Üppige Parkplätze, mickrige Lebensräume für die Bäume: Die Anzahl der Parkplätze in der Bahnhofstraße soll erhalten bleiben. Aber der Raum pro Blechplatz soll zugunsten der Schattenspender verkleinert werden. Foto: Gerd Kloos

Patient Baum bekommt mehr Lebensraum

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Der Patient Bahnhofstraße lag in der Gemeinderatssitzung auf der Diagnose-Station: Die Grünplaner von NRT haben im Auftrag des Rathauses die stämmigen Mitbewohner zwischen Rathaus und Bahnhof begutachtet. Die rund 30 Bäume besitzen nämlich zu wenig Freifläche und sind in ihrer Wurzelentwicklung beengt und nicht ausreichend bewässert. Dafür müssen die Parkplätze kleiner werden. Die Planer hatten nun die Aufgabe, alle 59 Parkplätze zu erhalten und trotzdem den Bäumen mehr Platz zu verschaffen.

Allerdings kollidieren die Wünsche der Fachplaner mit den eingeplanten Haushaltsmitteln: NRT rechnet für die Standortverbesserung der Bäume und die Erneuerung der Gehwege samt Parkplätzen mit einem Finanzbedarf von 646 000 Euro, im Haushalt aber sind nur 300000 Euro eingeplant. Möglicher Ausweg: die Sanierung in vier bis fünf Abschnitte ”portionieren“.

Die Bahnhofstraße selbst wird von den Plänen nicht berührt. Die Träume, eine verkehrsberuhigte Flanier- und Kulturmeile als attraktives Ortszentrum zu schaffen, bleiben Träume. Gemeinderat Gerd Mulert (Grüne) hatte in der Sitzung, passend zur erfolgreichen Abstimmung über autofreie Straßen in Paris, auch ein Verkehrskonzept angemahnt. Das aber war nicht der Prüfungsauftrag. Dazu müsse man, so der Bürgermeister, eine Feinplanung machen.

Die Parkplätze sind nach Ansicht der NRT-Planer sind größer als nötig. Ein Gemeinderat war allerdings ganz anderer Meinung und forderte mit Blick auf betagte Fahrzeuglenker breitere Blechplätze.

Die gute Nachricht fürs Gemeindeklima: Alle Bäume sind erhaltenswert, die Bahnhofstraße behält ihre grünen i-Tüpfelchen. Dafür aber müssen die sogenannten Baumscheiben, also die naturbelassenen Höfe um die Baumstämme, verbreitert werden. Außerdem muss der durchwurzelte Raum unter den Gehwegen voluminöser werden. Dieser Lebensraum für die Wurzeln könnte durch Baumsubstrat angereichert werden. In der Regel bestehen die Substrate aus mineralischen Zuschlagstoffe und Anteilen von organischer Substanz.

Um nun die Wurzeln in ihrem unterirdischen Habitat zu stärken – ein 25 Meter hoher und 70 bis 80 Jahre alter Baum braucht immerhin fast 200 Kubikmeter Erdreich – muss die versiegelte Asphaltfläche auf den Gehwegen und Parkflächen aufgerissen werden. Für die Parkfläche schlägt NRT großfugige Pflastersteine vor, damit das Wasser durch die Ritzen ins Erdreich sickern kann. Und wenn man schon die Parkplätze pflastert, können sie gleichzeitig verkleinert werden und so mehr Platz für die Baumscheiben bieten.

Auch der Belag für die Gehwege war Gegenstand der Untersuchungen. NRT schlägt dazu eine einheitliche Belebung mit sogenannten „Münchner Platten“ vor. Aus der BGH-Fraktion kamen besorgte Fragen nach den Leitungen im Untergrund und dem im Winter salzreichen Regenwasser, das bei vergrößerten Sickerflächen stärker ins Wurzelreich eindringen kann. NRT teilte die Salzsorgen nicht, und die Leitungen sind wohl auch kein Problem.

Die zu kleinen Baumscheiben, also die Freifläche um die Baumstämme herum, sollen vergrößert werden. Dazu werden aber die Parkplätze verkleinert. Zeichnung: NRT

Von der CSU-, SPD- und FDP-Fraktion gab es zu den Vorschlägen von NRT keine Nachfragen.

5 Comments

  1. Ortskerne haben eine Schlüsselrolle für Gemeinden und sie prägen das Bild einer Kommune. Starke Ortskerne steigern die Lebensqualität, machen Gemeinden attraktiver und kurbeln die Wirtschaft an. Die Bahnhofstraße könnte die „Neue Mitte“ von Herrsching werden. Warum also nicht die Planungen der Firma NRT mit der Verkehrsplanung von Dr. Kaulen verzahnen?

  2. Macht eine grüne Umgestaltung da eigentlich Sinn, wenn alle Parkplätze bleiben sollen und ist da nicht jeder Euro unsonst investiert? Ich stimme Frau Casaretto zu. Hoffentlich ist das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen.

  3. Was für eine Herausforderung: die grüne Umgestaltung der Bahnhofstraße – ohne den Straßenbereich anzutasten, alle 59 Parkplätze zu erhalten und trotzdem den Bäumen mehr Platz zu verschaffen. Das klingt nach einer mathematischen Unmöglichkeit – die Quadratur des Kreises!

    Doch sollte es nicht darum gehen, einen lebendigen Ortskern zu schaffen? Einen Ort, an dem man nicht nur durchfährt, sondern gerne verweilt? Stattdessen bleibt der Straßencharakter bestehen, als wäre das Auto das Herzstück von Herrsching. Warum wurde dem Grünplanungsbüro Narr nicht das bereits ausgearbeitete Verkehrskonzept von Dr. Kaulen übergeben – ein Konzept, das mit seiner entschleunigenden Vision genau das bietet, was die Bahnhofstraße dringend braucht?

    Statt Parkplätze um jeden Preis zu retten, wäre es an der Zeit, die Aufenthaltsqualität in den Fokus zu rücken. Warum nicht eine echte Beteiligung der Menschen vor Ort? Wie wäre es mit einem geschwungenen Holzsofa unter einem schattenspendenden Baum vor dem Optiker und dem Bücherladen – ein Ort, wo man in Ruhe eine neue Brille testet oder in einem frisch erworbenen Buch schmökert? Ein Wasserspiel vor dem Spielzeugladen, das nicht nur Kinder begeistert, sondern gleichzeitig die Grünflächen bewässert? Oder eine kleine Kitebar mit Liegestühlen vor dem Surfshop?
    Ideen gibt es genug – und sie würden den Gewerbetreibenden genauso zugutekommen wie der Bürgerschaft. Man müsste ihnen nur zuhören!

    Mein Motto für Herrsching: Nicht nur verwalten, sondern NACHHALTIG GESTALTEN!

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