Der Herrschinger Gemeinderat Wolfgang Darchinger mit seiner Frau Saumu auf dem Wochenmarkt. Wer die beiden sieht, der bemerkt eine wunderbare Bereicherung des Herrschinger Stadtbildes. Foto: Gerd Kloos

„Ich passe nicht zu Bayern, und meine Frau und meine Kinder passen nicht ins Stadtbild“

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Als ob ganz Deutschland ein Kongress von Stadtplanern wäre, reden plötzlich alle übers Stadtbild. Für jene, die in den letzten 14 Tagen nicht im Lande waren – es geht nicht um Architektur, sondern um politische Fundamente. „Wir haben… immer noch im Stadtbild dieses Problem“, sagte Bundeskanzler Merz, „und deshalb ist der Innenminister auch dabei, in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen.“ Einen Herrschinger Unternehmer, der mit einer Frau aus Kenia verheiratet ist, treffen diese Worte. Er ist – im Verständnis der CDU/CSU – gleich doppelt stigmatisiert: Er ist Grüner (Söder: „Die Grünen passen nicht zu Bayern“) und Ehemann einer schwarzen Einwanderin. Wolfgang Darchinger, grüner Gemeinderat in Herrsching, geht’s nach diesem Statement wie der 19-jährigen Psychologiestudentin Finja, die der Süddeutschen sagte: „Mich ärgert es, dass das (die Migration) jetzt benutzt wird, um die Gesellschaft zu spalten. herrsching.online hat Darchinger seine Gedanken anvertraut.

herrsching.online: Wenn’s ums Stadtbild geht, hat der Bundeskanzler geraten, sollte man die eigenen Töchter fragen. Haben Sie Ihre Tochtern schon gefragt, ob sie sich in Herrsching wohl und sicher fühlt?

Darchinger:  Dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen. In den letzten beiden Wahlkämpfen haben wir auf der Straße Werbung für die Grünen gemacht. Da kam ein Mann auf unseren Stand zu, mutmaßlich ein Anhänger der AfD, und hatte eine klare Botschaft: N., das häßliche Wort wiederhole ich nicht, und Grüne müssen mein Land verlassen. Beim nächsten Besuch hat er uns auch verraten, wie er die ethnischen Säuberungen handwerklich ausführen will. Er benutzte den berühmten Spruch des Sträflings Sarkozy und forderte: Wir müssen mit dem Kärcher durch Deutschland gehen, wenn Höcke Bundeskanzler ist. 

herrsching.online: Sie fühlten sich da persönlich angesprochen?

Darchinger: Natürlich, meine Frau kommt aus Kenia, ich habe zwei Kinder. Ich habe mich da gleich doppelt angesprochen gefühlt, weil der Ministerpräsident schon mehrmals dekretiert hat, dass Grüne nicht zu Bayern passen. Ich als Grüner passe nicht zu Bayern und meine Frau und meine Kinder stören offensichtlich das Stadtbild. Das kann man dann schon als offene Diskrimierung verstehen. Da mache ich mir natürlich meine Gedanken.  

herrsching.online: Was macht das alles mit Ihrer Familie?

Darchinger: Meine 18-jährige Tochter hat das wahrgenommen.  Sie hat mir eingeschärft, dass ich nie sage dürfe, dass das mich persönlich betreffe. Daraus spürt man schon eine gewisse Sorge um die Familie. 

herrsching.online: Beschädigen solche Sprüche Ihren Respekt vor den Amtspersonen?

Darchinger: Ich habe natürlich Respekt vor dem Amt des Bundeskanzlers, genauso wie vor dem Amt des Bürgermeisters.  Aber man darf sich schon fragen, ob alle, die in unserem Stadtbild auftauchen, blond und blauäugig sein sollten. Der Bundeskanzler sollte noch einmal tief in die Geschichte Deutschlands eintauchen, dann würde er lernen, dass durch die Mitte Europas viele Völker gezogen sind, ob das die Römer, die Franken, Goten, Langobarden, die Slawen oder die Hunnen waren. Gut, dass es damals noch keine Stadtbilder gab, die darunter gelitten haben.  

herrsching.online: Nun hat Herr Merz auch Zuspruch bekommen.

Darchinger: Ich verstehe, dass die unkontrollierte Zuwanderung ein Problem ist.  Aber die Sorge um die eigene Frau, die abends allein vom Bahnhof nach Hause geht, hatte ich schon vor 25 Jahren, und nicht erst heute.  Die Angst der Frauen in dunklen Straßen ist nun ja kein neues Problem, das gab’s schon immer. Vielleicht hat sich das Problem noch verschärft durch junge Migranten, die mitunter etwas Testosteron-gesteuert sind.  Aber dann muss man diese Sorge anders formulieren.  

herrsching.online: Merkel sagte mal sinngemäß, dass man ja nicht am Äußeren erkennen könne, wer Deutscher und wer Nichtdeutscher sei. 

Darchinger: Genau. Ein Andersfarbiger im Stadtbild ist ja nicht zwangsläufig ein Migrant, der kann einen Doktortitel haben, ein Fahrradgeschäft führen oder ein wunderbares Restaurant leiten. Rein optisch ist er im Merzschen Sinne eine Stadtbild-Störung. Alle über einen Kamm zu scheren, ist eines Bundeskanzlers nicht würdig.  

herrsching.online: Da kann ja auch politisches Kalkül dahinter stecken. 

