Wärme aus der Tiefe soll in einigen Jahren unsere Stuben heizen. Ob die Wärme aus der Geothermie oder aus dem Ammersee kommen wird, diskutierte der Herrschinger Gemeinderat mit den kommunalen Wärmeplanern von Maxsolar. Für Breitbrunn wollen die Gemeinderäte nun sogar eine Machbarkeitststudie für die Seethermie in Auftrag geben. Auf diesem Bild dampft allerdings nicht die Erde, sondern die AWA, die mit Rauch den Verlauf eines unterirdischen Baches auskundschaftete.

Nahwärmenetz – näher als viele denken?

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„Geothermie ist eine wunderbare Energiequelle. Gemeinden, die eine Geothermie-Quelle haben, sind gesegnet.“ Mit diesem Statement beseitigte der Wärmeplaner Florian Heindl alle Zweifel, welcher Wärmetechnologie die Zukunft gehört. Heindl stellte im Gemeinderat sein „Zielszenario“ für Herrschings CO2-freies Jahr 2040 vor. Nicht alle Gemeinderäte allerdings wollten dem Maxsolar-Planer folgen. Deshalb beschloss der Rat, für den sechs Kilometer entfernten Ortsteil Breitbrunn eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag zu geben. Zweck der Untersuchung: Ist Seethermie, also die Wärmeentnahme aus dem Seewasser, für Breitbrunn kostengünstiger? Das Herrschinger Rathaus soll dazu Gespräche mit Nachbargemeinden führen. Für Herrsching zeigt die Maxsolar-Studie: Im Ortszentrum, ja sogar für die nördlichen Teile von Wartaweil, ist ein Wärmenetz technisch sinnvoll. Dass die unterirdischen Heißwasser-„Arterien“ teuer würden, gehört zum weniger schönen Teil der Wärmewende. Der Bürgermeister sprach von 89 Millionen Kosten fürs gesamte Herrschinger Netz. Allerdings beteiligt sich der Staat mit einem erheblichen Teil am Netz-Investment.

Herrsching wäre bestens geeignet für ein Nahwärmenetz. Wärmeplaner sehen schon in naher Zukunft die Behaglichkeit aus allen Rohren sprudeln. Die rote Skala betrifft die dezentrale Versorgung mit eigener Wärmepumpe, mit Erdgas- und anderen fossilen Energieträgern. Grafik: Maxsolar.

Wärmeplaner Heindl hält es für möglich, dass ein Netz in Herrsching schon im Jahre 2030 den Löwenanteil der Wärme liefert. Ob das warme Wasser nun durch eine Geothermie-Quelle, eine Hackschnitzelverbrennung (wie aktuell schon in Seefeld) oder durch Wasserstoff gewonnen wird, ließ Heindl offen, weil diese Frage tief ins Kommunalpolitische reicht.

Eine saubere Gegenüberstellung der Kosten verschiedener Technologien, wie sie Gemeinderat Christoph Welsch anmahnte, lieferte Maxsolar allerdings nicht. An einem Beispielshaus mit 158 Quadratmeter Wohnfläche bot der Wärmeplaner immerhin einen Vergleich, allerdings mit vielen Unbekannten. So kostet nach dieser Rechnung ein Erdgaskessel 5 806 Euro im Jahr, ein Wasserstoffkessel oder ein Biomassekessel einen ähnlichen Betrag. Auch eine Wärmepumpe liegt pro anno im gleichen Preissegment. Kostensieger ist nach dieser Rechnung ein Wärmenetzanschluss mit jährlichen Kosten von 4329 Euro.

