Fast ein Poet des modernen Schulbaus: Der Architekt und Professor Felix Schürmann. Er betont immer wieder, dass Planer und Bauherr Respekt vor der Natur zeigen müssen. Auf dem Bild referiert er über die Lernlandschaften. Er würde diese Räume gerne auch Lernwohnungen nennen. Foto: Gerd Kloos

„Man kann dieses Haus sprechen, vielleicht auch singen hören“

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1287 Tage sind zwischen dem ersten Spatenstich und der feierlichen Einweihung vergangen, und ganz fertig ist das neue Prunkstück des bayerischen Bildungsauftrags immer noch nicht. Aber Herrschings Gymnasium hat schon mal die fünften, die sechsten, siebten, achten und neunten Klassen mit 585 Schülern willkommen geheißen. Bei der symbolischen Schlüsselübergabe von Bauherr Landrat Frey an die Schulleiterin Eva Weingandt war der Stolz auf die politische, planerische, pädagogische, praktische Leistung die vorherrschende Gefühlslage. Mitte nächsten Jahres werden dann die beiden anderen Lernhäuser in Betrieb gehen – wieder mit einer feierlichen Eröffnung verbunden.

Landrat Frey berichtete als Bauherr des 110-Millionen-Projektes in einer hörbar gut gelaunten Rede zuerst einmal von den Kuriositäten beim Bau:

• Zwei 19-Jährige hatten sich zu einem Date auf einem hohen Baukran verabredet.

• Bei einer Softwarestörung hupten die Kräne einen Vormittag lang, als stehe ein Orkan bevor. Den Bauleitern war’s peinlich, weil die Nachbarn, ohnehin genervt durch den Baulärm, extrem belästigt wurden.

• Einmal fiel mitten im Winter die Bauheizung aus, man wollte da kein Arbeiter auf der Baustelle sein.

• Dann kippte ein Hebefahrzeug in die Fassade eines Lernhauses.

• Und kurz vor Bauschluss drückte noch einmal des Hangwasser in den Keller und die Elektrik rein.

• Zwei Jahre nach Baubeginn wurde die letzte Klage gegen das Gymnasiumprojekt vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Die modernen Klassenzimmer, die heute als Instruktionsräume bezeichnet werden.

Landrat Frey streckte trotzdem die Hand aus in Richtung Nachbarn, die einiges schlucken mussten und mitunter viel Geld für Rechtsanwälte ausgegeben haben. So hatte vor der Verarbschiedung des Bebauungsplans für das Baugelände das Herrschinger Bauamt mindestens 50 Einsprüche bearbeiten müssen. Alle 50 Einwände wurden in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgelesen und beschieden. Der Familie Ketterer, die den Großteil des Grundstücks an das Landratsamt verkaufte, dankte Landrat Frey noch einmal ausdrücklich.

Ein Schlüssel aus edlem Holz als Herrschaftszeichen für die Schulleiterin Eva Weingandt. Landrat Frey freut’s königlich, dass die Schule zumindesten teilweise ihren Dienst aufnimmt.

Auch mit Blick auf den leitenden Architekten und Professor Felix Schürmann meinte er. „Ja, das ist ein Vorzeigeprojekt.“ Er meinte das Bauwerk, seinen pädagogischen Anspruch, eher weniger die Baukosten: „40 Prozent der Angebote der beteiligten Firmen lagen über dem Voranschlag. Wir müssen jetzt 80 Millionen stemmen.“ Mit Blick auf Bund und Land mahnte Frey, was er gerne und öfter tut, die Finanzausstattung der Kreise und Kommunen an. „Wir brauchen mehr Geld vom Staat. Es geht einfach nicht, dass wir zwei Drittel solcher Pflichtaufgaben selber stemmen sollen.“

Alle freuen sich, vergessen sind für den Augenblick die Baukosten von 110 Millionen Euro: Von links: Kreiskämmerer Stefan Pilgram, die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig, Bürgermeister Christian Schiller, die Schulleiterin Dr. Eva Weingandt, Landrat Stefan Frey, Architekt Professor Felix Schürmann, verdeckt seine Kollegin Ellen Dettinger, die stellvertretende Schulleiterin Claudia Wolff-Lieser, die Fördervereinsvertreterin Dr. Sonja Sulzmaier, ihr Kollege Jens Waltermann und der ehemalige Landrat Karl Roth. Foto Gerd Kloos

Die Schulleiterin Dr. Eva Weingandt lobte die anwesenden Lehrerinnen und Lehrer dafür, dass sie mit ihrer Entscheidung für Herrsching „den richtigen Schritt gemacht haben“. Sie sprach von einer Pionieraufgabe für die Lehrenden.

