„Geothermie ist eine wunderbare Energiequelle. Gemeinden, die eine Geothermie-Quelle haben, sind gesegnet.“ Mit diesem Statement beseitigte der Wärmeplaner Florian Heindl alle Zweifel, welcher Wärmetechnologie die Zukunft gehört. Heindl stellte im Gemeinderat sein „Zielszenario“ für Herrschings CO2-freies Jahr 2040 vor. Nicht alle Gemeinderäte allerdings wollten dem Maxsolar-Planer folgen. Deshalb beschloss der Rat, für den sechs Kilometer entfernten Ortsteil Breitbrunn eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag zu geben. Zweck der Untersuchung: Ist Seethermie, also die Wärmeentnahme aus dem Seewasser, für Breitbrunn kostengünstiger? Das Herrschinger Rathaus soll dazu Gespräche mit Nachbargemeinden führen. Für Herrsching zeigt die Maxsolar-Studie: Im Ortszentrum, ja sogar für die nördlichen Teile von Wartaweil, ist ein Wärmenetz technisch sinnvoll. Dass die unterirdischen Heißwasser-„Arterien“ teuer würden, gehört zum weniger schönen Teil der Wärmewende. Der Bürgermeister sprach von 89 Millionen Kosten fürs gesamte Herrschinger Netz. Allerdings beteiligt sich der Staat mit einem erheblichen Teil am Netz-Investment.

Wärmeplaner Heindl hält es für möglich, dass ein Netz in Herrsching schon im Jahre 2030 den Löwenanteil der Wärme liefert. Ob das warme Wasser nun durch eine Geothermie-Quelle, eine Hackschnitzelverbrennung (wie aktuell schon in Seefeld) oder durch Wasserstoff gewonnen wird, ließ Heindl offen, weil diese Frage tief ins Kommunalpolitische reicht.
Eine saubere Gegenüberstellung der Kosten verschiedener Technologien, wie sie Gemeinderat Christoph Welsch anmahnte, lieferte Maxsolar allerdings nicht. An einem Beispielshaus mit 158 Quadratmeter Wohnfläche bot der Wärmeplaner immerhin einen Vergleich, allerdings mit vielen Unbekannten. So kostet nach dieser Rechnung ein Erdgaskessel 5 806 Euro im Jahr, ein Wasserstoffkessel oder ein Biomassekessel einen ähnlichen Betrag. Auch eine Wärmepumpe liegt pro anno im gleichen Preissegment. Kostensieger ist nach dieser Rechnung ein Wärmenetzanschluss mit jährlichen Kosten von 4329 Euro.

Für ein Fern- oder Nahwärmenetz müsste der Betreiber, vielleicht eine Gesellschaft auf Genossenschaftsbasis mit Bürgerbeteiligung, 31,2 Kilometer Wasserleitungen legen. In Breitbrunn wären es 10,8 Kilometer, in Widdersberg 0,8 Kilometer. Übrigens sind fast alle bisher schon verlegten Gasleitungen „Wasserstoff-ready“, wie es im Fachdeutsch heißt. Wasserstoff herzustellen ist allerdings extrem energieintensiv. Der Bürgermeister ließ schon mehrmals durchblicken, dass das Verlegen neuer Wärmenetzleitungen die Herrschinger Bürger enorm belasten würde. Florian Heindl von Maxsolar wies allerdings darauf hin, dass ein solches Netz nicht in einer einzigen großen Kraftanstrengung entstehe. „Das ist ein langsamer Prozess. Es werden ja nicht 50 Prozent aller Häuser auf einmal angeschlossen.“ In Marktl am Inn sei innerhalb eines halben Jahres die Genehmigungsprozedur gelaufen, im Juni werde schon mit den Arbeiten begonnen.

Wie sich der Wärmebedarf nach Heizkostentechnologien bis zum Jahr 2040 entwickelt, hat Maxsolar auch vorzusagen gewagt. Schon im Jahre 2030 könnte ein großer Anteil der Wärme aus dem Nahwärmenetz kommen, während Gas und Erdöl als Energiequelle dramatisch an Bedeutung verlieren. Schon 2035 sind diese fossilen Träger zu Randerscheinungen geschrumpft.