Für ein Fern- oder Nahwärmenetz müsste der Betreiber, vielleicht eine Gesellschaft auf Genossenschaftsbasis mit Bürgerbeteiligung, 31,2 Kilometer Wasserleitungen legen. In Breitbrunn wären es 10,8 Kilometer, in Widdersberg 0,8 Kilometer. Übrigens sind fast alle bisher schon verlegten Gasleitungen „Wasserstoff-ready“, wie es im Fachdeutsch heißt. Wasserstoff herzustellen ist allerdings extrem energieintensiv. Der Bürgermeister ließ schon mehrmals durchblicken, dass das Verlegen neuer Wärmenetzleitungen die Herrschinger Bürger enorm belasten würde. Florian Heindl von Maxsolar wies allerdings darauf hin, dass ein solches Netz nicht in einer einzigen großen Kraftanstrengung entstehe. „Das ist ein langsamer Prozess. Es werden ja nicht 50 Prozent aller Häuser auf einmal angeschlossen.“ In Marktl am Inn sei innerhalb eines halben Jahres die Genehmigungsprozedur gelaufen, im Juni werde schon mit den Arbeiten begonnen.

Wie sich der Wärmebedarf nach Heizkostentechnologien bis zum Jahr 2040 entwickelt, hat Maxsolar auch vorzusagen gewagt. Schon im Jahre 2030 könnte ein großer Anteil der Wärme aus dem Nahwärmenetz kommen, während Gas und Erdöl als Energiequelle dramatisch an Bedeutung verlieren. Schon 2035 sind diese fossilen Träger zu Randerscheinungen geschrumpft.

Von der Seethermie, mit der auch der grüne Energieexperte und Gemeinderat Gerd Mulert liebäugelt, ist in dieser Grafik garnicht die Rede. Eine Mehrheit des Gemeinderates hat trotzdem eine Machbarkeitsstudie für Breitbrunn in Auftrag gegeben, schließlich würde die Fernwärme für den nördlichen Ortsteil viel Geld kosten, falls die Wärmequelle in Herrsching liegt.

„Grundsätzlich können mit modernen Fernwärmeleitungen bis zu 10km Entfernung zwischen Energiequelle und Verbraucher überbrückt werden. Das reicht theoretisch, um auch Breitbrunn an die Geothermie anzuschließen. Die Kosten pro km liegen bei 100.000 bis 300.000 Euro. Auch das ist vertretbar im Hinblick auf die Gesamtkosten für das Netz.“ Alexander Keim, Gemeinderat (FDP)

Der Bürgermeister vergaß nicht zu erwähnen, dass das Ufer an Breitbrunner Gestaden steil abfällt und deshalb eine Wasserentnahme aus 30 bis 45 Metern Tiefe möglich wäre. Das Wasser ist in diesen Schichten ungefähr acht Grad warm, diese Wärme könnten die Wärmetauscher an Land aus dem Wasser ziehen und verwerten.

In Deutschland gibt es bisher noch sehr wenig Erfahrung mit Seewärmenetzen. In Tutzing soll nun eine Machbarkeitsstudie klären, ob man dem Starnberger See ein bisschen Wärme abtrotzen kann. Das Wasserwirtschaftsamt in Weilheim, so ein Tutzinger Experte, sei Feuer und Flamme.

Übrigens wären sogar die Fischer im Ammer- und Starnberger See dankbar für die Seethermie: Weil das Seewasser rund um die Entnahme- und Wiedereinleitungsstelle um etwa fünf Grad kälter wird, käme diese Sommerfrische den Fischen zugute.

14 Comments

  1. Ist der Gemeinderat hier wahrhaftig wieder bei der Entscheidung „vertagen“ angekommen? Und hat dies mit angeblich notwendigen teuren Zusatzmeinungen von Fachleuten unterfüttert? Statt ein JA zu der viel gelobten, mit Gutachten untermauerten und sogar bereits finanzierten Probebohung der Tiefengeothermie zu wagen?
    Da braucht es, wie ich finde, wirklich viel Optimismus, um hier noch Verständnis aufzbringen zu können.

    • Vor allem braucht‘s einen Haufen Sachverstand, um die Situation in Herrsching beurteilen zu können.
      Den haben wir alle, die wir hier diskutieren, NICHT.