Zu jeder Housewarmingparty gibt’s Geschenke. Bürgermeister Schiller brachte eine historische Schultüte und einen Mörteleimer voller Süßigkeiten mit. Durch das Lehrerkollegium gibt ein Raunen.

Bürgermeister Christian Schiller, den der Vorsitzende des Fördervereins, Jens Waltermann, im Interview mit herrsching.online für sein 16 Jahre dauerndes Engagement gelobt hatte, brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass Herrsching mit dem Gymnasium für jungen Familien noch attraktiver sei. Und mit den Familien (Subtext: am liebsten gut verdienenden…) steige der Anteil an der Einkommenssteuer für die Gemeinde. So könne man dann auch die steigende Kreisumlage bezahlen. Immerhin biete Herrsching nun alle drei klassischen Schultypen an.

Fast eine Landesgartenschau: Alle Lehrerinnen und Lehrer und die Ehrengäste haben artig Aufstellung genommen auf den Stufen hinter der Schule.

Der Vorsitzende des Fördervereins fürs Herrschinger Gymnasium, Jens Waltermann, begann seine geschliffene Rede mit einem kleinen Gefühlsausbruch: „Das ist ein echter Glücksmoment.“ Und das Gymnasium sei auch ein Zeichen dafür, dass sich gesellschaftliches Engagement lohne. Und gleich noch eine Auszeichnung für den Verein: „Heute sind alle gegen etwas. Wir vom Förderverein waren für etwas.“ Auch nett gemeint war der Hinweis, dass es zu dieser Schule passe, wenn sie halbfertig übergeben werde – so ein bisschen work in progress.

Seine Vereinskollegin Sonja Sulzmaier war am Anfang ihrer Rede so gerührt von der Magie des Augenblicks, dass ihr die Stimme versagte. Sie ist dankbar dafür, dass die Schule zur Bildungsgerechtigkeit beitrage, weil sie kein teures privates Privatgymnasium sei.

Jedes Kind hat einen Spind – solange die Eltern die Miete bezahlen. Die etwa 1000 Spinde sind eine Spende des Fördervereins.

Der Architekt und Professor Felix Schürmann, doch eigentlich ein Mann der Kubatur, zeigte sich als Lyriker der Baukunst: „Wenn der Baulärm schweigt, hört man das Haus sprechen“, sagte er. Und was spricht das Haus? „Es will ein Ort der Entfaltung sein und weniger ein Ort der Wissensvermittlung.“ In Zeiten der bedrohten Konsensualität wolle das Haus Respekt vor jedem Menschen und auch Respekt vor der bedrohten Natur lehren. Und wenn man das verinnerliche, „hört man die Schule sogar singen“.

Auch die Schulleiterin kam bei ihrem Lob auf dieses Haus nicht ohne Pathos aus: „Es ist ein Haus der Freude und der Exzellenz.“ Wobei das Wort Exzellenz mit der Bedeutung „hervorragend, sich erhebend“ auch missverstanden werden könnte. Schließlich, so Weingardt, orientiert sich die Schule an den Bedürfnissen der Schüler.

Das drückt sich besonders durch das Konzept der Lernhäuser aus: Beim Lernhaus-Modell sind räumliche und pädagogische Planung optimal aufeinander abgestimmt. Durch sein flexibles und multifunktionales Raumkonzept und die Gliederung in kleinere, autarke Einheiten ermöglicht das Konzept die Umsetzung einer modernen Lernkultur und eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern. Die Jahrgangsstufen 5 bis 7 beziehen Lernhäuser mit familiärer Atmosphäre. Ein Lernhaus besteht aus mehreren Instruktionsräumen und Freiarbeitsflächen, um einen zentralen „Marktplatz“ gruppiert, so dass viele Lernmöglichkeiten und attraktive Lernorte entstehen. Ab Jahrgangsstufen 8 bis 13 lernen die Schülerinnen und Schüler in Fachlandschaften (Sprachen, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Gesellschaftswissenschaften). Für jede Jahrgangsstufe stehen darüber hinaus großzügige Aufenthaltsräume zur Verfügung.

