Farbe bekennen bei strahlendem Sonnenschein: Aktivistinnen von „Frauen helfen Frauen e. V." und von den Soroptimistinnen Fünfseenland prangern Gewalt gegen Frauen an. Foto: Gerd Kloos

„Frauen kommen oft nicht mehr aus dem Frauenhaus raus, weil sie keine neue Wohnung finden“

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Eine orange-farbige Bank an der Seepromenade war stumme Zeugin eines spektakulären Auftritts: Zum weltweiten Orange Day, der Gewalt gegen Frauen anprangert, trafen sich 20 Frauen mit orangenen Schirmen an der Promenade. Jährlich lassen sich im Herrschinger Büro von „Frauen helfen Frauen e. V.“ (Telefon 08152/5720) rund 150 Frauen beraten, wie sie sich der häuslichen Gewalt entziehen können. „Frauen lassen sich sehr spät beraten, weil sie sich schämen“, hat die Vorsitzende Ursel Wrede festgestellt. Und die Vorsitzende der „Soroptimistinnen Fünfseenland“, Martina Lucks, weiß, dass häusliche Gewalt in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt. herrsching.online hat mit Ursel Wrede und Martina Lucks über die konkrete Hilfe im Landkreis gesprochen.

Inge Hansen und Martina Lucks von der Organisation Soroptimistinnen für berufstätige Frauen (links) und Ursel Wrede vom Verein „Frauen helfen Frauen“ im Landkreis Starnberg.

herrsching.online: Frauen helfen Frauen, heißt Ihr Verein. Wie helfen Sie konkret?

Wrede: In unserem Büro in Herrsching arbeiten vier Teilzeitmitarbeiterinnen auf zwei Vollzeitstellen. Diese Mitarbeiterinnen beraten Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind. Aber sie sind auch in der Gewaltprävention tätig. Sie sind ausgebildete Sozialpädagoginnen oder haben verwandte Ausbildungen. Außerdem haben sie noch eine Spezialausbildung durchlaufen, um mit diesen schweren Themen umgehen zu können.

herrsching.online: Wieviele Frauen beraten Sie im Jahr?

Wrede: Wir beraten ungefähr 150 Frauen im Jahr aus dem Landkreis Starnberg.

herrsching.online: Eigentlich könnte man ja vermuten, dass in einem so wohlhabenden Landkreis wie Starnberg häusliche Gewalt, die ja auch aus ökonomisch schwierigen Bedingungen erwachsen könnte, seltener vorkommt.

Lucks: Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten vor, ob es Akademikerfamilien sind, Arbeiterfamilien, Zuwanderer oder Urbayern.

Wrede: Frauen aus wohlhabenderen Schichten gehen wohl eher zu einem Anwalt als zu einer Beratungsstelle. Oft müssen sie dann auch noch eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben.  

herrsching.online: Spielt da auch die oft beschriebene Scham eine Rolle?

Wrede: Ja, oft holen sich Frauen sehr spät Hilfe, weil sie sich schämen, weil sie denken oder sich einreden lassen, dass sie selber schuld sind. Oft reden die gewalttätigen Männer den Frauen ein, dass sie selber schuld sind.

Lucks: Berater, die mit Männer in Haftanstalten reden, erzählen, dass die Täter ihre Schuld leugnen. Sie seien psychisch so von den Frauen malträtiert worden, dass sie keine andere Lösung mehr gefunden hätten.

Telefon des Beratungsbüros in Herrsching:  08152/5720
Spendenkonto für den Verein „Frauen helfen Frauen e. V."
DE 62 7025 0150 0430 8868 04

herrsching.online: Frau Wrede, wie helfen Sie konkret den Frauen in Ihrer Herrschinger Beratungsstelle, die sich bei Ihnen melden?

Wrede: Wir haben seit ein paar Jahren das Gewaltschutzgesetz. Dieses Gesetz ermöglicht es den Frauen, in ihren Wohnungen zu bleiben. Der gewalttätige Mann muss die Wohnung verlassen, auch wenn er Mieter ist. Die Polizei ist berechtigt, den gewalttätigen Mann aus der Wohnung zu weisen. Frauen wollen nämlich nicht unbedingt in Frauenhäuser wechseln, wenn es nicht unbedingt sein muss, damit die Kinder in ihrer Umgebung bleiben.

herrsching.online: Gibt es im Landkreis ein Frauenhaus?

Wrede: Im Landkreis Starnberg haben wir kein eigenes Frauenhaus. Der Landkreis bezahlt aber für Plätze im Frauenhaus Murnau. Das Problem in unserem Landkreis ist die Wohnungsnot. Die Frauen, die einmal ins Frauenhaus gezogen sind, kommen da nicht wieder raus, weil sie keine neue Wohnung finden. Deshalb versuchen unsere Mitarbeiterinnen, eine Lösung zu finden, um einen Umzug ins Frauenhaus zu vermeiden. Die Frauen können sich bei uns auch für zehn Euro eine Anfangsberatung durch eine Rechtsanwältin holen.

herrsching.online: Vom wem wird Ihr Beratungsbüro unterstützt?

Wrede: Eigentlich sind alle Unterstützungen, die wir bekommen, freiwillig. Das Sozialministerium bezahlt einen Beitrag, der Landkreis und die Kommungen steuern bei, aber es gibt noch keine gesetzliche Grundlage für diese Beiträge. Zehn Prozent müssen wir selber aufbringen durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Bußgelder, die Amtsgerichte zu unseren Gunsten verhängen. 

herrsching.online: Ist der Etat fürs nächste Jahr gesichert?

Wrede: Es ist jedes Jahr spannend, ob wir die nötigen Gelder bekommen. Für nächstes Jahr liegen die Zusicherungen vor. Aber wenn Richtlinien von heute auf morgen geändert werden, dann sehen wir wieder ganz alt aus. Das Sozialministerium hat seinen Zuschuss innerhalb von vier Jahren  um drei Prozent erhöht. Wir aber bezahlen unseren Mitarbeiterinnen den Tarif, der für den Öffentlich Dienst gilt.  Dabei braucht der Job viel Expertise und psychologische Resilienz. Man muss da viel aushalten.

Diese Bank an der Seepromenade hat die Schreinerei Darchinger fachmännisch abgeschliffen, Inge Hansen von den Soroptimistinnen hat sie dann passend zu Orange Day angestrichen.

1 Comment

  1. Sexualisierter Machtmissbrauch an Frauen und Kindern nimmt zu. Es ist gut, dass es in Herrsching die Gruppe „Frauen helfen Frauen“ gibt.

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