      • Liebe Frau Boeckelmann, als ich in meinem Privathaushalt 2024 die Oelheizung in eine Luftwaermepumpe und Fotovoltaiksanlage umrüsten liess, nahm mir kein Sachverständiger die Entscheidung ab. Wenn meine Erbin in zwanzig Jahren mit der Herrschinger Fernwaerme das Reihenhaus heizt, wird auch sie mit Fachleuten diskutieren und allein, ohne teure Sachverständige, entscheiden müssen. Wir sollten nicht so schnell riesignieren und an unsere Lernfähigkeit glauben, sonst verdummen wir doch noch.

  2. Grundsätzlich können mit modernen Fernwärmeleitungen bis zu 10km Entfernung zwischen Energiequelle und Verbraucher überbrückt werden. Das reicht theoretisch, um auch Breitbrunn an die Geothermie anzuschließen. Die Kosten pro km liegen bei 100.000-300.000.€. Auch das ist vertretbar im Hinblick auf die Gesamtkosten für das Netz.

    Mir ist es schleierhaft, warum wir mit der Seethermie zum jetzigen Zeitpunkt einen zweiten Strang aufmachen anstatt den Fokus auf die seit über 100 Jahren erprobten und bewährten Technologie der Geothermie zu lenken. Wie wir wissen gibt es noch genug offene Punkte bei der Realisierung für die man vielleicht auch noch die eine oder andere Studie in Auftrag geben muss.

    • Ein wichtiger Gedanke ist das, Herr Keim. Zum jetzigen Zeitpunkt macht dieser zweite Strang, bzw. eine neue Baustelle, Zahlstelle für eine Machbarkeit der Seethermie keinen Sinn. In Schondorf hat man da schon bereits Erfahrungen gemacht. Dort zeigte sich, dass die juristischen und bürokratischen Probleme größer sind als gedacht.

      • Sehr interessant, Frau Körner. Schondorf wurde nämlich von einem GR auch als mögliche Gemeinde ins Spiel gebracht, die sich an der Studie beteiligen könnte. Das wurde aber von der Verwaltung nicht wirklich positiv aufgenommen.

        • Schade. Vielleicht sollte der Buergermeister und die Verwaltung mit euch ehrenamtlichen Gemeinderäten sich mehr Zeit bei den Vorbereitungen nehmen. Ihr könnt nur gut entscheiden, wenn gründlich vorbereitet ist.

  3. Wärme braucht keine Umwege – sondern Mut zur Entscheidung

    Dass Herrsching ein Wärmenetz braucht, liegt glasklar auf der Hand. Dass die Tiefengeothermie dafür die ideale Energiequelle ist, wurde vom beauftragten Wärmeplaner mehrfach und unmissverständlich als „Segen für eine Gemeinde“ bezeichnet. Und doch soll der Gemeinderat auf Antrag von Bürgermeister Schiller nun über eine Machbarkeitsstudie zur Seewärmenutzung entscheiden? Das wirkt nicht nur wie ein Rückschritt – es ist ein politisches Ausweichmanöver auf Kosten von Zeit, Geld und Glaubwürdigkeit.

    Die geplante Seewärmenutzung würde gleich drei (!) Schutzgebiete tangieren: ein Landschaftsschutzgebiet, ein EU-Vogelschutzgebiet (SPA) und ein internationales Ramsar-Gebiet. Es braucht kein Gutachten, um zu erkennen, dass Eingriffe in solch geschützte Zonen ein No-Go sind – ökologisch, rechtlich und politisch.

    Dem gegenüber steht die Tiefengeothermie: emissionsfrei, grundlastfähig – und das Beste daran: Die geplante Bohrstelle liegt außerhalb aller Schutzgebiete. Warum also Geld und Energie in eine Sackgasse investieren, statt endlich den Weg freizumachen für ein Wärmenetz, das Herrsching wirklich in eine nachhaltige Zukunft führt?

