auf DIE Mücken als Nahrung angewiesen.“ oder „Wir müssen aber was gegen DAS Artensterben tun“. Wenn man sich die Nahrungsketten und Gesamtpopulationen anschaut und die Erfahrungen anderer Regionen und Länder mit Populationskontrolle genau ansieht, kann man auch zu der Erkenntnis kommen, das man die Lästlinge (auch bekannt als gemeine Überschwemmungsmücke) erfolgreich im Zaum halten kann ohne ein weiteres Artensterben auszulösen oder andere Lebewesen in ihrem Habitat zu beeinträchtigen. Dabei geht es nicht um den pauschalen Einsatz von Bioziden, sondern um die gezielte Eindämmung außergewöhnlich starker Belastungen der Menschen durch Mückenstiche. Diese können sich entzünden oder zu Krankheiten führen. Die Tatsache, dass die Gruppe um Bürgermeister Schiller bereits zur Mittagszeit attackiert wurde, kann ein Hinweis darauf sein, dass wir es bereits mit invasiven Arten zu tun haben könnten. Dies herauszufinden und einzudämmen ist legitim und sollte auf Dauer nicht nur die Aufgabe der Betroffenen sein, sondern durch Herrsching und andere Gemeimden am Ammersee unterstützt werden. Wir fordern Solidarität in so vielen anderen Bereichen. Warum nehmen wir dann diese Bürger und ihre massiven Einschränkungen nicht ernst?

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