Feingliedrig, modern und demokratisch: Zum Konzept des neuen Gymnasiums würde der Name Albrecht Haushofer passen, sagen die ehemaligen Gymnasiallehrer Volkmann und Eschrich. Haushofer habe als Widerstandskämpfer einen moralischen Kompass besessen und sei mit der Gegend um Pähl und Andechs eng verbunden gewesen. Zeichnung: schürmann dettinger architekten / jonas bloch

„Mit einem Haushofer-Gymnasium könnte man die historischen Fehlentscheidungen bei der Benennung der Straßennamen korrigieren“

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Herrsching hatte im „Dritten Reich“ prominente Nazis in seinen Mauern. Und bis heute erinnern noch 3 Straßennamen an die braune Vergangenheit. Man hatte damals halt nicht genau genug hingeschaut. Deshalb müsste es Herrsching doch gelegen kommen, wenn man das neue Gymnasium nach einem Widerstandskämpfer benennt. „So könnte man die historischen Fehlentscheidungen bei der Benennung der Straßennamen korrigieren“, meint der Publizist, Heimatforscher und ehemalige Gymnasiallehrer Robert Volkmann.

Er schlägt deshalb mit seinem Kollegen Gernot Eschrich aus Breitbrunn vor, die Schule nach dem Geografie-Professor und Nazi-Gegner Albrecht Haushofer zu benennen. Haushofer hatte Verbindungen zum Kreis des Widerstandskämpfers Graf Stauffenberg. Nach dem misslungenen Attentat flieht Albrecht Haushofer nach Bayern, wird in Machtlfing versteckt und in Garmisch verhaftet. Kurz vor Kriegsende erschießt ihn die SS in Berlin. Warum Albrecht Haushofer ein würdiger Namensgeber für das neue Gymnasium wäre, hat der Publizist und Universalgelehrte Robert Volkmann in einem Gespräch mit herrsching.online erläutert.

Buchautor und Heimat-Historiker Robert Volkmann in seinem Garten in Schlagenhofen

herrsching.online: Warum muss eine Schule überhaupt einen Namen haben und dazu noch einen Namen, der das Selbstverständnis der Schule ausdrückt und prägt?

Volkmann: Eine Schule muss keinen Namen haben, aber es ist eine Chance, den Schülern Orientierung durch einen Namen mitzugeben, zum Beispiel bei Geburtstagen des Namensgebers oder bei Jubiläen. Und wir haben ja im Umfeld von Herrsching Menschen, die einen klaren moralischen Kompass hatten. Und schließlich sollen die Schüler nach der bayerischen Verfassung nicht nur zur Liebe zur Heimat erzogen werden. Sie sollen sich auch für das Wahre, Gute und Schöne entscheiden können. Noch deutlicher: „Im Geiste der Demokratie“ , konkret sogar „im Sinne der Volkerversöhnung“. Und dazu brauchen wir halt Vorbilder, Menschen, und nicht Abstrakta.

Graffity am Willy-Graf-Gymnasium. Bei einer Schülerinnen- und Schüler-Umfrage in diesem Gymnasium kam die AfD auf 0.7 Prozent der Stimmen. „Der Direktor war stolz darauf und führte das auf die konsequente Bildungsarbeit im Zusammenhang mit dem Schulnamen zurück“, berichtet eine ehemalige Schülerin. Foto: Christl Voit

herrsching.online: Sie spielen auch auf geografische Namen an, die entweder schon vergeben oder schlicht beliebig sind.

Volkmann: Ja, und mit einem „Ammersee-Gymnasium“ in Herrsching hätten wir dann gleich mehrere Schulen dieses Namens. Ein Ammersee-Gymnasium in Herrsching wäre nichtssagend. Des braucht´s ned. In Berlin gibt´s übrigens eine Schule , die sich nach Albrecht Haushofer benannt hat.

herrsching.online: Wie kamen Sie und Ihr Co-Initator  Gernot Eschrich aus Breitbrunn auf den Namen des Geografie-Professors Albrecht Haushofer?

Volkmann: Albrecht Haushofer war mir seit dem Studium bekannt, und sein Bruder, Professor Heinz Haushofer (auf ihn geht übrigens wesentlich die Gründung der „Bauernschule“ in Herrsching zurück) hatte mich einstens im mündlichen Staatsexamen.

