Dreckspatzen – was wie eine Beleidigung auf TikTok klingt, ist in Breitbrunn ein Kosename: Kinder, die im Schlamm wühlen, Regenwürmer sammeln, durch den Wald streifen und Tiere lieben. Jetzt durften sich die Dreckspatzen sogar als Züchter beweisen. In einem 20-Tage-Versuch hat die Kindergruppe des Gartenbauvereins Breitbrunn 14 Schmetterlinge von der Raupe bis zum flugbereiten Distelfalter hochgegepäppelt. Die neue Vorsitzende des Vereins, Nadine Mattern, 42, konnte bis zu 16 Kinder im Alter zwischen 3 und 12 Jahren für das Experiment begeistern. „Jeder frischgeschlüpfte Schmetterling hat sogar einen Namen bekommen“, strahlt sie.

Sie will Kinder an die Natur heranführen, mit der Zucht von Erdbeeren, Tomaten, Radieschen vertraut machen, die ökologische Bedeutung von Streuobstwiesen erklären. Die Übermutter der Kindergruppe, Heidi Körner, hatte den Gartenbauverein nach 8 arbeitsreichen Jahren an die Neu-Breitbrunnerin Nadine Mattern übergeben. Die ehemalige Münchnerin, die seit einem Jahr in Breitbrunn wohnt, hatte Kommunikationsdesign studiert, wandte sich aber später dem Modedesign zu und entwarf individuelle Brautkleider. Aber sie hat auch noch eine völlig andere, große Leidenschaft: Die Mutter eines 9-jährigen Sohns und einer 5-jährigen Tochter kann begeisternd erzählen von der Kraft, die Waldspaziergänge ausstrahlen. „Vor solchen Exkursionen streiten sich Kinder halt gern, wie es Kinder eben tun. Sobald wir aber im Wald sind, herrscht großer Friede, der Streit ist vergessen“, hat Nadine Mattern beobachtet. Wohl deshalb hängt ihr Herz an der Natur. In einem privaten Institut im Allgäu hat sie sich sogar zur Wildnis- oder Wald-Pädagogin ausbilden lassen – beste Voraussetzungen für das Expermiment einer Schmetterlingszucht.

Im Zeichen des Artensterbens sind Sinn und Zweck solcher Versuche selbsterklärend. Man muss fürs Aufpäppeln der Falter kein Biologe oder Zoologe sein, es reicht das Studium von Websites. 10 Raupen samt Zubehör kosten rund 65 Euro im Internet (Adresse siehe Bildunterschrift). Die winzigen Verwandlungskünstler kommen in einer Plastikschale mit Vollpension an, in der sie 14 Tage bis zur Verpuppung reifen. Dann ziehen sie in ein Netz um und schlüpfen je nach Außentemperatur in etwa 10 Tagen. In die Freiheit haben die Kinder ihre Distelfalter auf einem Blatt entlassen – Schmetterlinge darf man niemals anfassen.

Wenn die bunten Flieger schließlich auf sich allein gestellt sind, haben sie ein intensives Reiseleben vor sich. Denn die Distelfalter überwintern nicht bei uns. Den Winter verbringen sie in Afrika – eine wahrhaft weite Strecke. Ein einzelner Distelfalter kann natürlich keine 15.000 Kilometer weit fliegen – das schafft selbst der Superman unter den Schmetterlingen nicht. Aber etwas anderes kann er sehr gut: Nämlich innerhalb kürzester Zeit erwachsen werden. Und das funktioniert so: In West-Afrika fliegt die erste Generation Distelfalter los. Nach 3000 bis 4000 Kilometern Flug machen die Falter Pause und legen ihre Eier an Disteln ab. Während die Raupen schlüpfen, sich dick und rund fressen und sich wieder verpuppen, sterben die Alttiere. Sobald die neuen Schmetterlinge aus der Puppenhülle geschlüpft sind, setzen sie den Weg ihrer Eltern fort. Das wiederholt sich noch zweimal – bis die Urenkel der West-Afrika-Falter in Nord-Europa angekommen sind. Die Schmetterlinge fliegen dabei immer ihren Futterplanzen hinterher. Nach und nach wird es auch weiter im Norden Frühling – die Schmetterlinge reisen mit. Bis sie schließlich im Frühsommer in Großbritannien und Finnland ankommen. Der Sommer dort beginnt zuletzt und ist schnell wieder vorbei. Dann machen sich die Schmetterlinge wieder auf den Rückweg und erreichen West-Afrika genau zur Trockenzeit.
Die Breitbrunner Dreckspatzen, sozusagen die Paten der Schönlinge, werden ihre Schützlinge nie vergessen – jedes Kind ging mit einem Zertifikat als Schmetterlings-Züchter nach Hause.