Der Verein „Mückenplage nein danke“ hat in einer Facebook-Umfrage erkundet, wie Seebevölkerung die Invasion der Stechmücken in diesem Jahr beurteilt. Der Vorsitzende des Vereins, Rainer Jünger (Schondorf), berichtet im Interview mit herrsching.online, dass die Menschen rund um den See stark unter der Stechmückenplage leiden. Manche seien sogar der Ansicht, dass es noch nie so schlimm gewesen sei. Jünger beklagt in dem Interview, dass es unter den Kommunalpolitikern „viel Halbwissen“ gebe. „Es braucht eindeutig mehr Druck aus der Bevölkerung, damit zum Beispiel ein Bürgerbegehren, wie damals in Eching Sinn macht“, meint Jünger. (Siehe dazu auch den Artikel https://herrsching.online2023/06/15/wenn-die-muecken-die-herrschaft-uebernehmen/).

herrsching.online: Nach dem verregneten Frühjahr war die sommerliche Mückenplage unvermeidlich. Wie groß ist denn der Leidensdruck in diesem Jahr? Gibt es schon Klagen der Gastronomie oder anderer touristischer Betriebe?
Jünger: Die Rückmeldungen, die wir bekommen, lassen darauf schließen, dass der Leidensdruck dieses Jahr wirklich sehr sehr groß ist. Ich habe extra nochmals in einer Facebook Gruppe in Dießen nachgefragt und die Leute dort gebeten, auf einer Skala zwischen 1 und 10 (so schlimm wie noch nie erlebt) zu bewerten, wie schlimm sie die Mückenbelastung derzeit finden und ja, die allermeisten Rückmeldungen waren nicht unter acht und manche sagten auch 10+. Wie es in Herrsching ist, das wissen Sie selbst am besten, aus Lochschwab höre ich auch viele Klagen, ich als Schondorfer kann sagen, dass ich am Abend nicht draußen sitze, wenn der Wind nicht wirklich kräftig weht. Allgemein ist zu sagen, dass die Belastung natürlich immer vom Wetter, Lokalität und Tageszeit sehr variieren kann. Wind schafft Entlastung, je weiter man von den Brutstätten (Ampersenke und Ampermoos, Ammermündung, Loschschwab sowie Schilfgürtel und Vernässungszonen am Uferbereich, um die Wichtigsten zu nennen) weg ist, desto weniger heftig ist es, und jeder weiß, dass es zu den Abendstunden immer am schlimmsten wird, weil die Mücken in der Regel die Hitze der Sonne meiden.
herrsching.online: Nach dem letzten Aufeinandertreffen Ihres Vereins „Mückenplage nein Danke“ mit Bürgermeister Schiller zeichnete sich ab, dass das Thema Mückenbekämpfung in Herrsching keine Chance hat, noch einmal im Gemeinderat behandelt zu werden. Planen Sie in diesem Sommer neue Aktivitäten, um politischen Druck auf die Gemeinde Herrsching zu machen?
Jünger: Sie waren ja damals selbst dabei, und wir haben extra zu einer Führung mit dem Spezialisten und Biologen Matthias Galm eingeladen, weil es immer so viel Halbwissen gibt. Unser Ziel war es, zusammen mit einem anerkannten Wissenschaftler auf diesem Gebiet Hintergründe zu erläutern und Wissenslücken zu schließen und Vorurteile zu hinterfragen. Wie Sie selbst wissen, hatte sich nur Bürgermeister Schiller die Mühe gemacht zu kommen. Wir sind gerne zu weiteren Schritten bereit, sind jetzt aber auch keine notorischen Unruhestifter. Ohne die Kommunalpolitik geht überhaupt nichts, und wenn ich als Schondorfer mit meinen Ratskollegen, zu denen ich Zugang habe, in Herrsching spreche, dann stoße ich dort größtenteils auf taube Ohren. Das Problem wird erkannt, aber man hat vielfach Angst, sich zu einer gemeinsamen Lösung zu bekennen. Es braucht eindeutig mehr Druck aus der Bevölkerung, damit zum Beispiel ein Bürgerbegehren, wie damals in Eching Sinn macht.
herrsching.online: Welche Ziele verfolgt Ihr Verein konkret? Streben Sie immer noch eine Kartierung der Mückenlarven an?
Jünger: Ja, denn es ist immer gut, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weitere Maßnahmen zu diskutieren.
herrsching.online: Ab welcher Mückenpopulation darf man eingreifen? Gilt denn nun der Grenzwert von 50 Larven in einer 250 Milliliter-Schöpfkelle?