Letztes Jahr hat der Publizist Dr. Gerd Holzheimer ein Buch über die Familie Haushofer geschrieben. In diesem Werk schildert er die Familiengeschichte von Max Haushofer, 1811 geboren, der es als Landschaftsmaler zum Professor gebracht hatte, bis zu Karl Haushofer, einem bedeutenden Geografie-Professor , der allerdings enge Beziehungen zu führenden Nazis unterhalten hatte. Er hat sogar Hitler während dessen Gefängnisaufenthalt 1924 in Landsberg mehrmals besucht. Sein Sohn Albrecht, später ebenfalls Geografie-Professor in Berlin, suchte die Nähe zum Widerstand. Nach dem   Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 versteckte er sich zunächst in Machtlfing, dann bei Garmisch, wurde aber letztlich doch verhaftet. Wenige Tage vor Kriegsende wurde er am 23. April 1945 von der SS ohne jedes Verfahren erschossen. Haushofer ist mit seiner Lebensgeschichte, seiner hohen kulturellen Bildung als Schriftsteller, seine „Moabiter Sonette“ sind erschütternde Literatur, als Musiker, seinen Zweifeln und schließlich seinem Bekenntnis ein wahrer Mensch, einer aus der Umgebung Herrschings.

herrsching.online: Das Leben des Albrecht Haushofer ist also wissenschaftlich und literarisch schon profund aufgearbeitet?

Volkmann: Ja, es gibt  unter anderem Dissertationen zu Abrecht Haushofer .  Zum aktuellen Buch von Gerd Holzheimer: Holzheimer war ein Ex-Kollege vom Kurt-Huber-Gymnasium Gräfelfing und ist ein guter Freund von Gernot Eschrich aus Breitbrunn. Eschrich redigiert die von Holzheimer herausgegebene Literaturzeitschrift „Literatur in Bayern“. In dieser Zeitschrift wurde das Buch von Gerd Holzheimer über die Familie Haushofer vorgestellt. So bin ich darauf gekommen, dass es Herrsching, das ohnehin mit 3 belasteten Straßennamen  große Schwierigkeiten hat, doch gelegen kommen müsse, wenn man die neue Schule nach einem Widerstandskämpfer benennt. So könnte man die historischen Fehlentscheidungen bei der Benennung der Straßennamen korrigieren. Sorry, liebe Herrschinger, aber das ist so! So würden wir zudem Menschen ehren, denen Ehre gebührt.

herrsching.online: …damit mutige Menschen aus der Heimat, die man schon vergessen hatte, wieder ins Bewusstsein der Gesellschaft zurückgeholt werden?

Die Chancen stehen Fifty Fifty

Volkmann: Ja, mit einer solchen Namensgebung würden wir wirklich solche Menschen ehren. Wir würden damit dokumentieren, dass der Widerstand dieser Menschen nicht folgenlos war.

herrsching.online: Hat ein Name auch einen konkreten Einfluss auf den Geist einer Schule, auf die Einstellung der Schüler?

Volkmann: Ja, das habe ich im Christoph-Probst-Gymnasium erlebt, wo die Schulgemeinschaft und damals auch die Schüler-Mitverwaltung klar formuliert haben, dass sie etwas ganz bewusst anders gestalten wollen. Und bei Jubiläen oder anderen Veranstaltungen kann die Schule Persönlichkeiten einladen, die sich mit dem Namensgeber oder der -geberin auseinandersetzen. Außerdem man kann im Unterricht Schwerpunkte setzen, zum Beispiel zum Widerstand im Nationalsozialismus. Wenn man der Erinnerung Namen gibt, wird Erinnerung konkreter, und in der Regel zeigt sie auch mehr Wirkung.

herrsching.online: Wie hoch sind die Chancen, dass Ihr Vorschlag Albrecht-Haushofer-Gymnasium ernsthaft diskutiert oder sogar realisiert wird?

Volkmann: Ich gehe echt von einer Fifty-Fifty-Chance aus. In Herrsching herrscht allerdings eine gewisse Überdrüssigkeit wegen der Straßennamendiskussion. Aber das ist, so vermute ich, vielleicht auch so etwas wie ein verdrängter Schuldkomplex, weil die Vorfahren halt nicht genau hingeschaut haben.

herrsching.online: Verdrängen und Vergessen, das hat die junge Bundesrepublik in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren als unausgesprochene Staatsdoktrin gepflegt.

