
Es ist zwei vor zwölf: Am 16. September stehen 585 Schülerinnen und Schüler vor der Tür des neuen Gymnasiums in Herrsching. 53 Tage vor Beginn des neuen Schuljahres warten zwei Lernhäuser, Aula, Turnhalle, Tiefgarage und Funktionsräume auf finale Hand(werks)griffe. Wie bei jedem Bauprojekt mit Deadline legt vermutlich der letzte Handwerker den Schraubendreher aus der Hand, während die ersten Schüler zum E-Pencil greifen.
Am Dienstag präsentierte Landrat Stefan Frey mit seinem Projektleiter Johannes Hasler und dem federführenden Architekten Tobias Pretscher (Büro Schürmann Dettinger) den neuen Lerntempel. Die Direktorin der Schule, Dr. Eva Weingandt, berichtete den Herrschinger Gemeinderäten und Journalisten, dass das 50-köpfige Lehrerkollegium nun vollständig und dazu noch international aufgestellt sei. Es hätten sich Lehrkräfte aus Südafrika, London, Paris und San Francisco beworben – einige von ihnen mit dem Hinweis, dass sie nur nach Deutschland kämen, wenn sie in Herrsching unterrichten dürften. „Und so freuen sich alle, die Lehrerinnen und Lehrer und die Verwaltung, wie ein Schnitzel auf das neue Gymnasium“, sagte Weingandt im lockeren Plauderton.
Die in vier Lernhäuser gegliederte Architektur gibt schon von außen Auskunft über das neue Lernkonzept dieses Gymnasiums. Lernhäuser sind kleinere autarke Einheiten. Sie verfügen über sogenannte Instruktionsräume, darüber hinaus aber über viele unterschiedliche freie Flächen für teamorientiertes Arbeiten, Präsentation oder auch Rückzug und konzentriertes Arbeiten alleine.
Die Lehrkräfte befinden sich mit ihrem Büro im Lernhaus und sind für die Kinder und Jugendlichen ansprechbar. „In anderen Schulen müssen die Klassenräume alles können, bei uns ist das wie in einer Wohnung, man hat für verschiedene Funktionen verschiedene Räume“, erklärte Direktorin Weingandt das Konzept dieses neuartigen Gymnasiums. „Die Lehrkräfte sind sehr eng bei unseren Schülerinnen und Schülern. Die Schüler begleiten sich gegenseitig – wenn möglich – über mehrere Jahre. Peertutoringsysteme stellen enge Lernbeziehungen zwischen den Lernenden her, Ältere helfen Jüngeren, Leistungsstarke übernehmen Coachingrollen“, sagte Weingandt in einem Interview mit herrsching.online.
Am 16. September warten also 585 Schüler und Schülerinnen auf ihre Einteilung in Lernhäuser, 252 davon kommen aus Herrsching. „Die Herrschinger Kinder sind priorisiert“, teilte die Direktorin mit. Vielleicht auch deshalb, weil die Seegemeinde immerhin ein Zehntel der 110 Millionen Baukosten übernehmen wird. 128 Kinder reisen aus Seefeld-Hechendorf an, 65 aus Wörthsee und 55 aus Andechs. Für 79 Familien, die sich Hoffnung auf einen Platz am neuen Gymnasium erhofft hatten, gab es allerdings einen negativen Bescheid. „Wenn das Herrschinger Gymnasium eine Sogwirkung im Landkreis auslösen sollte, würde mich das sehr freuen“, meinte Weingandt im Interview mit herrsching.online.
„Inzwischen stehen auch die Busverbindungen zum Gymnasium“, teilte der Landrat mit. Einen Shuttle-Service vom Bahnhof wird es nicht geben, da gab’s auf der Pressekonferenz eine missverständliche Äußerung. Und Kinder, die mit dem Fahrrad kommen, können ihr Zweirad in einem der 230 Ständer parken. Das tägliche Verkehrschaos, das Berufspessimisten für Herrsching vorhergesagt haben, fürchtet niemand von den verantwortlichen Kommunalpolitikern. Auch die Anwohner der Panoramastraße, die sich heftig gegen die Neubaupläne wehrten, müssen keinen zusätzlichen Verkehr durch „Mama-Taxis“ befürchten. Von dieser Straße aus gibt es keinen Zugang zum Schulgelände.