Der Herrschinger Gemeinderat Wolfgang Darchinger mit seiner Frau Saumu auf dem Wochenmarkt. Wer die beiden sieht, der bemerkt eine wunderbare Bereicherung des Herrschinger Stadtbildes. Foto: Gerd Kloos

„Ich passe nicht zu Bayern, und meine Frau und meine Kinder passen nicht ins Stadtbild“

3 mins read

Als ob ganz Deutschland ein Kongress von Stadtplanern wäre, reden plötzlich alle übers Stadtbild. Für jene, die in den letzten 14 Tagen nicht im Lande waren – es geht nicht um Architektur, sondern um politische Fundamente. „Wir haben… immer noch im Stadtbild dieses Problem“, sagte Bundeskanzler Merz, „und deshalb ist der Innenminister auch dabei, in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen.“ Einen Herrschinger Unternehmer, der mit einer Frau aus Kenia verheiratet ist, treffen diese Worte. Er ist – im Verständnis der CDU/CSU – gleich doppelt stigmatisiert: Er ist Grüner (Söder: „Die Grünen passen nicht zu Bayern“) und Ehemann einer schwarzen Einwanderin. Wolfgang Darchinger, grüner Gemeinderat in Herrsching, geht’s nach diesem Statement wie der 19-jährigen Psychologiestudentin Finja, die der Süddeutschen sagte: „Mich ärgert es, dass das (die Migration) jetzt benutzt wird, um die Gesellschaft zu spalten. herrsching.online hat Darchinger seine Gedanken anvertraut.

herrsching.online: Wenn’s ums Stadtbild geht, hat der Bundeskanzler geraten, sollte man die eigenen Töchter fragen. Haben Sie Ihre Tochtern schon gefragt, ob sie sich in Herrsching wohl und sicher fühlt?

Darchinger:  Dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen. In den letzten beiden Wahlkämpfen haben wir auf der Straße Werbung für die Grünen gemacht. Da kam ein Mann auf unseren Stand zu, mutmaßlich ein Anhänger der AfD, und hatte eine klare Botschaft: N., das häßliche Wort wiederhole ich nicht, und Grüne müssen mein Land verlassen. Beim nächsten Besuch hat er uns auch verraten, wie er die ethnischen Säuberungen handwerklich ausführen will. Er benutzte den berühmten Spruch des Sträflings Sarkozy und forderte: Wir müssen mit dem Kärcher durch Deutschland gehen, wenn Höcke Bundeskanzler ist. 

herrsching.online: Sie fühlten sich da persönlich angesprochen?

Darchinger: Natürlich, meine Frau kommt aus Kenia, ich habe zwei Kinder. Ich habe mich da gleich doppelt angesprochen gefühlt, weil der Ministerpräsident schon mehrmals dekretiert hat, dass Grüne nicht zu Bayern passen. Ich als Grüner passe nicht zu Bayern und meine Frau und meine Kinder stören offensichtlich das Stadtbild. Das kann man dann schon als offene Diskrimierung verstehen. Da mache ich mir natürlich meine Gedanken.  

herrsching.online: Was macht das alles mit Ihrer Familie?

Darchinger: Meine 18-jährige Tochter hat das wahrgenommen.  Sie hat mir eingeschärft, dass ich nie sage dürfe, dass das mich persönlich betreffe. Daraus spürt man schon eine gewisse Sorge um die Familie. 

herrsching.online: Beschädigen solche Sprüche Ihren Respekt vor den Amtspersonen?

Darchinger: Ich habe natürlich Respekt vor dem Amt des Bundeskanzlers, genauso wie vor dem Amt des Bürgermeisters.  Aber man darf sich schon fragen, ob alle, die in unserem Stadtbild auftauchen, blond und blauäugig sein sollten. Der Bundeskanzler sollte noch einmal tief in die Geschichte Deutschlands eintauchen, dann würde er lernen, dass durch die Mitte Europas viele Völker gezogen sind, ob das die Römer, die Franken, Goten, Langobarden, die Slawen oder die Hunnen waren. Gut, dass es damals noch keine Stadtbilder gab, die darunter gelitten haben.  

herrsching.online: Nun hat Herr Merz auch Zuspruch bekommen.

Darchinger: Ich verstehe, dass die unkontrollierte Zuwanderung ein Problem ist.  Aber die Sorge um die eigene Frau, die abends allein vom Bahnhof nach Hause geht, hatte ich schon vor 25 Jahren, und nicht erst heute.  Die Angst der Frauen in dunklen Straßen ist nun ja kein neues Problem, das gab’s schon immer. Vielleicht hat sich das Problem noch verschärft durch junge Migranten, die mitunter etwas Testosteron-gesteuert sind.  Aber dann muss man diese Sorge anders formulieren.  

herrsching.online: Merkel sagte mal sinngemäß, dass man ja nicht am Äußeren erkennen könne, wer Deutscher und wer Nichtdeutscher sei. 

Darchinger: Genau. Ein Andersfarbiger im Stadtbild ist ja nicht zwangsläufig ein Migrant, der kann einen Doktortitel haben, ein Fahrradgeschäft führen oder ein wunderbares Restaurant leiten. Rein optisch ist er im Merzschen Sinne eine Stadtbild-Störung. Alle über einen Kamm zu scheren, ist eines Bundeskanzlers nicht würdig.  

herrsching.online: Da kann ja auch politisches Kalkül dahinter stecken. 

Darchinger: Ja. Bestes Beispiel ist Herr Söder: Für die Niederbayern die Grünen niedermachen.  

herrsching.online: Herr Darchinger, man darf aber doch sagen, dass man sich in der Stadt unsicher fühlt – und zwar, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist.  

Darchinger: Wohl wahr. Aber zurück zum Thema. Ich hatte diese Woche in der Schillerstraße am Hauptbahnhof in München einen Auftrag abgearbeitet.  Und da ist ja nun wirklich ein Schmelztiegel. Die waren aber alle sehr nett zu uns.  Und wo wir schon in der Arbeitswelt sind: Wir haben versucht, mit unserer Berufsmesse in der Christian-Morgenstern-Schule den Jugendlichen, ob Migrant oder Bio-Deutscher, eine Wertschätzung zu vermitteln.  Wenn wir auch die Mittelschüler mitnehmen, lungern die nicht am Bahnhof herum. Wir dürfen unseren Fokus nicht nur auf die Gymnasiasten legen.  

herrsching.online: Ihre Firma lebt Integration vor?

Darchinger: Wir sind tatsächlich eine Multi-Kultifirma in der Schreinerei und im Einrichtungshaus. Wir haben einen Afghanen beschäftigt, einen Letten und einen Ukrainer. Meine Frau kommt aus Kenia. Und dann haben wir noch einen Mitarbeiter aus Rostock.     

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Aktuellste Meldungen

Baum statt Blech

Ein Baum im Verkehrsraum kann Schattenspender, politisches „Denk“-Mal, grüne Stadt-Möblierung oder auch nur simples Greenwashing sein.

In Hülle und Fülle

Des Königs neue Kleider: Der König vom Ammersee ließ am Dienstagabend die Hüllen fallen, also nicht