Jünger: Genau, dieser Grenzwert gilt für den Einsatz von Maßnahmen, um die Population der Überschwemmungsmücken in Naturschutzgebieten zu kontrollieren und zu dämpfen. Außerhalb von Naturschutzgebieten gilt der Grenzwert von 5 Larven auf den Viertelliter.
herrsching.online: In der Pressekonferenz im letzten Jahr hat der der Biologe Matthias Galm das BTI (Bacillus thuringiensis israelensis) beworben. Gibt es über die Bio-Verträglichkeit dieses Bakteriums inzwischen neue wissenschaftliche Erkenntnisse?
Jünger: Das Mittel wird seit über 30 Jahren weltweit eingesetzt, und natürlich gibt es begleitende Studien über dessen ökologische Verträglichkeit. Tatsächlich ist es sogar eine behördliche Auflage, Begleitstudien zu machen. Das Mittel wirkt sehr selektiv auf Überschwemmungsmücken, das wurde nachgewiesen. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass es auch einige wenige kritische Stimmen aus der Wissenschaft gibt, die gewisse Nebenwirkungen aufzeigen. Es ist aber die Aufgabe der Wissenschaftler, diese zu bewerten und den Entscheidungsträgern die nötigen Grundlagen für ihre Abwägungen an die Hand zu geben. Grundsätzlich gilt natürlich keine Wirkung ganz ohne Nebenwirkung. Wir wissen ja, dass wir sogar bei biologischen Mückenmitteln, die wir auf die Haut sprühen, und die auf der Basis von ätherischen Ölen wirken, mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben, zum Beispiel für Allergiker und bei chemischen Repellenzien können wir diese in beträchtlicher Dosis in den Kläranlagen nachweisen, wo sie nicht rausgefiltert werden. Aber auch Insektizide wie MastaKill und ähnliches kommen zum Einsatz, wie viele hinter vorgehaltener Hand sagen. Bei den Abwägungen gilt es auch das zu bedenken.
herrsching.online: Wie sieht die Lage in den Nachbargemeinden rund um den Ammersee aus? Wird in Eching in diesem Jahr wieder gespritzt?
Jünger: In Eching wurden bisher noch nie Maßnahmen zur Populationskontrolle der Überschwemmungsmücken tatsächlich angewandt, was wir und ganz viele Echinger, Bürgerinnen und Bürger extrem bedauern. Bürgermeister und Gemeinderat sind entweder nicht entschlossen genug oder stecken im Genehmigungsjungle fest.
herrsching.online: Gibt es schon Aufschreie in der Bevölkerung rund um den Ammersee?
Jünger: Ja, es gibt extrem viele Klagen, dass es dieses Jahr sehr heftig und unangenehm ist. Ob ich das als Aufschrei werden würde, nun, das überlasse ich ihrer journalistischen Einschätzung.
Regine+Böckelmann
Was die Mückenbekämpfung mit Bti anbetrifft, sind offenbar auch Biologen nicht einer Meinung.
Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass die Auswirkungen auf die Zuckmücken – wichtige Nahrung für Fische und Vögel – doch nicht so gering sind, wie ursprünglich angenommen.
Der Biologe Dr. Carsten Brühl von der Universität Koblenz-Landau hat in seinen Studien nachgewiesen, dass die Empfindlichkeit der Zuckmücken-Larven in ihren vier Entwicklungsstadien unterschiedlich ist. Junge, sehr kleine Larven sind sehr viel empfindliche (bis zu 100fach) als ältere Larven. Bis dahin hatten nur Daten für die älteren Larvenstadien vorgelegen, aus denen gefolgert wurde, dass Bti nur auf die Stechmücken wirkt, für andere Mückenarten aber ungefährlich sei.
Fische, Vögel, Fledermäuse und Libellen sind in hohem Maße abhängig von Mücken und deren Larven als Nahrungsquelle. Wenn deren Bestände nicht weiter reduziert werden sollen, muss also auch mit dem angeblich so „umweltfreundlichen“ Bekämpfungsmittel Bti äußerst zurückhaltend umgegangen werden.
Das Thema Bti-Einsatz, bzw. die als Voraussetzung notwendige Kartierung wurde bereits vor einigen Jahren im Gemeinderat ausführlich behandelt, mit begleitender Beratung eines Biologen.
Es ist sehr zu hoffen, dass Bürgermeister und Gemeinderat bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben.
