Überbringerin vieler guter und einiger schlechter Nachrichten: Gemeindekämmerin Miryam Goodwin. Foto: Gerd Kloos

Grundsteuer: Jeder Dritte zahlt mehr in Herrsching

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5 537 Grundstücke haben Finanzamt und Gemeinde steuerlich neu taxiert: Und zwei Drittel der Besitzer dürfen sich über einen freundlicheren Grundsteuerbescheid freuen – obwohl der Gemeinderat den Hebesatz von 300 auf 420 Prozent angehoben hatte. herrsching.online hat mit der Gemeindekämmerin Miryam Goodwin über die Post aus dem Rathaus gesprochen.///

herrsching.online: Hat die Gemeinde einen Überblick, für wieviel Prozent der Grundbesitzer höhere Grundsteuern bezahlen nach der neuen Berechnungsmethode? Uns ist bewusst, dass die neuen Hebesätze das Bild von der einkommenneutralen Besteuerung verzerren.

Goodwin: Etwa 35 Prozent der Grundstückseigentümer im Bereich der Grundsteuer B verzeichnen durch die Reform eine höhere Belastung. Das bedeutet, dass für einen deutlich größeren Anteil der Eigentümer die Steuerlast gesunken ist. Die Bayerische Staatsregierung hat die Kommunen dazu aufgerufen, die Hebesätze aufkommensneutral zu gestalten – das heißt, die Gesamteinnahmen der Gemeinde aus der Grundsteuer sollten in etwa gleich bleiben. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die individuelle Steuerlast eines jedes Einzelnen unverändert bleibt.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Recht zur Festlegung der Hebesätze und zur Erhebung der Grundsteuer bei den Gemeinden liegt. In den vergangenen Jahrzehnten gab es hier nur moderate Anpassungen, während die kommunalen Ausgaben erheblich gestiegen sind. Viele Kommunen sehen sich daher gezwungen, zusätzliche Einnahmen aus der Grundsteuer zu generieren.

herrsching.online: Hat die Gemeinde nun alle Bescheide verschickt, und wenn nein, wann gehen die letzten Bescheide an die Bürger raus?

Goodwin: Die Gemeinde hat am 14. Dezember 2024 alle Grundsteuerbescheide verschickt, soweit ein Messbetragsbescheid des Finanzamts vorlag. Allerdings gibt es weiterhin zahlreiche Korrekturen der Messbeträge, da Bürger ihre Angaben beim Finanzamt überprüfen und gegebenenfalls anpassen lassen. Sobald die Gemeinde über geänderte Messbeträge informiert wird, werden entsprechend angepasste Grundsteuerbescheide fortlaufend verschickt.

„Gemeinden wurden angehalten, neue Einnahmen zu generieren“

Die Kämmerei hat in einer Beispielsrechnung dargestellt, welche Eigentümer mit höheren, welche Grundstücksbesitzer mit niedrigen Steuerbescheiden rechnen durften.

Miryam Goodwin hatte im Gemeinderat die komplizierte Materie der Neuberechnung erläutert: Bayern habe sich als einziges Bundesland für das Flächenmodell entschieden: Entscheidend ist deshalb für die Bemessung allein die Grundfläche und nicht das Bundesmodell, das Bodenwertmodell oder das Flächen-Faktor-Modell.

Allein in Herrsching muss die Gemeinde nun für 5 537 Grundstücke neue Steuergescheide errechnen. Und das geht so (wenn Sie das nicht wissen wollen, und das muss man auch nicht so genau wissen, dann überspringen Sie diesen Absatz):

Die Berechnung lautet: Der Äquivalenzbetrag ist Fläche x Äquivalenzzahl (Grundstücke 4 Cent pro Quadratmeter; Gebäude 50 Cent pro Quadratmeter) Daraus folgt der Messbetrag (Äquivalenzbetrag mal Grundsteuermesszahl; Grund-, Boden-, Gebäudeflächen: 100 Prozent, Wohnflächen 70 Prozent). Nun gibt es natürlich Ermäßigungen für die Land- und Forstwirtschaft, Baudenkmäler und sozialen Wohnungsbau. Und nun kommt endlich die Grundsteuer in Euro und Cent: Messbetrag x Hebesatz. Der lag in Herrsching bisher bei 300 Prozent.

Dieses Flächenmodell bringt vielen Grundstücksbesitzern deutliche Entlastungen. Aber nicht nur die Bürger haben das Jammern gelernt, auch die Gemeinde kann das bewundernswert gut: „In den Jahren 2021 und 2022 hatte die Gemeinde einen Kostenanstieg von 16 Prozent zu verkraften“, sagte die Gemeindekämmerin, „sie ist deshalb angehalten, Ausgaben zu senken und mögliche Einnahmen zu generieren.“ Und da kam nun die Reform der Grundsteuer wie gelegen: „Herrsching lag mit einem Hebesatz von 300 Prozent auf dem zweitletzten Platz im Landkreis – und das seit 2011.“ Die Land- und Forstwirtschaft musste sogar nur 250 Prozent bezahlen – das war der niedrigste Satz im Kreis. So steuerten Land- und Forstwirte den stattlichen Betrag von 6 000 Euro bei. Durch die Erhöhung des Hebesatzes sind das künftig sogar 19 000 Euro.

In der anschließenden Diskussion im Gemeinderat meldete sich der Kostenfuchs Christoph Welsch zu Wort: „Wozu wurden die Grundsteuern in Herrsching verwendet?“ wollte er von Kämmerin Goodwin wissen. „Grundsteuern fließen in den allgemeinen Haushaltstopf“, klärte sich auf. Aber Welsch war noch nicht fertig: „Die Grundsteuerreform sollte einkommensneutral sein. Warum haben wir keine Berechnungen mit dem bisher gültigen Hebesatz von 300 Prozent bekommen?“ hakte er nach. Goodwin erwiderte, dass die Gemeinde gezwungen sei, mehr Einnahmen zu generieren.

Das überzeugte dann das gesamte Gremium: Ohne Gegenstimme (auch Welsch stimmte zu) wurde der neue Hebesatz von 420 Prozent und 370 Prozent für Landwirte durchgewinkt.

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