    30.000 Euro kostet die Machbarkeitsstudie – 6.000 Euro davon aus Gemeindemitteln. Geld, das wir uns sparen und sinnvoller in die Planung und Realisierung unseres Wärmenetzes investieren könnten. Es ist an der Zeit, Prioritäten zu setzen: für Klimaschutz, für Effizienz – und für eine ehrliche kommunale Energiepolitik.

    • Die Frage, die sich mir stellt, ist folgende: wäre die Tiefengeothermie (falls die Probebohrung erfolgreich verlaufen sollte) denn auch für Breitbrunn nutzbar?
      Oder ist der Weg für das heiße Wasser dann doch zu weit?
      Die Seethermie bzw. die Machbarkeitsstudie dafür ist ja wohl für Breitbrunn gedacht, und ich nehme an, dass bei dieser auch Naturschutz-Aspekte mit einfließen werden.
      Es schadet wahrscheinlich nicht, sich außer der Tiefengeothermie auch noch eine andere Option offenzuhalten.

      • Liebe Frau Böckelmann,
        natürlich muss auch eine alternative Lösung in Betracht gezogen werden, falls die Ergebnisse der Probebohrung für die Tiefengeothermie nicht den gewünschten Erfolg bringen. Dass eine Verrohrung nach Breitbrunn nicht möglich sei, stand nicht im Raum. Herr Heindl hat hinsichtlich einer praktikablen Alternativlösung auf zentrale Großwärmepumpen in Kombination mit Hackschnitzel oder Biomasse verwiesen – wie sie zum Beispiel im Fernwärmeprojekt in Marktl am Inn umgesetzt wird. Diese Optionen erscheinen weitaus realistischer als die Seethermie.
        Gerade die Nutzung der Seewärme sollte sehr vorsichtig betrachtet werden, so seine Darstellung. Hier sind erhebliche naturschutz-, wasser- und landschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten, und es fehlen bislang belastbare Daten. Einzelprüfungen zur Genehmigungsfähigkeit wären unumgänglich – mit ungewissem Ausgang.
        Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Warum sollte Herrsching ausgerechnet den Weg wählen, der am wenigsten Erfolgsaussichten verspricht und zugleich die größten ökologischen Risiken birgt?

      • Die Bemerkung einer Gemeinderätin in der Gemeinderatsversammlung, dass sich die Erwärmung des Ammersees so für die Fische positiv in kalte zurück verschiebt, teile ich nicht. Die riesigen Wassermassen werden durch die Rueckleitung in den See nur minimal verändert werden. Es kann aber sein, dass ich in Breitbrunn dann mich am Einleitungsrohr mit den Fischschwaermen dann zum Meeting treffe. Zur Zeit beschäftigen sich die Breitbrunner noch intensiv mit Gasheizungen, Luftwaermepumpen und Photovoltaik und hoffen auf kein neues Waermegesetz. Es geht also um Heizungssystemumbau in der Zukunft, die die nächste Generation lösen wird. Warum jetzt Geld für die Machbarkeit von Seethermie von der Gemeinde Herrsching. Müssen wir so sehr für alle Ammersee Gemeinden die Vorreiterrolle spielen? 30000 Euro nur dafür, ob es eventuell ginge…

    • Ich stimme Karin Casaretto zu und möchte noch ergänzen: Die Bayerischen Seen sind ausschließlich im Besitz des Freistaates Bayern, also nicht Gemeindegebiet. Wie steht es bei der Technologie der Seewaermenutzung um die juristische Zuständigkeit? Es geht wohl um Foerdermittel, die der Freistaat der Gemeinde Herrsching gibt. Warum macht nicht die Regierung von Oberbayern die Machbarkeitsstudie selbst und dann, wenn es bewiesen ist, können die Gemeinden einsteigen? Ich denke, der Gemeinderat haette noch ablehnen und abwarten können. Es gibt dringendere Aufgaben in Herrsching.

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