Naja, es wird bei uns ja auch noch kein Bti eingesetzt. Da finden die Vögel noch reichlich Nahrung.
Vielleicht gibt es deshalb relativ viele in unserer Gegend?
Wenn man normal auf Mücken reagiert, mag das auszuhalten sein, aber für Allergiker ist es wirklich schlimm. Jeden Tag Antihistaminika einnehmen, damit es einigermaßen geht. Immer eingesprüht und vermummt rausgehen oder eben gar nicht. Und vor allem: es wird ja privat und in der Gastronomie sehr viel Gift gespritzt und es werden Insektenfallen eingesetzt, die alles töten nur keine Mücken. Wenn man das alles abwägt finde ich den Einsatz von BTI durchaus überlegenswert. Da gibt es immerhin jahrelange Forschung dazu und ich habe als Kind am Rhein enorm davon profitiert, dass es eingesetzt wurde (und noch immer wird). Davor rannte ich schreiend aus dem Wald mit einer Mückenwolke überm Kopf.
Endlich konnte ich wieder draußen spielen. Und zu den Vögeln kann ich sagen: bei uns gab es dieses Jahr sehr viele und über unserem Balkon ziehen jeden Abend große Gruppen Mauersegler ihre Runden.
Ich stimme den beiden Vorrednerinnen zu:
Mir fällt auf, dass wir fast keine Schwalben, Mauersegler und Fledermäuse mehr haben . Anscheinend ist ihr Nahrungsangebot in den letzten Jahren so stark zurück gegangen. Was gäbe es denn für Maßnahmen, dass die drei oben genannten Tiere, sich wieder vermehrt bei uns wohl fühlen? Durch Mückengift, würde ihre Situation auf jeden Fall verschlechtert. Das ökologischen Gleichgewicht, würde noch mehr gestört.
Meine 9 jährige Enkelin fragte mich, ob ich die Mücken gerne los werden würde. Als ich zögerte meinte sie: „Die Mücken sind ganz wichtig! Sie sind Nahrung für so viele andere Tiere.“ Dabei ist sie genauso wenig scharf auf Mückenstiche , wie wie alle auch! Aber es gilt die Prioritäten anders zu setzen!
Ein wichtiger Satz, liebe Frau Böckelmann: “ wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt.“
Ja das tun wir und vergessen dabei das allumfassende, so weise Natursystem! Das wir zivilisierten Menschen ständig für unser kurzfristig erlebbare Wohlbefinden verletzen und zerstören. Es gab noch vor nicht all zu langer Zeit den Aufschrei, dass die Mücken aussterben, und damit die wichtige Nahrungskette empfindlich unterbrochen wird. Nun das Jamnern in die andere Richtung.
Gibt es für uns noch eine Chance, das Leben im Einklang mit der Natur zurück zu gewinnen? So wie es uns die vier 13, 9, 4 Jahre und 11 Monate alten Kinder vorgemacht haben, die 40 Tage im Dschungel von Kolumbien überlebten?
So ist es, liebe Frau Donhauser. Den Naturschutz kann man eigentlich nur ganzheitlich betrachten.
Es gibt eine interessante Stellungnahme des Bund Naturschutz (Kreisgruppe Traunstein) zum Einsatz von BTI:
„Stechmücken, vor allem die Überschwemmungsarten Aedes vexans und Aedes sticticus spielen eine wichtige Rolle in der Lebensgemeinschaft aquatischer und terrestrischer Gebiete. Gerade durch ihr periodisches Massenauftreten während der Fortpflanzungszeit erfüllen sie eine wichtige Funktion als Nahrungstiere, sowohl in ihrer Larvenform im Wasser (z. B. Fischnahrung), als auch in ihrer adulten Form als (z. B. Vogel- und Fledermausnahrung). Eine Forderung der flächendeckenden Bekämpfung (auch in Naturschutzgebieten, z. B. Achendelta!) stellt den Menschen einseitig in den Mittelpunkt der Betrachtungen.“
Der vollständige, sehr interessante Artikel ist im Netz leicht zu finden.
Auch mir wäre nicht wohl bei dem Gedanken, dass BTI im Bereich des Ammersees zum Einsatz käme.
Wie will man denn die Wirkung räumlich begrenzen, und wie will man verhindern, dass auch andere Mückenarten, die für die Ernährung von Fischen und Vögeln bedeutsam sind, Schaden nehmen? Eine Selektivität, d.h., dass die Substanz nur auf Stechmücken wirkt, kann ich mir einfach nicht vorstellen.
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