Volkmann: Ja, in Teilen durchaus zutreffend, aber Verdrängen und Vergessen, diese Haltung ist zu einfach. Wir sind alle verantwortlich, sagte mir eine Gemeinderätin in Herrsching. Wir sind selbstverständlich nicht verantwortlich dafür, was unsere Väter und Großväter an politischem Mist gemacht haben. Aber wir sind dafür verantwortlich, was w i r damit machen. Deshalb, so ihre Einschätzung, könnte sie sich Haushofer als Namensgeber gut vorstellen.    

11 Comments

  1. Meine Namens-Favoritin für das neue Gymnasium wäre Hannah Arendt. Sie hat sich für kritisches Denken, Freiheit und die Verantwortung des Einzelnen in der Gesellschaft eingesetzt. Für Arendt ist öffentliches Handeln eine der höchsten Formen menschlichen Schaffens, weil es Demokratie und Neues hervorbringt. Diese Fähigkeiten wünsche ich den zukünftigen Schülerinnen und Schülern.

  2. Albrecht Haushofer finde ich gut.

    Wenn man aber mal vom üblichen Vorgehen abweichen wollte, Schulen nach NS-Widerstandskämpfern zu benennen, könnte man auch einen DDR-Oppositionellen in Betracht ziehen, wie den im Oktober letzten Jahres gestorbenen Thomas Ammer.
    Dann hätten wir zwar kein Ammersee-Gymnasium, aber in der Kurzform doch wenigstens ein Ammer-Gymnasium ??

    https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Ammer?wprov=sfti1#

  3. Es ist zwar lange her, dass ich mein Abitur am städtischen Willi-Graf-Gymnasium in München abgelegt habe. Ich erinnere mich aber noch gut daran, dass der Name Mahnung und Verpflichtung für uns zugleich war. Natürlich war es eh eine politisierte Zeit, in der die Jüngeren drängend fragten, wie ihre Eltern sich in Kriegszeiten in der Nazidiktatur verhalten hatten. Umso erfreuter war ich, als ich kürzlich im Rahmen eines Klassentreffens bei einer Schulführung im Schaukasten der Schule das Ergebnis einer Schüler*innenabstimmung zur Europawahl sah: AFD 0,7 % ! Der Direktor war stolz darauf und führte das auf die konsequente Bildungsarbeit im Zusammenhang mit dem Schulnamen zurück. Es braucht also nicht nur den richtigen Namen, sondern auch engagierte Lehrer*innen.

  4. Wie hier bereits diese kleine Diskussion zeigt: Sollte nicht generell auf Namen von Personen verzichtet werden?
    Da sie unterschiedliche Gefühle bei unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Zeiten auslösen?

  5. Sorry, aber das Argument dass der Name eines Widerstandskämpfers für die neue Schule die drei NS belasteten Straßen „korrigieren“ soll, erschließt sich mir nicht. Bitte nicht vermischen. Der neue Schulname sollte nichts mehr mit der NS-Zeit zu tun haben. Und ja Geschichte sollte aber auch nicht vergessen werden. Deshalb bin ich auch für die Beibehaltung der in Rede stehenden Straßennamen mit entsprechendem Zusatz. Wie Herr Volkmann selbst ausführte: „Verdrängen und Vergessen ist zu einfach.“ Genau das würde aber mit der Tilgung der Namen passieren.

    • „Verdrängen und Vergessen ist zu einfach.“ Genau das würde aber mit der Tilgung der Namen passieren.

      Sorry, aber ich halte das für eine faule Ausrede. Dafür, dass man nichts ändern will.

    • „Verdrängen und Vergessen ist zu einfach.“ Genau das würde aber mit der Tilgung der Namen passieren.“

      Sorry, aber ich halte das für eine faule Ausrede. Dafür, dass man nichts ändern will.

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  6. Ich bin auf eine Polytechnische Oberschule namens „Nikolai A. Ostrowski“ gegangen. Benannt nach dem sowjetischen Schriftsteller des berühmten Romans „Wie der Stahl gehärtet wurde“. Der Romanheld Pavel Kortschagin gab mir leider keine Orientierung im real exististierenden Sozialismus. Somit zählte ich nicht wirklich zur „fortschrittlichen“ Jugend in der Antifa-DDR.
    Dagegen aus ganz anderem Holz mein Klassenlehrer und Neulehrer Herr G. mir sein English weitergab. Was er, so er berichtete, sich nebenbei in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft aneignete. Ihm gilt eher meine Hochachtung für grenzenlosen Optimismus und Zuversicht selbst in der unwirklichen Diktatur des Proletariats. – Nomen omen est.

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