Der Biologe und Mückenexperte Matthias Galm will auch Herrsching von Mücken befreien

Mückenbekämpfung ohne biologischen Kolateralschaden?

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Sie lieben, was wir hassen: Überschwemmungen, Feuchtgebiete, Pfützen – und Blutsaugen: Stechmücken sind der Preis dafür, nah am See zu wohnen. Diesen Preis wollen viele Seeanrainer nicht mehr zahlen. Die Initiative „Mückenplage – Nein, danke!“ fordert aktive Maßnahmen gegen die Plagegeister. Am nächsten Samstag erläutert Vereinschef Rainer Jünger dem Herrschinger Bürgermeister und einigen Gemeinderäten seinen Plan zur Mücken-Dezimierung. Dabei ist auch der Biologe Matthias Galm (58), der an der Donau, am Ammersee, nördlich von Frankfurt und am Chiemsee mit dem biologisch unschädlichen Mittel BTI die Mückenplage bekämpft. Bei herrsching.online war er schon am Mikrofon.

Stechmücken brüten in Überschwemmungsgebieten. Der Ammersee ist zur Zeit eine große „Kinderstube“ für die Plagegeister

herrsching.online: Sind Sie der Schrecken aller Stechmücken? Oder seriöser gefragt, was machen Sie genau?

Galm: Wenn eine Gemeinde sagt, sie habe ein Stechmückenprobleme, dann machen wir eine Kartierung, die als Grundlage für eine Genehmigung von Bekämpfungsmaßnahmen dient. Wir rücken dann bei Stechmückenplagen aus und bekämpfen sie.

herrsching.online: Nun war dieser Sommer entgegen den Prognosen relativ Stechmücken-arm. Worauf führen Sie das zurück?

Galm: Das sieht in anderen Gebieten Deutschlands ganz anders aus. Am Rhein ist uns das Bekämpfungsmaterial fast ausgegangen, und an der Donau schwappt eine Welle nach der anderen herein. Es ist also eher ein extremes Jahr.

herrsching.online: Was brauchen die Mücken, um sich zu vermehren?

Galm: Wärme und temporäre Gewässer, also Überflutungsflächen. Die Mücken haben da schon vor Jahren ihre Eier abgelegt. Wenn diese Flächen überschwemmt werden, schlüpfen viele, nicht alle Mücken, aus den Eiern. Dann kommt es zu Massenvermehrungen. Irgendwann wird es den Mücken in den Auwäldern zu eng. Sie schwärmen aus und suchen sich ihre Opfer außerhalb der Wälder. Sie werden vom Wind verdriftet und breiten sich dann ein paar Kilometer pro Tag oder Nacht entfernt von ihrer Brutstätte aus.

herrsching.online: Über welche Mückenart reden wir da?

Galm: Das Hauptproblem ist die Überschwemmungsmücke. Die anderen Mücken, die sich jeder in der Regentonne oder im kleinen Gartenteich selber züchtet, bereiten die kleineren Probleme. Die kann jeder selber bekämpfen, in dem er die Tipps der Experten umsetzt.

herrsching.online: Wann schwärmen diese Überschwemmungsmücken aus?

Noch gibt es keine Mückenplage. Wenn die Eier in den Feuchtgebieten aber Tausende von Mücken entlassen, wird diese Bank am Ammersee zur Insel „Mückonos“

Galm: Diese Mücken sind dämmerungsaktiv, sie schwärmen in der Morgen- und Abenddämmerung aus. Aber auch tagsüber kann man die Mücken aktivieren, wenn man beispielsweise durch eine Wiese geht und sie aufschreckt.

herrsching.online: In der prallen Sonne fühlen sie sich aber nicht wohl?

Galm: Nur die zugewanderten Arten wie die Tigermücke, die sich zum Beispiel entlang der Autobahn in Baden-Württemberg ausgebreitet hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Art auch in Bayern stark verbreitet.

herrsching.online: Wie bekämpft man die Mücken denn ohne ökologische Kolateralschäden? Wir kennen aus vielen Veröffentlichungen das BTI mit dem schönen lateinischen Namen Bacillus thuringiensis israelensis.