Von der Seethermie, mit der auch der grüne Energieexperte und Gemeinderat Gerd Mulert liebäugelt, ist in dieser Grafik garnicht die Rede. Eine Mehrheit des Gemeinderates hat trotzdem eine Machbarkeitsstudie für Breitbrunn in Auftrag gegeben, schließlich würde die Fernwärme für den nördlichen Ortsteil viel Geld kosten, falls die Wärmequelle in Herrsching liegt. Der Bürgermeister vergaß nicht zu erwähnen, dass das Ufer an Breitbrunner Gestaden steil abfällt und deshalb eine Wasserentnahme aus 30 bis 45 Metern Tiefe möglich wäre. Das Wasser ist in diesen Schichten ungefähr acht Grad warm, diese Wärme könnten die Wärmetauscher an Land aus dem Wasser ziehen und verwerten.
In Deutschland gibt es bisher noch sehr wenig Erfahrung mit Seewärmenetzen. In Tutzing soll nun eine Machbarkeitsstudie klären, ob man dem Starnberger See ein bisschen Wärme abtrotzen kann. Das Wasserwirtschaftsamt in Weilheim, so ein Tutzinger Experte, sei Feuer und Flamme.
Übrigens wären sogar die Fischer im Ammer- und Starnberger See dankbar für die Seethermie: Weil das Seewasser rund um die Entnahme- und Wiedereinleitungsstelle um etwa fünf Grad kälter wird, käme diese Sommerfrische den Fischen zugute.
Wärme braucht keine Umwege – sondern Mut zur Entscheidung
Dass Herrsching ein Wärmenetz braucht, liegt glasklar auf der Hand. Dass die Tiefengeothermie dafür die ideale Energiequelle ist, wurde vom beauftragten Wärmeplaner mehrfach und unmissverständlich als „Segen für eine Gemeinde“ bezeichnet. Und doch soll der Gemeinderat auf Antrag von Bürgermeister Schiller nun über eine Machbarkeitsstudie zur Seewärmenutzung entscheiden? Das wirkt nicht nur wie ein Rückschritt – es ist ein politisches Ausweichmanöver auf Kosten von Zeit, Geld und Glaubwürdigkeit.
Die geplante Seewärmenutzung würde gleich drei (!) Schutzgebiete tangieren: ein Landschaftsschutzgebiet, ein EU-Vogelschutzgebiet (SPA) und ein internationales Ramsar-Gebiet. Es braucht kein Gutachten, um zu erkennen, dass Eingriffe in solch geschützte Zonen ein No-Go sind – ökologisch, rechtlich und politisch.
Dem gegenüber steht die Tiefengeothermie: emissionsfrei, grundlastfähig – und das Beste daran: Die geplante Bohrstelle liegt außerhalb aller Schutzgebiete. Warum also Geld und Energie in eine Sackgasse investieren, statt endlich den Weg freizumachen für ein Wärmenetz, das Herrsching wirklich in eine nachhaltige Zukunft führt?
30.000 Euro kostet die Machbarkeitsstudie – 6.000 Euro davon aus Gemeindemitteln. Geld, das wir uns sparen und sinnvoller in die Planung und Realisierung unseres Wärmenetzes investieren könnten. Es ist an der Zeit, Prioritäten zu setzen: für Klimaschutz, für Effizienz – und für eine ehrliche kommunale Energiepolitik.
Die Frage, die sich mir stellt, ist folgende: wäre die Tiefengeothermie (falls die Probebohrung erfolgreich verlaufen sollte) denn auch für Breitbrunn nutzbar?
Oder ist der Weg für das heiße Wasser dann doch zu weit?
Die Seethermie bzw. die Machbarkeitsstudie dafür ist ja wohl für Breitbrunn gedacht, und ich nehme an, dass bei dieser auch Naturschutz-Aspekte mit einfließen werden.
Es schadet wahrscheinlich nicht, sich außer der Tiefengeothermie auch noch eine andere Option offenzuhalten.