Samy muss vor dem großen Knall sediert werden und versteckt sich schon weit vor 12 Uhr in einem Schalenkoffer. Kater Mirco sucht Schutz unterm Sofa und verweigert einen Tag lang den Besuch des Futternapfs. Silvesterfeuerwerke sind Höllenqualen für viele Haustiere und ein Inferno für das Wild. Lasershows ohne gesetzliches Böllerverbot sind übrigens keine wirksame Alternative: Die Ammerseegemeinde Dießen hatte eine umweltschonende Lasershow veranstaltet – geböllert wurde trotzdem. Die politische Diskussion um das Silvesterfeuerwerk ist auch zwölf Tage nach dem Feuerzauber nicht verebbt. Wir haben die Gemeinderäte Wolfgang Schneider (SPD, Dritter Bürgermeister) und Alexander Keim (FDP) um ihre Meinung gefragt. Schreiben Sie uns, liebe Leser, Ihren Kommentar unter diesen Artikel. Sie erreichen damit mehr Herrschinger als mit jedem Post.
Viele Herrschinger und vor allem Herrschingerinnen schimpfen wie die Rohrspatzen auf die „blöde Knallerei“. Wir haben in einer nicht repräsentativen Umfrage jedenfalls niemanden getroffen, der sich für „Colorflul Python“, „böse Oma“, „Baby Kacke“ oder „Artificial Pyro“ stark machen wollte.
Dabei ist ein Feuerwerk die sozialste aller Protzgesten vermeintlich reicher Menschen: Einer zahlt, alle dürfen zugucken, sich freuen oder ärgern, je nach Gemütszustand und Haustierbestand. Mehr Teilhabe am Investment begüterter Mitbürger geht eigentlich nicht. Tatsächlich sind die Feuerwerksnester an Silvester meist in Straßen von teuren Wohngegenden zu beobachten. „Ein älteres Ehepaar hat bei uns an Silvester Feuerwerk für insgesamt 615 Euro gekauft“, erzählt uns eine Supermarktkassiererin, „schön für unseren Umsatz, trotzdem eine Sauerei“, schimpft sie.
Eine kleine Emotions-Explosion gab’s vor Jahren im Herrschinger Gemeinderat, als sich eine Herrschinger Bürgerin sichtlich erregt über die Silvester-Böllerei beklagte. Die Knallerei sei mit den Klimazielen nicht vereinbar, verursache einen unfassbar großen Müllberg und verängstige die Tiere, so ihr Statement, als Bürgeranfrage getarnt. Außerdem hielten sich viele Herrschinger nicht an die gesetzlich festgelegten Zeiten. Sie bat Bürgermeister und Gemeinderat, die Knallerei in Herrsching zu verbieten. Bürgermeister Schiller sagte in der Entgegnung, dass die Bürgerin den meisten Herrschingern aus dem Herzen spreche. Leider seien die gesetzlichen Möglichkeiten für eine Gemeinde sehr begrenzt. Ein Verkaufsverbot könne eine Gemeinde ohnehin nicht erlassen, und Feuerwerksverbote in bestimmten Gemeindegebieten sei nur mit besonderen Begründungen möglich.
„Randalierer werden sich durch Verbot nicht abhalten lassen“
Auch der Dritte Bürgermeister Wolfgang Schneider steht, ähnlich wie sein Parteigenosse Olaf Scholz, einem Böllerverbot skeptisch gegenüber. Schneider zu herrsching.online:
„Leider ist durch etliche Chaoten ein an sich harmloser Brauch in Verruf geraten. Mit einem generellen Verbot trifft man wieder hauptsächlich die Falschen, denn die Randalierer werden sich dadurch nicht abhalten lassen. Außerdem bin ich grundsätzlich dafür, Verbote nur dann auszusprechen, wenn es Alternativen gibt. Auf Herrsching heruntergebrochen würde das heißen: Die Gemeinde organisiert eine große Lasershow und kann dann an die Bürger appellieren, auf lärmendes Feuerwerk, insbesondere Böller, zu verzichten. Was ich allerdings noch nicht weiß, ist, wie diese Lasershow finanziert werden soll. Vielleicht kann man Sponsoren gewinnen?“
„Pyrotechnik bleibt jedem Individuum selbst überlassen“
Schneiders Gemeinderatskollege Alexander Keim, FDP, stimmt ihm im Wesentlichen zu.
