Hier entsteht das neue Kinderhaus für 144 Kinder

Grüne und BGH für Holzbau-Kita, CSU und SPD für Stahlbeton

8 mins read

Ökologie gegen Stahlbeton, innovative Mobilität gegen Autowahn: In einer Richtungsentscheidung hat der Herrschinger Gemeinderat gestern abend die  Holzbauweise für das neue Kinderhaus am Fendlbach beschlossen. CSU und SPD wollten eine Tiefgarage in den morastigen Untergrund bauen, sind aber am Widerstand von  Grünen, BGH und Teilen der FDP-Fraktion gescheitert. 

Eigentlich war längst beschlossen, dass das neue Kinderhaus zwischen Polizei und Lagom-Siedlung in ökologischer Holzbauweise errichtet wird. Dann aber kamen die „Systemsprenger” Autostellplätze ins Spiel. Die Vorsitzende des Kinderhauses Kunterbunt, Dr. Sarah Ertl, gab im Gemeinderat zu bedenken, dass die 14 geplanten Autostellplätze nicht ausreichen, um den  Bring- und Hol-Verkehr zu bewältigen. 10 weitere Stellplätze wären ihrer Meinung nach notwendig. 

Dieser Wunsch hätte beinahe den schönen Holz-Weg der Gilchinger Architekten Füllemann verbaut. 24 Stellplätze ebenerdig bedeuten: Weniger Spielplatz für die 144 Kinder. Oder alternativ: eine Tiefgarage. 

Eine unterirdische  Autoverwahrung aber hätte tiefgreifende Folgen für den ganzen Bau. Weil das Grundwasser auf dem Grundstück hoch steht, „schwimmt” die Stahl-Beton-Wanne förmlich. Sie müsste nicht nur wasserdicht sein, sondern auch massiv beschwert werden. Dafür aber reicht das Gewicht einer Holzbauweise nicht aus, warnte Statiker Wolfgang Finger im Gemeinderat. 

Frontansicht des neuen Kinderhauses. Plan: Architekten Füllemann

Der Gemeinderat hatte also die Wahl: eine üppige Tiefgarage und drüber ein Stahlbeton-Haus der konventionellen Machart mit miserabler Energiebilanz. Dazu Mehrausgaben von einer Million Euro. 

Oder ein energiesparendes Holzhaus mit etwas weniger Spielfläche und deutlich geringeren Baukosten. 

Architekt Achim Füllemann ließ in seinen anschaulichen Grafiken keinen Zweifel daran aufkommen, welcher Lösung seine Sympathie gilt. Eine Stahl-Beton-Bauweise würde 

572 282 kgCO2/Äquivalent

mehr in die Atmosphäre blasen. Er hat das gleich noch anschaulich in Baum-Speicher umgerechnet: Man bräuchte für diesen höheren CO2-Ausstoß 

den Baum-Speicherplatz von 31 793 Fichten (pro Jahr),

um das Gas zu binden. Der alte Satz: Architekt will Kubatur, stimmt also nicht immer. 

Nach diesem Ausflug in die Ökologie begann die Redeschlacht im Gemeinderat. Grünen-Gemeinderat Gerd Mulert setzte gleich die Akzente: „Können wir uns das heute noch leisten, soviel Beton zu verbauen?” Dann bot er kreative Ideen, um das Stellplatz-Problem zu lösen: 6 weitere Stellplätze seien genug, und wenn das nicht reiche, könne man ja in der Lagom-Siedlung weitere Parkplätze kaufen oder anmieten. Außerdem könnten Eltern kurz bei der Polizei oder im Rauscher Fußweg parken. Mulerts Fazit in 6 Wörtern: „Eine Tiefgarage kommt nicht in Frage.” 

CSU-Gemeinderat Michael Bischeltsrieder machte eine andere Rechnung auf: „Von Privatleuten verlangen wir Stellplätze, dann sollten auch wir von der Gemeinde mit gutem Beispiel vorangehen.” Er regte als Kompromiss im Beton-Streit eine Hybridbauweise aus Beton und Holz an. SPD-Gemeinderat Hans-Hermann Weinen fragte nach alternativen Verkehrsmitteln zum Kinderhaus wie Bustransfers statt Individualverkehr. „Wäre sinnvoll”, kommentierte Bürgermeister Schiller. 