Darchinger: Ja. Bestes Beispiel ist Herr Söder: Für die Niederbayern die Grünen niedermachen.  

herrsching.online: Herr Darchinger, man darf aber doch sagen, dass man sich in der Stadt unsicher fühlt – und zwar, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist.  

Darchinger: Wohl wahr. Aber zurück zum Thema. Ich hatte diese Woche in der Schillerstraße am Hauptbahnhof in München einen Auftrag abgearbeitet.  Und da ist ja nun wirklich ein Schmelztiegel. Die waren aber alle sehr nett zu uns.  Und wo wir schon in der Arbeitswelt sind: Wir haben versucht, mit unserer Berufsmesse in der Christian-Morgenstern-Schule den Jugendlichen, ob Migrant oder Bio-Deutscher, eine Wertschätzung zu vermitteln.  Wenn wir auch die Mittelschüler mitnehmen, lungern die nicht am Bahnhof herum. Wir dürfen unseren Fokus nicht nur auf die Gymnasiasten legen.  

herrsching.online: Ihre Firma lebt Integration vor?

Darchinger: Wir sind tatsächlich eine Multi-Kultifirma in der Schreinerei und im Einrichtungshaus. Wir haben einen Afghanen beschäftigt, einen Letten und einen Ukrainer. Meine Frau kommt aus Kenia. Und dann haben wir noch einen Mitarbeiter aus Rostock.     

6 Comments

  1. Ich komme auch gerne. Eigentlich ist meine Hautfarbe auch nicht weiss. Und die asiatische Menschen sind auch nicht gelb. Diese gesellschaftliche Farbenlehre stimmt sowieso nicht und in jedem Wahlkampf ueber menschliche Rassen so polemisieren nervt mich jetzt wirklich. Wir haben in Deutschland wirklich andere Aufgaben zu bewältigen und das werden die Afd Politiker sicher nicht begreifen. Sie sind nur gegen alle und jeden, der ihnen nicht zujubelt. Übrigens bezahlt sie unser demokratischer Staat als Abgeordnete I’m Landtag oder Bundestag mit hohen Abgeordnetengeldern und sie danken es uns Demokraten mit der Abschaffung dieses Staates. „Geht’s noch?“

  2. Da kann ich Frau Casaretto nur zustimmen. Es wäre wichtig, dass der Gemeinderat inklusive Bürgermeister ein Zeichen für einen weltoffenen toleranten Ort setzt.

  3. Etwas Farbe im Leben tut uns allen gut.
    Beruflich bedingt habe ich seit vielen Jahren mit Menschen vieler Länder arbeiten dürfen, oft war ich die Ausländerin und durfte Gastfreundschaft erleben, viel Unbekanntes, ganz gelegentlich auch Befremdliches, so was, hier verstehe ich auch vieles nicht.

    Nicht missen möchte ich die Vielfalt der Denkansätze und die Chance einen anderen Blickwinkel einnehmen zu dürfen. Eine Bereicherung nicht nur im wissenschaftlich geprägten Arbeitsleben und die wirklich simple Erkenntnis, wo immer ich mit meinen KollegInnen übers Privatleben gesprochen habe, die wesentlichen Wünsche und Sorgen sind immer gleich, den Kindern soll es gut gehen, ein Auskommen mit dem Einkommen,
    Lernen dürfen und eine sinnvolle Aufgabe.

    Ein anderes Beispiel:
    Die Herrschinger Volleyballer spielen seit Jahren multi kulti, sehr erfolgreich in der ersten Bundesliga, einfach mal anschauen wie farbenfrohe Vielfalt geht.

    Angst macht mir radikal und Dominantes Machtgehabe, egal von welcher Seite und welcher Coleur.

    Den Montagstermin kann ich reisebedingt leider nicht wahrnehmen, mache aber gerne bei anderen Aktivitäten zur Herrschinger Vielfalt mit, ein guter Ansatz.

  4. Herzlichen Glückwunsch an die „Grünen“: Vorzeitige Eröffnung des Kommunalwahlkampfs inkl. Vermittlung des eigenen Weltbildes …

  5. Dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder politisch-demokratischen Haltung angefeindet werden, ist beschämend – und darf nicht einfach hingenommen werden.

    Anstatt die Gemeinderatssitzung am Montag abzusagen, weil „ohnehin nichts zu beschließen ist ???“, sollte man die Gelegenheit nutzen, um gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Bürgerschaft darüber zu sprechen, wie wir solchen faschistischen und menschenverachtenden Tendenzen in Herrsching entschieden entgegentreten können.

    Als Bürgermeisterkandidatin frage ich mich intensiv, wie wir als Gemeinde mit solchen Entwicklungen umgehen wollen: Wie können sie entstehen – und welche konkreten Konsequenzen ziehen wir daraus?

    Ich schlage vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die zu einem offenen Gespräch darüber bereit sind, sich am Montag um 19:00 Uhr vor dem Rathaus treffen. Wir können dann gemeinsam entscheiden, ob wir in den Gasthof zur Post (oder einem anderen Ort) ausweichen – oder ob uns vielleicht die Gemeinde den Sitzungssaal des Gemeinderats zur Verfügung stellt.

    Denn Demokratie lebt von Haltung, Offenheit und Zusammenhalt.
Herrsching steht füreinander ein.

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