„Neben rechtlichen Aspekten würde die FDP- Fraktion ein solches generelles Verbot nicht unterstützen. Die Nutzung von Feuerwerken an Silvester ist in Europa Brauch seit über 700 Jahren. Auch wenn die Bilder aus Berlin und anderen Großstädten bei mir persönlich Befremdung auslösen, bin ich der Überzeugung, dass der verantwortungsvolle Umgang mit Pyrotechnik jedem Individuum selbst überlassen bleiben sollte. Sollte es auch in Herrsching zu Vorfällen kommen, bei denen Rettungskräfte oder andere Menschen, die in der Silvesternacht ihrer Arbeit nachgehen oder anderweitig unterwegs sind, angegriffen werden, so hat der Gesetzgeber genug Möglichkeiten, diese Straftaten zur Anzeige zu bringen und entsprechend zu sanktionieren. Eine von der Gemeinde organisierte Show mit Feuerwerk, oder alternativ Drohnen oder Lasern ist natürlich begrüßenswert und könnte auch Feinstaubbelastung und Müll reduzieren. Bei der aktuellen Haushaltslage sehe ich die Chancen dafür aber als aussichtslos an. Es gibt Gott sei Dank genug Seeanrainer, die sich den Augenschmaus etwas kosten lassen und den Nachthimmel auf stilvolle Weise erleuchten lassen, und das ist auch gut so.“
Anders im hohen Norden: Auf Sylt, in St. Peter-Ording oder auf Wyk auf Föhr sind Feuerwerke entweder völlig verboten, oder es gilt ein absolutes Abbrennverbot an den Stränden.
Der Spiegel hat in einer großen Umfrage in allen Bundesländern nachgefragt, ob man ein generelles Böllerverbot plane oder erwäge. Ergebnis: „In den Bundesländern ist die Mehrheit der zuständigen Ministerinnen und Minister noch immer gegen ein generelles Böllerverbot“, fasst das Nachrichtenmagazin die Recherche zusammen. Elf Länder lehnten ein generelles Verbot ab, nur zwei seien eindeutig dafür, drei seien unentschieden. Ablehnen würden Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein Verbot. Nur Bremen und Berlin sprächen sich eindeutig für ein Verbot aus. Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein seien unentschieden, aber nicht prinzipiell gegen ein Böllerverbot.
Pyrotechnik ist für Menschen die unwissend sind toll. Ich benötige diesen Spaß in der Vergangenheit nicht und werde ihn auch in Zukunft nicht brauchen.
Es wird kein Böllerverbot geben. Es sei denn, die Anzahl der, durch das Feuerwerk verletzten oder toten Menschen nimmt noch extremer zu.
Das Leid der Tiere spielt dagegen überhaupt keine Rolle.
Was mich jedoch am meisten wundert ist die Tatsache, dass plötzlich so viele Millionen Euro für ein paar Augenblicke Spass in die Luft verballert werden können. Während das Jammern um abnehmenden Wohlstand und eine sich angeblich ständig verschlechternde Wirtschaftslage von Jahr zu Jahr immer lauter wird.
Ich brauche kein Feuerwerk, weil es für mich völlig unnütz ist. Auf der einen Seite wird auf höchstem Niveau gejammert und geschimpft. Wenn ich dann aber sehe, was an einem Abend in die Luft geknallt wird – anscheinend geht es den Leuten doch nicht schlecht. Muss es dann aber sein, gibt es ein schönes Beispiel aus dem Osten Münchens. Eine Gemeinde sammelt Geld bei den Bürgern und kümmert sich dann um das Feuerwerk . Treffpunkt ist auf einem zentralen Platz, die Bürger kommen zusammen und starten gemeinsam ins neue Jahr. Finde ich gut!
Ich denke, dass sich für ein generelles Boellerverbot deutschlandweit keine Mehrheit findet. Sicher entstehen auch Probleme bei der Ueberwachung durch die Polizei. Deshalb plädiere ich für ein eingeschränktes Verbot. Die Kommunen könnten jeweils zwei oder drei Zonen erlauben und diese durch die Polizei überwachen lassen. Dort dürfte dann geboellert werden und im Rest des Landes feiern ruhigere Zeitgenossen ohne Raketen und Kanonen und trinken Sekt. So gebe es sicher weniger Tote und verletzte Buerger.