Erwärmen sich für Geothermie: Von links die Marketingchefin von „Erdwärme Herrsching", Sophie Birner, die Grünen-Vorsitzenden Franziska Schon und Charlotte Wehn, dahinter der Grünen-Gemeinderat Gerd Mulert, neben ihm Erdwärme-Technikchef Jan Rolwes, vorne neben ihm Claimbesitzer Josef Birner, rechts der Geologe Wolfgang Alt und die BGH-Gemeinderätin Susanne Hänel.

Sprudelt schon im nächsten Jahr heißes Wasser aus dem Herrschinger Untergrund?

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Das war die Neuigkeit des Abends: Das Bergamt Südbayern hat wohl keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Tiefengeothermie in Herrsching. Die Marketingchefin der „Erdwärme Herrsching“, Sophie Birner, teilte am Donnerstag auf einer Veranstaltung mit, dass die federführende Behörde in München aber mit der Straßenführung zur Bohrstelle hinter dem Gewerbegebiet nicht ganz glücklich ist. Deshalb habe man schon alternative „Zuwegungen“ in Planung.

Die Firma „Erdwärme Herrsching“ informierte am Donnertagabend auf einer Veranstaltung der Grünen und der Bürgergemeinschaft Herrsching (BGH) 15 extrem aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer. Sophie Birner und der Technik-Chef der „Erdwärme GmbH“, Jan Rolwes, rechnen damit, dass nächstes Jahr bereits mit den Probebohrungen begonnen werden könne. Für das Nahwärme-Netz, das über 100 Grad warmes Wasser zu den Häusern transportieren soll, gibt es noch keine konkreten Pläne. Birner warb bei der Veranstaltung für eine Beteiligung Herrschinger Bürger.

Die Grünen haben die Informationsveranstaltung fast wie eine konspirative Versammlung behandelt. Erwünscht waren nur Parteifreunde der Ortsgrünen und der Bürgergemeinschaft. Wer etwas über die Geothermie wissen wollte, musste sich anmelden, als ginge es um einen geheimen Schatz, dessen Fundort streng geheim bleiben sollte.

„90-prozentige Sicherheit, dass wir auf heißes Wasser stoßen“

Dabei liegen alle Daten für das kostbare Heißwasser längst auf dem Tisch: Der Chef des Fachbüros für Geologie und Balneologie, Wolfgang Alt, weiß auf den Zentimeter genau, wo im Untergrund die Gesteinsbrüche liegen. Und nur dort, wo die Platten gebrochen sind, fließt im Schneckentempo das Thermalwasser, vermutlich 118 Grad heiß, in Trinkwasserqualität. Trinken will das Wasser aber keiner – es sei denn, Herrsching will sich mal mit dem Beinamen Bad Herrsching schmücken. Dass man auf heißes Tiefenwasser in ausreichender Menge stoße, hält für Geologe Wolfgang Alt für hoch wahrscheinlich – er gibt eine Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent an.

„Tiefengeothermie ist hocheffizient“

Dass Geothermie in Bayern einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leistet, hätte sich vor einer Dekade auch kein Politiker träumen lassen: Es gebe inzwischen, so Sophie Birne, 178 Tiefenenergie-Projekte in Bayern. Die Gründe sind einleuchtend: Geothermie steht immer zur Verfügung, braucht weder Sonne noch Wind, ist nahezu unerschöpflich (ein Thermie-Projekt wird, so Ingenieur Alt, für 50 Jahre genehmigt), ist einhundertprozentig CO2-neutral und hocheffizient: Stecke man, so Alt, ein Teil Energie rein, bekomme man bis zu 20 Teile Energie zurück (COP-Zahl).

Das Projekt in Herrsching könne immerhin 150 000 Haushalte mit Warmwasser versorgen: Pro Sekunde, so Alt, strömten 139 Liter heißes Wasser aus 2000 bis 3000 Meter Tiefe empor.

Zufahrt zur Bohrstelle über die Seefelder Straße?

Trotzdem hatte die Gemeinde Herrsching, die vom Bergamt zu einer Stellungnahme aufgefordert worden war, 19 Gegenargumente gegen den Bohrplatz. Eines der Hauptargumente war die Erschließung der Baustelle. Über den Mitterweg, wegen des Kindergartens ohnehin eine sensible Straße, jedenfalls will niemand die Schwerlasttransporte fahren lassen. Deshalb überlegt die Erdwärme Herrsching, den Baustellenverkehr über eine eigens gebaute Zufahrtstraße von der Seefelder Straße her zu erschließen. Eine Alternative, die vermutlich Teilen des Gemeinderates weniger gefallen dürfte, wäre eine „Zuwegung“ (Behördendeutsch) über das Gewerbegebiet.

Natürlich kamen auch Fragen zur Lärmemission der Förderanlagen auf. Technik-Chef Rolwes versicherte, dass die Geräusche von 42 dBA vergleichbar seien mit dem Lärm in einer Bibliothek. Lacher erntete er mit dem Satz, dass Babygeschrei ungefähr 110 dBA laut sei.

Die Bohrungen mit hochkomplexen Bohrgestängen, die sich zudem nach ungefähr 800 Metern Tiefe nicht mehr senkrecht, sondern in einem Knick in die Wasser-führenden Schichten vorfressen, dauern nach Angaben von Fachingenieur Wolfgang Alt etwa 90 Tage. Dann wird der etwa 50 Meter hohe Bohrturm wieder abgebaut, an seine Stelle kommen Betriebsgebäude. Von hier aus könnte dann das Nahwärmenetz erhitztes Wasser aus den Wärmetauschern zu den angeschlossenen Häusern transportieren. Dieses Wasser fließt wie in einer normalen Haus-Zentralheizung in einem geschlossenen Kreislauf durch den Ort.

Wie teuer wird der Anschluss ans Nahwärmenetz?

An diesem Punkt werden nun alle Hausbesitzer hellhörig: Wie teuer wird denn nun ein Anschluss ans Nahwärmenetz? „Wenn wir zu teuer wären, würde uns die Wärme niemand abnehmen“, meinte Technik-Mann Jan Rolwes, und auch Marketing-Chefin Sophie Birner betonte, dass man mit konkurrenzfähigen Preisen um Kunden werben werde.

Für den Fall, dass sich anfangs nur wenige Herrschinger Hausbesitzer für die Nahwärme erwärmen könnten, hat die Firma auch schon einen Plan B: Dann werde man eben mit der Tiefenwärme Strom erzeugen, das Bayernwerk habe bereits Interesse an dem Ökostrom bekundet. Aber das ist wohl nur ein Worst-Case-Projekt – schließlich hat die Stromproduktion mit über 100 Grad warmem Wasser nur einen Wirkungsgrad von 11 Prozent. Fließt das kochend warme Wasser aber in die Haushalte, gibt es kaum Energieeinbußen.

„Sogar Breitbrunn und Widdersberg könnten versorgt werden“

Und wie sieht die Heißwasserversorgung für die Ortsteile Breitbrunn und Widersberg aus? Rolwes glaubt, dass das Wasser in Breitbrunn trotz einer fünf Kilometer langen Reise immer noch mit etwa 105 Grand ankomme.

Müsste reichen, um sich am Wasserhahn die Hände zu verbrühen.

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