Die betonharte Tiefgaragen-Fraktion aber führte SPD-Gemeinderat Wolfgang Schneider an: „Ich bin klar für die Tiefgarage.” Man könne auch ohne Holz ökologisch bauen. Wie, verriet er aber nicht. „Stellplätze sind das A und O. Wenn man Autos oberirdisch abstellt, geht das zu Lasten der Kinder.” 

FDP- Gemeinderat Alexander Keim widersprach: „Eine Million Euro für eine Tiefgarage ist viel Geld.” Er plädierte für alternative Mobilitätskonzepte. 

CSU-Gemeinderat Thomas Bader gab zu bedenken, dass man neben Autostellplätzen dringend auch Keller und Abstellmöglichkeiten brauche. Das sei eine Lehre aus dem Breitbrunner –kellerlosen – Haus des Kindes. 

Grünen-Fraktionsvorsitzende Anke Rasmussen warf ein, dass „immer weniger Auto gefahren wird”. Sie plädierte für mehr Stellplätze oberirdisch. „Und wenn man die dann nicht mehr braucht, weil sich alternative Verkehrsmittel durchsetzen, kann man die Autostellplätze wieder den Kindern zurückgeben.”  

Mit dem Statement von BGH-Gemeinderat Rainer Guggenberger formierte sich dann eine klare Anti-Betonfraktion. 

Es knisterte fast in der Martinshalle, als Bürgermeister zur Abstimmung bat. 

Das Ergebnis war überraschend klar: Die Grünen, die Bürgergemeinschaft Herrsching und Teile der FDP stimmten gegen die Tiefgarage, CSU und SPD wollten die Autowanne und damit auch eine Stahlbeton-Bauweise. Übrigens stimmte Bürgermeister Schiller ebenfalls gegen die Tiefgarage und damit für die Ökologie

Öko und Holz hatten mit 13 zu 11 gesiegt. Ein denkwürdiger Tag in Herrsching.

Lageplan des Kinderhauses in der Nähe der Rieder Straße neben der Polizei (rechts)

Die Beton-Fraktion

Ein Kommentar von Gerd Kloos

Es genügt nicht, Bäume zu umarmen, um ein Klimaschützer zu werden. Und es reicht auch nicht, das Klimaurteil aus Karlsruhe zu bejubeln, um „Enkel-taugliche” Politik zu machen. Im Herrschinger Gemeinderat stand die Frage zur Abstimmung: Bauen wir einen neuen Kindergarten in klimaschonender Holzbauweise? Oder rühren wir wie in den ollen Siebzigerjahren wieder viele Tonnen Beton an, um eine Tiefgarage für ein paar Autostellplätze zu bauen?  Die fatale Folge: Eine Tiefgarage hätte aus statischen Gründen automatisch eine Betonbauweise fürs ganze Kinderhaus bedeutet. 

Nun gilt Beton als einer der Klima-Schädlinge schlechthin – die Energiebilanz ist verheerend. 572 282,2 Kilogramm CO2 würde eine Stahlbeton-Bauweise zusätzlich  produzieren. Die CSU-Fraktion wollte in ungewohnter Einigkeit mit der SPD und einem FDP-Gemeinderat eine Stahlbeton-Wanne unter das neue Kinderhaus am Fendlbach schieben. Die Grünen waren zusammen mit der Bürgergemeinschaft Herrsching und einem FDP-Rat für eine Holzbauweise ohne Garage. Damit die Wähler wissen, wer eine Million Steuergelder investieren wollte, um eine schwimmende Stahlbeton-Schüssel zu bauen, hier das Protokoll der Abstimmung. 

Für eine Holzbauweise und gegen die Tiefgarage stimmten: Bürgermeister Christian Schiller (parteilos), Hans-Jürgen Böckelmann, Wolfgang Darchinger, Gertraud Köhl, Gerd Mulert, Anke Rasmussen, Valentin Schiller, Christoph Welsch (Grüne). Christiane Gruber, Leo Gruber, Dr. Rainer Guggenberger, Claudia von Hirschfeld (BGH) Alexander Keim (FDP)

Für die Betonbauweise stimmten: Christina Reich, Thomas Bader, Michael Bischeltsrieder, Ludwig Darchinger, Hannelore Doch, Fromuth Heene, Roland Lübeck (CSU). Wolfgang Schneider, Uli Sigl, Hans-Hermann Weinen (SPD). Johannes Puntsch (FDP)

Die CSU hat im Landtag für schonungslose Transparenz geworben. Bitte schön – hier ist sie.

Anzeige

Frühlingserwachen am Ammersee