Galm: Wenn dieses Mittel richtig angewendet wird, also nicht überdosiert wird,  schädigt es keine anderen Organismen. Man könnte das Mittel sogar essen. Klar, es sollte nicht in offene Wunden geraten. Bei richtiger Anwendung gibt es keine Gefährdungen.

herrsching.online: Und das baut sich im Boden selbst ab?

Galm. Ja, aber das ist zugleich auch das Problem. Wenn eine zweite Überschwemmungswelle kommt, ist das BTI schon wieder abgebaut, während die chemischen Mittel ein halbes Jahr lang wirken. Aber solche Mittel verursachen mehr Schaden als Nutzen. Deshalb plädiere ich für BTI.

herrsching.online: Warum, glauben Sie, sind viele Gemeinden sehr zurückhaltend beim Einsatz von BTI? Herrsching gehört da ja auch nicht zu den Pionieren.

Galm: Das ist eine Frage des Informationsstandes. Wir hatten ja schon einmal eine Diskussion im Gemeinderat. Dort hatten sich Gemeinderäte gegen eine Bekämpfung ausgesprochen.

herrsching.online: Würde eine BTI-Bekämpfung die Bio-Diversität schädigen oder gar den Vögeln Insektenfutter wegnehmen?

Galm:  Die Stechmücken sind ja nur in einer bestimmten Jahresperiode vorhanden. Und in trockenen Jahren gibt es überhaupt keine Mücken. In diesen Jahren verhungern die Vögel und Fledermäuse ja auch nicht.  Der Vogelschutz ist deshalb ein schwaches Argument.  Wenn weniger Mücken schlüpfen, geht das Leben ja trotzdem weiter. 

herrsching.online: Ihre eigentliche Aufgabe ist die Kartierung der Brutgebiete?

Galm: Die Kartierung ist nur die Vorarbeit dafür, dass die Behörde eine Genehmigungsgrundlage hat. Wenn wie zur Zeit die Donau Hochwasser führt, schauen wir uns an, welche Flächen überflutet sind und in welchen überfluteten Bereichen Mücken aufkommen. Unsere Karten reichen wir dann ein. Wir vergleichen die Karten mit relevanten, schon erfassten Arten. Wenn da zum Beispiel ein besonderer Vogel brütet, würden wir bei den Bekämpfungsmaßnahmen nicht mit dem Hubschrauber drüber fliegen – es gibt Tabuzonen, die naturschutzfachliche Hotspots sind. Die Karten sind wie gesagt die Grundlagen für die Genehmigung.

herrsching.online: Was würde denn eine Mückenbekämpfung für Herrsching kosten?

Galm: Zuerst müssen wir wissen, ob die Mücken aus dem Herrschinger Gemeindegebiet kommen oder aus anderen Gemeinden „einwandern“. Welcher Aufwand dann notwendig ist, kann man deshalb nur grob schätzen.

herrsching.online: Würde eine Kartierung nur Sinn machen, wenn sich alle Ammerseegemeinden kartieren ließen?

Galm: An der Donau hat eine Gemeinde mit der Kartierung begonnen, und nun haben 5 weitere Gemeinden auch Interesse. Das ist auch eine Frage der Solidarität, dass eine betroffene Nachbargemeinde auch mitmacht.

herrsching.online: Wenn eine Gemeinde in die aktive Bekämpfung eintritt, flüchten die Mücken dann in benachbarte Gebiete, weil sie dort in Ruhe gelassen werden?

Galm: Da gibt es schon eine Populationsdynamik. Wenn die merken, dass ihr Gebiet überfüllt ist und sich nebenan mehr Platz bietet, weil dort bekämpft wurde, dann fliegen die natürlich dahin.  

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