Den vielleicht schönsten Blick aus einem Lernzimmer bietet dieser Raum. Deshalb sprach MP Söder auch von einer Art Robinsonclub. Foto: Schürmann Dettinger

Die Teamräume für die Lehrkräfte und für Ganztagspersonal befinden sich als Arbeits- und Rückzugsort in den Lernhäusern und in den Fachwelten. Darüber hinaus stehen attraktive Fachräume für Informatik, Musik und Kunst zur Verfügung. Für den Sport gibt es eine Dreifachhalle, einen Fitnessraum, Außensportanlagen und die freie Natur. Mit dem Raum der Stille bietet sich eine Möglichkeit für Rückzug und Meditation. Veranstaltungen können in der modern und flexibel ausgestatteten Aula durchgeführt werden. Eine zum See ausgerichtete Bibliothek lädt zum Lesen oder auch Verweilen ein. Fürs leibliche Wohl wird in der Mensa mit Außenbereich und am Kiosk gesorgt. Neben den Teamräumen der Lehrkräfte stellt das Lehrerzimmer einen Ort des Zusammenkommens und der Kommunikation dar. Ein offen gestaltetes Direktorat und Sekretariat sind Grundlage zur Umsetzung des Teamgedankens auf allen Ebenen. Das Herrschinger Modell der Ganztagsschule sieht einen fest rhythmisierten Ganztag für die Unterstufe (Jahrgangsstufen 5 bis 7) vor.

Die Lernhäuser sehen mit ihrer Holzkonstruktion filigran aus. Das Imponiergehabe alter Schulen mit steingewordener Drohgebärde fehlt diesen fast schwebenden Bauten völlig. Foto: Büro Schürmann-Dettinger

Zum Schulbeginn am 16. September werden noch nicht alle Teile der Schule in Betrieb genommen. Es handelt sich um eine Teilinbetriebnahme. Dies ist sinnvoll und möglich, weil von den bei Vollauslastung des Gymnasiums möglichen Schülern zum Schuljahresbeginn 2025/26 nur gut die Hälfte startet (Jahrgänge 5 bis 9). In Betrieb gehen in den beiden Obergeschossen zwei von vier Lernhäusern (Lernhäuser A und B), im Erdgeschoß die zentrale Aula, die Verwaltung, das Lehrerzimmer sowie Werk- und Kunsträume. Im Untergeschoß wird der größte Teil der Tiefgarage in Betrieb genommen. Die Dreifachsporthalle wird voraussichtlich Ende September in Betrieb gehen. Die Herstellung der Freisportflächen im Süden der Sporthalle wird erst im kommenden Jahr folgen. Die Fläche des großen Rasenspielfeldes wird noch bis zum Jahreswechsel als Baustelleneinrichtungsfläche für die verbleibenden Bauabschnitte benötigt. Ganz im Süden des Grundstücks beginnen jetzt die Arbeiten für die Buswendeschleife, die dann auch im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden soll.

2 Comments

  1. Der Blick auf den See ist wirklich toll. Erwähnenswert ist aber auch, dass vielen Anrainern mit dem Bau der Seeblick genommen wurde und das mit teils erheblichem Wertverlust der Häuser teuer bezahlt werden musste.

  2. Die Sache mit dem Herrschinger Gymnasium beschäftigte in den letzten Jahren viele Buerger in fast endlosem Pro und Contra. Jetzt sind die Häuser endlich erbaut und ich hoffe, dass wir alle die neue Schulart Gymnasium als Bereicherung unserer Gemeinde empfinden. Verschiedene Kinder brauchen verschiedene Schulen. In Herrsching ist nun für jedes Kind der passende Schultyp zum Lernen ohne weite Fahrwege in der Heimatgemeinde vorhanden. Das ist doch wirklich prima.

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