„Es muss erst Blut fließen, bevor man den Bürger vor dem Verkehr schützen darf. “ So zitierte letzte Woche die Süddeutsche Zeitung einen Verkehrspolitiker. Der Anlass für diesen Stoßseufzer: Für Gemeinden und Städte war es in der Vergangenheit schwierig bis unmöglich, innerorts Tempo-30-Zonen auf Durchgangssstraßen anzuordnen. Ein aktuelles Beispiel aus unserer Region: Am anderen Ufer des Ammersees wollten die Gemeinden Utting und Schondorf das „Inninger Modell“ kopieren und aus Lärmschutzgründen den Verkehr auf sanfte 30 km/h drosseln. Sie gaben Lärmschutzgutachten in Auftrag und hofften, über die Dezibelbegrenzung den fließenden Verkehr einzubremsen. Sprich: Mt dem Argument der Anlieger-Gesundheit den politischen Glaubenssatz „Der Verkehr muss flüssig gehalten werden“ zu überlisten. Genau das war in Inning passiert: Mit einem Lärmschutzgutachten setzte der Gemeinderat das Tempolimit 30 auf der Haupstraße durch.
Anders am anderen Ufer: Die Untere Straßenbaubehörde des Landratsamtes Landsberg entschied: Das Limit in den beiden Gemeinden bleibt bei 50 km/h. Daraufhin wandten sich die beiden Gemeinden an die Regierung von Oberbayern. Doch auch die vorgesetzten Beamten fanden 30 zu lahm. Auszug aus der Begründung: Ein Lärmaktionsplan sei für sich genommen keine ausreichende Rechtsgrundlage für verkehrsbeschränkende Maßnahmen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wozu Lärmschutzmaßnahmen, im Inneren der Autos hört man fast nichts vom Straßenlärm.
Im Hintergrund lauert noch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu diesem Thema. Aber große Hoffnungen sollte man nicht in die Rechtsprechung der dunkelblau gewandten Richter setzen.
Auch die Herrschinger SPD war schon an der StVO gescheitert, die in ihren Verwaltungsvorschriften so konservativ war wie ein königlich bayerisches Amtsgericht. Die Rathausfraktion der SPD hatte im Gemeinderat ein Tempolimit 30 für die Ortsdurchfahrt von Breitbrunn beantragt. Das Landratsamt Starnberg lehnte die Drosselung ab und bot als Konzession eine kurze Tempo-30-Zone im Bereich des Dominikus-Ringeisen-Werks an. Diese Zone ist – zur Belustigung der Dorfbewohner – inwischen eingerichtet: Hier fährt ohnehin jeder langsam, und wer in diesem Teil der Dorfdurchfahrt schneller als 30 fährt, fliegt sowieso aus der 90-Grad-Kurve.
Der Bundesrat hatte allerdings kürzlich erst neue Verwaltungsvorschriften für Verkehrsberuhigung und -sicherheit erlassen. Ob deshalb mehr neue Tempo-30-Zonen in den Rathäusern beschlossen werden dürfen, weiß man noch nicht. Die Absicht ist oft löblich, die Paragrafen dagegen sind pingelig. So konnte im letzten Jahr keine neue Tempo-30-Zone vor dem neuen Kinderhaus in der Rieder Straße neben der Polizei eingerichtet werden. Begründung: Der Eingang zum Kindergarten liegt nicht direkt an der Durchgangsstraße, sondern in einer Nebenstraße. Dass die Eltern und Kinder aber nicht mit dem Flugtaxi vor dem Eingang landen, sondern meist über die Staatsstraße anreisen, ist dem Paragrafen egal. Wie sagte der von der SZ zitierte Verkehrsexperte: Es muss erst Blut fließen…